Gesundes Eis

Koch oder Gärtner Der Koch eröffnet die Sonnensaison mit einem Blick in die Auslagen der Eisdielen – was ist Torrone-Eis? – und mit einer Empfehlung: Frozen Yogurt, selbstgemacht

Kaum erreicht das Thermometer die 10-Grad-Marke, sehe ich die Eisdielen offen und davor schon die ersten Schlangen. Wussten Sie, dass der Frühling und die ersten Sommermonate für die Eisverkäufer die Hauptsaison sind? An einem Eis zu schlecken, ist wie eine Austreibung des Winters. Das wird der Grund sein.

Ich finde es übrigens ganz schön, sich für ein Eis in eine Schlange stellen zu können. Es vertreibt mir die Zeit, die ich brauche, das ganze Angebot zu lesen, das Eisdielen heute so führen. In Ostberlin, so schreibt Jana Simon in ihrem Doku-Roman Denn wir sind anders gab es in den Achtzigern nur die Sorten „Vanille“, „Schoko“ und „Frucht“ – und auch im Westen war das Angebot, erweitert um Zitrone, Nuss und Banane, damals noch überschaubar. Aber heute? Was verbirgt sich hinter „Torrone“, „Blauer Engel“ und „Eierlikör“? Solche Rätsel machen mir oft die Entscheidung schwer. Gut also, dass man mit dem Anstehen etwas Zeit gewinnt. Eisverkäufer sind außerdem ein ungeduldiges Volk.

Nun habe ich auch noch lernen müssen, dass Eis nicht gleich Eis ist. Seit vergangenem Jahr gibt es hierzulande einen neuen Trend, und 2011 wird sich herausstellen, ob er sich durchsetzt. Frozen Yogurt heißt nach Smoothie und Cup Cakes die neue Mode, die aus Großbritannien und den USA zu uns kommt, zumindest in die deutschen Großstädte.

Ich kann dieser Neuheit sehr viel abgewinnen, denn sie bringt mich auf einige Ideen in meiner eigenen Küche. Aus Joghurt Eis zu machen, das gelingt so einfach, dass ich gar nicht auf die Idee käme, dafür eine Eisdiele zu besuchen. Das Grundrezept lässt sich auf einen kurzen Satz bringen: Man stelle einen Becher Joghurt für etwa vier Stunden ins Gefrierfach. Fertig.

Dieses Produkt lässt sich noch verbessern, etwa wenn Sie den Joghurt immer wieder durchrühren. Denn das in der Masse enthaltene Wasser neigt dazu, große Kristalle zu bilden, die beim Umrühren zerkleinert werden – das Eis wird am Ende cremiger. Natürlich kann man das auch eine Eismaschine machen lassen, aber ich finde: eine stabile Gabel erspart einem das Gerät, wenn man mit seinem Eis nicht gleich ein Dutzend Menschen beköstigen will.

Eis selber zu machen, sollte man schon deshalb in Erwägung ziehen, weil wir im vergangenen Jahr gelernt haben, dass in vielen Produkten, die im Handel als Eis angeboten werden, kaum noch Milch oder Sahne steckt, sondern Palm- oder Kokosfett. Nun könnte man sagen, schön, ein veganes Lebensmittel, aber niemand will Eis aus ge­frorenem Palmin, das nur deshalb sahnig schmeckt, weil es mit „natürlichen“ Aromastoffen versetzt und mit Stickstoff aufgeschäumt wurde. In die Glaubwürdigkeitslücke, die sich da öffnet, stößt Frozen Yogurt, schon dem Namen nach. Im Mittelpunkt steht nicht das Ergebnis, sondern die Grundzutat, der Joghurt – ein ehrliches Lebensmittel, kalorienarm, fettreduziert und auch noch für Menschen unproblematisch, die bei sich Laktoseunverträglichkeiten feststellen. Nur so unter uns: Frozen Yogurt gibt es in der Eisdiele nicht als Kugel, sondern wird wie Soft-Eis gezapft und mit allerlei Toppings, also Streuseln aus Zuckerware, angeboten. Nehmen Sie ruhig üppig, die Sünde ist wegen des gesunden Eises aber so was von erlaubt!

Ich lasse diesen Schnickschnack, samt dem ganzen Selbstbetrug und mache mein Eis selbst. Joghurt hat an sich schon eine kühle, feine Säuerlichkeit, die möchte ich gar nicht mit den satten Farben von Vanille oder Beeren übertünchen. Früchte reihe ich um die Eiskugel oder passiere sie zu Saucen. Nein, an mein Joghurteis kommen noch andere saure Noten: Zitrone etwa, auch gern den Abrieb, oder Holundersirup. Auch von der salzigen Variante halte ich viel, gewissermaßen Frozen Ayran, dieses türkische Joghurt-Getränk. Eine Kugel davon in einer kalten Gurkensuppe ist ein sehr raffiniertes Sommergericht. Gehackte Kräuter passen in die süße wie in die sal­zige Variante. Und ich mag Minze.

Noch ein Tipp: Machen Sie sich die Mühe und nehmen Sie Ihr Eis einige Zeit vor dem Servieren aus dem Gefrierfach. Oder lassen Sie es gar nicht erst richtig hart werden. Es ist dann das, was der Italiener Semifreddo nennt. In diesem Zustand lässt sich Eis besser portionieren, ist cremiger und steigt einem nicht so leicht in den Kopf. Außerdem kommen die Aromen stärker zur Geltung.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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