Was haben Tomaten Basilikum, Kartoffeln Rosmarin, Erbsen Minze gemeinsam? Es sind klassische Kombinationen, ungleiche Duos, die eine Einheit bilden: Die Minze etwa hat in dieser Mischung mehr Zitrus-Aroma, die Erbsen verlieren jeden Muff. Ich habe die Vorstellung von diesem perfekten Paar so im Kopf, dass ich sofort an Minze denke, wenn ich auf dem Markt frische Erbsen sehe. Und mein Gemüsehändler denkt wie ich: Die Kräuterbündel liegen gleich neben der Kiste mit den blassgrünen Erbsenschoten, die Tomaten bei den Basilikumtöpfen, der Rhabarber neben den Erdbeeren.
Wäre es nicht ein Wunder, wenn diese typischen Anordnungen mal durcheinander gewürfelt würden? Was wenn Birnen auf einmal zwischen den Salaten lägen? Würden dann mehr Menschen die Obstscheiben mit Rucola oder Eichblatt mengen? Verdient hätten Sie es. Übrigens: Staudensellerie hat bei Kohlrabi und Lauch auch nicht viel verloren. Aber bei den Tomaten.
Neue Ordnung beim Gemüsehändler
Warum ich die Ordnung der Dinge in den Gemüseauslagen auf einmal in Frage stelle? Weil ich ein Buch gelesen habe. Nein, gelesen ist der falsche Ausdruck, ich blättere darin, verliere mich, überspringe Dutzende Seiten, gehe hin und zurück, ganz gelesen werde ich es wohl nie haben. Ich hoffe, es erscheint bald auf Deutsch. Der Flavour Thesaurus (Bloomsbury 2010, 400 S. ca. 22 Euro) ist ein Nachschlagewerk für Aromen und gibt Auskunft, wie sie zusammenpassen könnten.
Was ich daran mag: Die Autorin Niki Segnit, eine ehemalige Marketing-Spezialistin für Lebensmittel, verzichtet auf Vollständigkeit ebenso wie auf den Anspruch, in irgendeiner Frage, das letzte Wort gesprochen zu haben. Das Wissen um die Kochkunst ist uralt, Jahrhunderte lang wurde es zumeist von Mund zu Mund weitergegeben, Kultur, Klima, auch Politik und Wirtschaft haben dazu geführt, dass die Geschmäcker über den Globus so grundverschieden und verblüffend oft ganz ähnlich sind. Ein Lexikon der Aromen, das aus diesem Wissens heraus absichtlich subjektiv gehalten ist, allein das schon finde ich ganz reizend.
Ein leichter Hauch von Anis
99 sehr gebräuchliche Zutaten hat sich die Autorin herausgesucht, von A wie Almond (also Mandel) bis W wie Weißfisch, und ist dann alle kombinatorischen Möglichkeiten durchgegangen – rein rechnerisch 9.702. Kombinationen wie Schinken Schokolade liegen Segnit dann doch zu fern, über tausend Paarungen aber sind ihr der Rede wert. Oft sind es mit Anekdoten gewürzte Rezepte, kleine Abstecher in die kulinarische Geographie und Geschichte oder gleich alles zusammen, die sich unter Etiquetten wie Thymian Schokolade oder Kirsch Kokosnuss finden: Kleinst-Essays, und das in einer Sprache, die vor Bildern und Poesie nur so strotzt: Über die Avocado, zu der manche bekanntlich ein schwieriges Verhältnis haben, schreibt Niki Segnit: „Sie schmecken nach Gras und haben die Textur von Butter. Die besten Exemplare passen zu anderen Trägern subtiler Aromen, wie Mozzarella oder Krustentieren. Letztere mögen den leichten Hauch von Anis im Avocado-Fleisch. Öfter von starken Aromen wie Limette oder Knoblauch überdeckt, wird die Avocado aber wohl weniger wegen ihres Geschmacks verwendet, sondern wegen des wunderbar cremigen Fleischs und der fetten, kühlenden Note in Salaten, Sandwiches und Salsas.“
Texte wie dieser sind mir zur Hors d’œuvre geworden, bevor ich mit dem Kochen beginne. Sie inspirieren. Ich lese eine Seite in dem Thesaurus, mache eine Schublade oder den Kühlschrank auf, suche mir mein Duo für den Abend und bringe neue Ordnung in die Dinge. Für meinen Gemüsehändler habe ich auch schon einen Vorschlag: Tomaten und Bohnen geben ein ganz tolles Paar ab.
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