Ein Fünkchen Strenge

KOMMENTAR Gabi Zimmer als Bisky-Nachfolgerin nominiert

Noch weist wenig in der PDS auf die neue Kommunikationskultur hin, die sich die Partei nach Münster für die interne Debatte selbst verschrieben hatte und die vor allem für mehr Offenheit stehen sollte. Das Berliner Karl-Liebknecht-Haus hat mal wieder einen nicht enden wollenden Sitzungsmarathon der Großkopfeten in immer variantenreicheren Zusammensetzungen erlebt. Der letzte liegt erst ein paar Monate zurück und brachte einen von Fraktion und Vorstand getragenen "Mehrheitsantrag" für die UNO-Debatte zutage, dem ein Parteitag nicht folgen wollte. Der Parteivorstand interpretierte das zwar selbst drastisch als "Misstrauensvotum", aber offenbar nur als inhaltliches. Gleiches Prozedere jetzt - wieder wird ein Vorschlag, diesmal ein Personalvorschlag, auf eine vermeintlich so breite Basis gebaut, dass sich kaum einer vorstellen mag, er könne bei der Partei noch durchfallen - nur die Regionalkonferenzen haben gefehlt, das letzte Wort Sahra Wagenknechts zu der Angelegenheit jedoch nicht.

Überhaupt: Hat die jetzige Empfehlung das Kandidatenkarussell möglicherweise gestoppt, bevor es überhaupt in Schwung gekommen ist? Ohne inneren Antrieb muss die Distanz zwischen den Parteiebenen weiter tiefsitzend bleiben - die mutigen Sätze, mit einem streitbaren Kandidaten auf dem Wahlparteitag in Cottbus offen für ein Vertrauensvotum zu werben, könnten Lippenbekenntnisse bleiben.

Dabei hätte Gabi Zimmer nicht der kleinste gemeinsame Nenner werden müssen. Als die stellvertretende PDS-Vorsitzende nach langen Krisensitzungen in Münster vor einen fast paralysierten Parteitag trat, nach der vom Vorstand vermasselten UNO-Debatte die Wogen im Plenum glättete und nach der Rücktrittsankündigung Biskys als erste dem scheidenden Vorsitzenden dankte - schien das schon ein Signal, mit ihr werde als neuer Parteichefin zu rechnen sein. Und erst recht, als ihr Name in den Meldungssätzen der vergangenen Wochen immer weiter in die Nähe Petra Paus rückte.

Gabi Zimmer hat viele Ähnlichkeiten mit Lothar Bisky. Wie er ist sie Vorsitzende einer Landtagsfraktion. In Münster hat sie gezeigt, dass auch sie Integrationsfähigkeit besitzt. Wie Bisky wirbt sie schon jetzt dafür, dass sich die Partei wieder zusammenrauft - dabei immer unaufgeregt. Gabi Zimmer ist vor allem diszipliniert - im Augenwinkel blitzt ein Fünkchen Strenge. Doch sollte an eine Arbeitsteilung à la Bisky-Gysi gedacht sein, dürfte das bei allen in Frage kommenden Nachfolgern für den scheidenden Fraktionsvorsitzenden schwierig werden. Hinter Roland Claus ist jetzt jedenfalls Petra Pau auf Platz zwei in Stellung gegangen.

Aber egal, wie das neue Führungs-Duo aussehen wird, dem Wasserkopf Karl-Liebknecht-Haus gehören ein paar Ventile gelegt. Zuzutrauen ist das besonders Dietmar Bartsch. Und der bleibt Bundesgeschäftsführer.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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