Mich erinnert die ganze Sache an die Zeit, als der Aldi-PC aufkam, so Mitte der Neunziger. Es bildeten sich Schlangen vor den Discounter-Filialen, die wenigen Computer im Laden waren nach Minuten ausverkauft. Es waren nur noch wenige Jahre, bevor man im TV ein Modem piepsen hörte und ein Tennisstar fragte: „Bin ich drin?“ Aber Beschwerden, dass der Aldi so ein kleines Angebot an sagenhaft billigen Rechnern hatte, gab es damals keine. Die Kunden nahmen es sportlich – und stellten sich beim nächsten Mal eben noch früher an.
Heute ist das anders. Lidl kommt kaum hinterher, die Nachfrage nach dem Beyond Burger nur annähernd zu befriedigen. Nicht nur in den sozialen Medien wird das mit einem groß geschriebenen FAIL kommentiert. The Times They Are a-Changin’. Frustrierte Kunden kann sich heutzutage offenbar nicht einmal mehr ein großer Discounter leisten. Ich glaube, diese Einschätzung ist falsch. Der Beyond Burger hat mit dem Aldi-PC nämlich einige Gemeinsamkeiten – bis auf den Preis, fünf Euro sind Discounter-untypisch.
Aber was ist das eigentlich, dieser Beyond Burger, um den gerade so ein großer Hype gemacht wird? Und das nicht nur wegen des Produktes, sondern auch, weil die dahinterstehende US-Firma, Beyond Meat, in den vergangenen Wochen zu einem Börsenliebling geworden ist. Es ist eine fleischlose Bulette aus Erbsenprotein, die man zwischen zwei Brötchenhälften stecken kann, was man dann, wenn noch Salat, eine Scheiblette, Gurke und Tomate hinzukommen, einen vegetarischen Burger nennt. Ich bin überzeugt. Dieser Burger gibt einen Vorgeschmack auf eine fleischfreiere Welt.
Ich komme gerade von einer Reise nach New York zurück. Hier muss man sich nirgendwo für den Beyond Burger oder seinen Bruder, er nennt sich Impossible Burger, anstellen. Es gibt in der amerikanischen Ostküsten-Metropole inzwischen einige Fast-Food-Ketten, die vegetarische Alternativen im Programm haben. Eigentlich handelt es sich um Fast Slow Food, weil diese Firmen ihre Zutaten von lokalen Produzenten beziehen und darauf achten, dass die Produkte bio sind, gentechnik- und antibiotikafrei. Ich hatte dort Gelegenheit, einen ziemlich hochwertigen Burger, der sogar „medium rare“ gegrillt war, mit seinem vegetarischen Vetter zu vergleichen. Und es war erstaunlich: Der konventionelle Burger war gut, aber der Erbsenburger noch besser. Er war genauso fleischig und saftig, aber in sich besser gewürzt und schmolz im Mund viel angenehmer als das originale Fleisch. Auch vom Aussehen war er vom Original kaum zu unterscheiden, dafür sorgt ein Schuss Rote-Bete-Saft im Veggie-Bratling.
Als der Aldi-PC aufkam, waren Rechner was für Nerds. Man schrieb darauf Texte, steckte Floppy Discs hinein, ein paar Menschen versandten schon ein paar Mails, diese komische Welt namens WWW kannte man eher vom Hörensagen. Der Beyond Burger ist heute ein ähnlicher Botschafter, für Fleisch aus alternativen Quellen – aus Pflanzen, Insekten, ja vielleicht sogar einmal aus im Labor gezüchteten Muskelzellen.
Der Burger kommt gerade zur richtigen Zeit. Das Klima ist wieder Thema. Die Jugend von Fridays for Future stellt unseren Lebensstil in Frage. Flugreisen und Fleischkonsum sind die beiden großen Regler, mit denen man seinen ökologischen Fußabdruck reduzieren kann. Aber muss das Verzicht heißen? Nicht, wenn man in den Beyond Burger beißt. Einfach, weil er schmeckt.
Kommentare 8
Interessant ist die Ökobilanz von Veggie-Produkten. Die schneidet leider nicht immer gut ab-hoher industrieller Einsatz. Um nicht missverstanden zu werden, wir haben auch unseren Fleischkonsum reduziert und regelmäßige Veggiedays. eingeführt- und schmecken tut`s auch.
Der CO2 Abdruck der Flug- oder Schiffsreise nach NY und zurück ist gewaltig, entspricht dem eines indischen Bundesstaates. Die Zeit macht in der Woche macht in der Woche auch groß auf mit „Verzicht lohnt nicht“… ;)
jörn kabisch als promoter von alternativ-essen
mit erbsen aus art-gerechter haltung
darf auf meinem un-genutzten ticket fliegen,
wenn er weiters vernünftig-leckere rezepturen unter die leute bringt.
