Fleischfrei for Future

Nahrung Unser Koch testet, wie gut der vegetarische „Beyond Burger“ schmeckt
Ausgabe 26/2019
Muss das Verzicht heißen?
Muss das Verzicht heißen?

Foto: Drew Angerer/Getty Images

Mich erinnert die ganze Sache an die Zeit, als der Aldi-PC aufkam, so Mitte der Neunziger. Es bildeten sich Schlangen vor den Discounter-Filialen, die wenigen Computer im Laden waren nach Minuten ausverkauft. Es waren nur noch wenige Jahre, bevor man im TV ein Modem piepsen hörte und ein Tennisstar fragte: „Bin ich drin?“ Aber Beschwerden, dass der Aldi so ein kleines Angebot an sagenhaft billigen Rechnern hatte, gab es damals keine. Die Kunden nahmen es sportlich – und stellten sich beim nächsten Mal eben noch früher an.

Heute ist das anders. Lidl kommt kaum hinterher, die Nachfrage nach dem Beyond Burger nur annähernd zu befriedigen. Nicht nur in den sozialen Medien wird das mit einem groß geschriebenen FAIL kommentiert. The Times They Are a-Changin’. Frustrierte Kunden kann sich heutzutage offenbar nicht einmal mehr ein großer Discounter leisten. Ich glaube, diese Einschätzung ist falsch. Der Beyond Burger hat mit dem Aldi-PC nämlich einige Gemeinsamkeiten – bis auf den Preis, fünf Euro sind Discounter-untypisch.

Aber was ist das eigentlich, dieser Beyond Burger, um den gerade so ein großer Hype gemacht wird? Und das nicht nur wegen des Produktes, sondern auch, weil die dahinterstehende US-Firma, Beyond Meat, in den vergangenen Wochen zu einem Börsenliebling geworden ist. Es ist eine fleischlose Bulette aus Erbsenprotein, die man zwischen zwei Brötchenhälften stecken kann, was man dann, wenn noch Salat, eine Scheiblette, Gurke und Tomate hinzukommen, einen vegetarischen Burger nennt. Ich bin überzeugt. Dieser Burger gibt einen Vorgeschmack auf eine fleischfreiere Welt.

Ich komme gerade von einer Reise nach New York zurück. Hier muss man sich nirgendwo für den Beyond Burger oder seinen Bruder, er nennt sich Impossible Burger, anstellen. Es gibt in der amerikanischen Ostküsten-Metropole inzwischen einige Fast-Food-Ketten, die vegetarische Alternativen im Programm haben. Eigentlich handelt es sich um Fast Slow Food, weil diese Firmen ihre Zutaten von lokalen Produzenten beziehen und darauf achten, dass die Produkte bio sind, gentechnik- und antibiotikafrei. Ich hatte dort Gelegenheit, einen ziemlich hochwertigen Burger, der sogar „medium rare“ gegrillt war, mit seinem vegetarischen Vetter zu vergleichen. Und es war erstaunlich: Der konventionelle Burger war gut, aber der Erbsenburger noch besser. Er war genauso fleischig und saftig, aber in sich besser gewürzt und schmolz im Mund viel angenehmer als das originale Fleisch. Auch vom Aussehen war er vom Original kaum zu unterscheiden, dafür sorgt ein Schuss Rote-Bete-Saft im Veggie-Bratling.

Als der Aldi-PC aufkam, waren Rechner was für Nerds. Man schrieb darauf Texte, steckte Floppy Discs hinein, ein paar Menschen versandten schon ein paar Mails, diese komische Welt namens WWW kannte man eher vom Hörensagen. Der Beyond Burger ist heute ein ähnlicher Botschafter, für Fleisch aus alternativen Quellen – aus Pflanzen, Insekten, ja vielleicht sogar einmal aus im Labor gezüchteten Muskelzellen.

Der Burger kommt gerade zur richtigen Zeit. Das Klima ist wieder Thema. Die Jugend von Fridays for Future stellt unseren Lebensstil in Frage. Flugreisen und Fleischkonsum sind die beiden großen Regler, mit denen man seinen ökologischen Fußabdruck reduzieren kann. Aber muss das Verzicht heißen? Nicht, wenn man in den Beyond Burger beißt. Einfach, weil er schmeckt.

Jörn Kabisch schreibt als Der Koch für den Freitag regelmäßig über Küchen- und Esskultur

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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