Ab in die Tonne

Der Koch Unser Kolumnist schmeißt eigentlich nichts weg, das ist Ehrensache. Doch neulich konnte er nicht anders
Ausgabe 42/2018
Neulich erst, hat der Koch so richtig mit Lust sein Essen in die Tonne gepfeffert
Neulich erst, hat der Koch so richtig mit Lust sein Essen in die Tonne gepfeffert

Foto: imago/Photocase

Ich werfe ja nichts weg. Ehrlich. Zum Beispiel das Brot. Jeden übrig bleibenden Kanten davon bewahre ich auf. Er darf trocken werden, richtig trocken, und je nach Bedarf hole ich die Küchenmaschine aus dem Schrank und mache Semmelbrösel. Dass ein Stück Brot in den Müll wandert, das kommt bei mir nicht vor. Das ist Ehrensache.

Brot gehört zu den Produkten, die mit am meisten weggeworfen werden, im Einzelhandel wie in den Haushalten. Anfang des Monats hat wieder eine Studie des WWF darauf hingewiesen: Danach landen im Jahr in Deutschland schätzungsweise 1,7 Millionen Tonnen Backwaren im Müll, 11 Millionen Tonnen an Lebensmitteln sind es insgesamt oder umgerechnet 55 Kilo pro Einwohner.

Da fange ich beim Brot nicht an, das ist mir heilig. Gut, mit einer Ausnahme: Im Sommer war auf einmal der ganze Brotkasten voll mit Scherzln, so sagt man in Bayern zu den Endstücken. Und das ganze Altbackene entpuppte sich buchstäblich als hervorragende Brutstätte für Mehlmotten. Als ich eines Morgens den Deckel abhob, flatterte mir ein halbes Dutzend davon entgegen. Wochenlang bekämpfte ich den Befall – nicht mit Mottenfallen, sondern mit Schlupfwespen, die man im Internet bestellen kann. Das sind wirklich nützliche Nützlinge, nach zwei Monaten war der Spuk vorbei.

Aber es gibt auch Momente fröhlicher Entsorgung. Neulich erst, da habe ich so richtig mit Lust den Inhalt einer Pfanne in die Tonne gepfeffert. Es war wieder der Klassiker: Ein neues Kochbuch lag auf dem Tisch, ich suchte mir ein Rezept aus, schon beim Lesen kamen mir leichte Zweifel, doch dann entschied ich mich, dem Autor zu folgen und in diesem Fall Auberginenwürfel bei mittlerer Hitze anzuschwitzen. Denn man lernt ja nie aus und sollte die eigenen Wahrheiten immer wieder hinterfragen. Also gab ich die Auberginenwürfel wie verlangt mit nicht wenig Öl in eine nicht ganz heiße Pfanne. Kann doch sein, dachte ich mir, dass die Würfel, die nun eher glasig und leicht gummiartig werden würden, das absichtlich werden sollen und im Laufe der weiteren Zubereitung dann auch irgendwie anfangen zu schmecken. Sie taten es nicht. Und ich war irgendwann, eigentlich recht schnell, mit meinem Latein am Ende. Denn das ist der Vorteil, wenn man etwas Routine am Herd hat. Man kann schneller entscheiden, dass manche Dinge einfach nicht zu retten sind.

Die letzte Alternative war, aus dem Schmarrn in der Pfanne mit dem Stabmixer so etwas wie eine Suppe zu machen. Ich entschied mich dagegen. Was für ein Hochgefühl, als mein Fuß den Tritt des Mülleimers fand. Er wackelte leicht, als ich ihn auftrat. Und das war das Beste an diesem Pfannengericht: Es brauchte keine Nachhilfe, es verschwand mit einem Rutsch in dem dunklen Schlund. Ich fühlte mich so befreit, es war auch noch Zeit und es gab noch Auberginen im Gemüsefach: Ich fing noch einmal an und ignorierte nun das Rezept an den entscheidenden Stellen. Das Gericht wurde perfekt.

Beim Essen fragte ich mich, warum ich nicht mal ein kleines schlechtes Gewissen hatte. Ich glaube, es lag am Mehrwert. Denn den gibt man ja den Zutaten, wenn man mit ihnen kocht. Und sollte man dann darüber nicht auch ganz frei verfügen dürfen? Noch dazu, bevor meine Gäste den Mehrwert an den Tellerrand schieben. Und hey: Vielleicht 600 Gramm Aubergine, etwas Olivenöl, Knoblauch, Ingwer, etwas getrocknete Tomate und eine kleine Handvoll Kokoschips sind im Müll gelandet: noch 54 Kilo übrig.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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