..und das von ihm zurückgesetzte rosmarin(im letzten beitrag)
hat weiter seine aufgabe:
leichen-geruch zu überdecken...
Eine kleine Geschichte, mitten aus dem Verbraucher-Leben. Zielvorgabe: Spaghetti Bolognese, also der Nudel-Klassiker unter den Nudel-Klassikern. Unverzichtbarer Bestandteil bekanntlich: klein gehackte Tomaten aus der Dose. Leider bemerkte ich* bei der Zubereitung, dass ich beim Griff zur Dose zu weit nach rechts (oder links) gegriffen und eines der immer weiter um sich greifenden Halbfertigprodukte für gourmettechnisch Halbtote erwischt hatte – von der Etikettengestaltung her kaum unterscheidbar, mit der beigefügten Würzmischung jedoch ungefähr so, dass ich gleich hätte Nudeln mit Ketchup servieren können :-(. **
Will heißen: Das ganze Veggie-Zeugs ist ja gut und schön – solange es nicht via irreführender Etikettierung als Fleisch-enthaltende Nahrung verkauft wird. Ich persönlich will jetzt zwar nicht sagen, dass ich einen Erbsen-Burger nie probieren würde. Allerdings bin ich strikt dafür, dass klar etikettiert wird, dass der Hauptinhalt eben aus Erbsen besteht und nicht aus Rind.
P. s.: Eine ähnliche Form der Käufer-Irreführung im Zug des grassierenden Öko-Irrsinns fabriziert die Firma Barilla mit ihrer glutenfreien Seitenschiene. Auch hier muß man im Supermarkt mittlerweile genau auf die Verpackung schauen. Esstest hier: Erträglich, allerdings – Sorry für mein Italiano – nicht dasselbe wie echter Weizen. Fazit: Ich bin alles andere als der Öko-Feind und finde auch, dass in der Richtung viel Brauchbares auf den Weg gebracht wurde. Komplett »unschmackhaft« finde ich allerdings die diversen »Umerziehungsversuche« – wie sie letzten Endes auch dieser Artikel versucht an den Mann und an die Frau zu bringen.
* Der Fall ist circa zwei Jahre her. Mittlerweile hab ich’s natürlich raus, wo genau in den Regalen potenzielle Produkt-Irrtümer platziert sind.
** Die Geschichte soll natürlich NICHT sagen, dass man »Bolognese« ausschließlich mit Spaghetti kombinieren kann. Penne, Rigatone usw. funktionieren ebenfalls ganz gut. Statt dem Hack favorisiere ich mittlerweile Rindergulasch. Selbstredend sind Spaghetti, Penne usw. auch für eine Reihe vegetarischer oder sogar veganer Gerichte zu haben. Hauptpunkt ist in meinen Augen eh die (richtige) Konsistenz der verwendeten Nudeln sowie die grundlegende Philosophie dazu. Das jetzt hier weiter darzulegen, würde allerdings zu weit führen.
Hab ich auch probiert vor ein paar Wochen. Schmeckt nicht schlecht, Konsistenz und Geschmack erinnern an (Hack-)Fleisch, aber er riecht überhautp nicht nach Fleisch. Bei dem Preis aber und dem Importaufwand kauf ich den Burger nicht wieder. Es gibt hier auch andere gute vegetarische Produkte, die zudem hier hergestellt werden und weniger kosten.
Verstehe ich nicht. Wenn ich - aus welchen Gründen auch immer - kein Fleisch essen mag, wieso muss das Zeug dann wie Fleisch schmecken? Wenn ich keinen Alkohol mag oder vertrage, suche ich doch auch keine Geränke, die wie Alkohl scmecken ... ?
Warum müssen die Veggies denn immer taditionelle Fleischprodukte imitieren ?
Nebenbei: lest den "Woyzech" von Büchner, denn da steht beschrieben welche Wahnvorstellungen, samt Inkontinenz, durch einseitigen Erbesenkonsum ausgelöst werden. Schon mal was von L-Oxalyldiaminopropionsäure gehört. Auch andere Pflanzen produzieren Substanzen um sich gegen ihre Fressfeinde (Vegetarier) zu schützen.
>>Wenn ich - aus welchen Gründen auch immer - kein Fleisch essen mag, wieso muss das Zeug dann wie Fleisch schmecken?<<
Weil die meisten "Veggies" Fleisch essen wollen, nur soll eben kein Fleisch drin sein. Industriemanager waren da hellsichtiger als verständnsilos danebenstehende Fleischesser und haben viel in die Entwicklung von Fleischersatzprodukten investiert. Wenn man an ersten Fleischimitate aus Soja zurückdenkt, ja durchaus mit Erfolg. Mittlerweile brummt das Geschäft, während Ernährungswissenschaftler vor Nahrungsmitteln warnen, die industrielle Verarbeitungsprozesse durchlaufen haben.