Chronik

vom 12. bis 18.Februar 2009

Kämpferin für Prostituierten-Rechte

Domenica gestorben

Sie gab der Prostitution ein Gesicht. Domenica Niehoff (Jg. 1945) galt als die „bekannteste Hure Deutschlands“. Vor allem in den 80er Jahren trat sie in zahlreichen TV-Talkshows auf, um für die Rechte von Prostituierten zu kämpfen. Wolf Wondratschek schrieb schwülstige Gedichte über sie, die Pop-Band Trio fotografierte sie für ein Plattencover. Anfang der 90er Jahre hörte Domenica auf, im Hamburger Milieu zu arbeiten. Sie gründete die Hilfsorganisation Ragazza, die sich um drogensüchtige Prostituierte kümmerte. Jeder Romantisierung des Milieus widersprach sie: „Ich hätte lieber ein anderes Leben gewählt.“ Domenica ist am Donnerstag vergangener Woche in Hamburg gestorben.

Tribunal in Kambodscha

Nichts ist vergessen

Späte Sühne, späte Gerechtigkeit? Seit dieser Woche tagt in Phnom Penh ein internationales Tribunal, das sich mit den während der Pol-Pot-Diktatur zwischen 1975 und 1979 begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit befassen soll. Erster Angeklagter ist Kiang Khek Iev, ehemalige Kommandant des Folterlagers Tuol Sleng. Weitere Verfahren vor dem mit drei kambodschanischen Richtern und zwei Juristen aus Neuseeland und Frankreich besetzten Gerichtshof soll es gegen Khieu Samphan, Ieng Sary und Nuon Chea geben – drei ehemalige Spitzenpolitiker der Roten Khmer, deren Schreckensregime etwa zwei Millionen Menschen nicht überlebt haben.

Tauschbörse vor Gericht

Piraten im Netz

In Schweden stehen vier Mitarbeiter von Pirate Bay, einer der populärsten Internet-Tauschbörsen weltweit, vor Gericht. Der Staatsanwalt bezichtigt sie der „Beihilfe zu Verbrechen gegen das Urheberrecht“ und fordert eine Geldstrafe von umgerechnet etwa 100.000 Euro. Film- und Musikindustrie haben die vier außerdem auf Schadenersatz im zweistelligen Millionenbereich verklagt. Die Angeklagten verweisen darauf, dass Pirate Bay selbst kein urheberrechtlich geschütztes Material zum Download bereit halte, sondern nur Links anbiete. In Schweden erregt der Fall so viel Aufmerksamkeit, dass der Prozess live übertragen wird. Pirate Bay hat Schätzungen zufolge 22 Millionen Nutzer.

Föderalismuskommission

Zur Not keine Schulden

Was lange währt, wird doch schlecht: Nach mehr als zweijährigem Tauziehen hat sich die Föderalismuskommission II gegen viel Kritik von Experten auf eine Schuldenbremse geeinigt. Bund und Länder sollen von 2020 an grundsätzlich keine neuen Kredite mehr aufnehmen. Die Länder sollen das Schuldentabu sogar in ihren Verfassungen verankern, was rechtliche Bedenken hervorruft. Der Bund behält etwas Spielraum: Eine Obergrenze für die Verschuldung soll bei 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen – derzeit etwa rund acht Milliarden Euro im Jahr. Ausnahmen sollen in „außergewöhnlichen Notsituationen“ möglich sein.

Venezuela

Chávez forever?

Viele glaubten, Präsident Hugo Chávez habe den Zenit seiner Popularität in Venezuela bereits überschritten. Danach sah es im November tatsächlich aus, als die bolivarische Bewegung bei den Regionalwahlen in ihren städtischen Hochburgen starke Verluste einfahren musste. Doch die Symbolfigur zieht noch immer. Chávez gelang, woran er 2007 schon einmal gescheitert war. Bei einem Referendum am Sonntag stimmten 54,4 Prozent für eine Verfassungsreform, die es dem Präsidenten erlaubt, sich künftig beliebig oft zur Wiederwahl zu stellen. Chávez plant nun bis über 2012 hinaus, dafür aber muss er noch eine weitere Abstimmung gewinnen.

Mindestlohn

Bundesrat stimmt zu

Für rund drei Millionen Arbeitnehmer und damit für knapp die Hälfte der Beschäftigten im Niedriglohnsektor wird es künftig Mindestlöhne geben. Der Bundesrat hat die vom Bundestag beschlossene Ausweitung des Entsendegesetzes ratifiziert. Es gilt nun für sechs weitere Branchen: Altenpflege, Sicherheitsdienste, Spezialfirmen im Steinkohlebergbau, Großwäschereien, Abfallwirtschaft und Weiterbildungsbranche. Etwa 1,8 Millionen Arbeitnehmer am Bau, bei den Gebäudereinigern und bei den Briefdiensten sind bereits durch Mindestlöhne geschützt. Die Koalition streitet sich nun nur noch über einen Mindestlohn für die 700.000 Beschäftigten in der Zeitarbeitsbranche.

Fotos: Herlinde Koelbl/Agentur Focus; Tim Brakemeier/dpa; MAK REMISSA/EPA/dpa; THOMAS COEX/AFP/Getty Images; Fredrik Persson/dpa; Michael Gottschalk/ddp


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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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