Gut eingewickelt

Der Koch Was das Alugrillen mit Schokolade und Brieftauben vereint
Ausgabe 35/2015
Direkt und indirekt nicht das Betse für die Natur: Einweggrills aus Aluminium
Direkt und indirekt nicht das Betse für die Natur: Einweggrills aus Aluminium

Foto: Lars Berg/Imago

Für viele Menschen scheinen Aluminium und glühende Kohle zusammenzugehören. Das beginnt schon mit den vielen Einweggrills, die in den Parks der Hauptstadt verlassen im Gras liegen. Eine praktische Sache: Man kauft sie und reißt den Deckel ab, die Kohle darin ist schon mit Grillanzünder getränkt, man braucht nur ein Streichholz und etwas Puste. Nach einer halben Stunde kann man fast ein Dutzend Würste auf das Gitternetz über der Glut legen.

Oder man benutzt stattdessen die Alugrillschale, die dasselbe Format hat. Solche Schalen haben den Vorteil, dass sie nur wenige Löcher haben, weshalb weniger Fett oder Marinade von einem Stück Schweinenackensteak in die Glut tropfen und sich selbst entzünden kann. Dicke Flammen, die von unten am Grillgut lecken und es in Sekundenschnelle verbrennen? Es gibt kaum eine beängstigendere Vorstellung für Neulinge am Rost. So furchterregend, dass gern übersehen wird, was der Nachteil der Aluschalen ist: Fleisch und Gemüse kleben an ihnen fest. Es hilft nichts, man muss das besagte Schweinenackensteak beim Wenden richtiggehend abreißen. Hängenbleibende Fleischfetzen, angegrautes Fleisch, das im eigenen Saft schmorte – mir vergeht da der Appetit.

Die Alufolie ist eine rein schweizerische Erfindung. Sie löste das Stanniolpapier ab, das aus Zinn gefertigt wird und heute noch für Lametta in Gebrauch ist. Aluminium war Anfang des 20. Jahrhunderts das billigere Metall und das dünn gewalzte Papier der letzte Schrei, um damit Lebensmittel einzuhüllen. Sie lassen sich darin ziemlich licht- und luftdicht verpacken. Doch schon bald kamen die Menschen auf weitere Verwendungen. Die Ersten waren wahrscheinlich Brieftaubenzüchter in den USA, die 1913 begannen, ihren Vögeln Streifen der Folie zu Erkennungszwecken um die Füße zu wickeln. Bis heute ist vor allem Schweizer Schokolade damit umhüllt. Darf man das noch immer als Verbeugung vor dem Schweizer Erfinder namens Heinrich Alfred Gautschi interpretieren? Jedenfalls macht die Kombination mit der Süßware schon kleine Kinder zu großen Freunden der Alufolie. Nichts lässt sich besser zu festen Kügelchen zusammenknüllen, die man seinem Vordermann in der Schulbank an den Kopf werfen kann. Aluschalen auf dem Grill dagegen lassen mich immer an Restaurant- oder Imbissküchen denken, in denen Alufolie unter Gasbrenner und Dönerspieße geknittert ist. Solche Küchen sind meist das genaue Gegenteil einer Umgebung, in der man sich vorstellen kann, dass gutes Essen entsteht. Aber lassen wir all das Verachtenswerte.

Wenn man Alufolie sparsam und richtig nutzt, hat sie sogar einen Platz am Grill. Damit lassen sich hervorragend kleine Päckchen arrangieren, um Beilagen zum Fleisch zu haben. Mit Zutaten, die es danken, wenn sie im eigenen Saft gegart werden. Ich meine nicht nur die Backkartoffel, die übrigens noch gewinnt, wenn man sie aufbricht und ein Stück Butter und etwas Salz hinzugibt, bevor man sie einwickelt und in die Glut wirft. Fenchelscheiben mit etwas Knoblauch, einem Spritzer Zitronensaft und Olivenöl werden butterweich und entwickeln ein intensives Aroma, genauso Blumenkohl und Rote Bete. Bei Tomaten, Zucchini und Auberginen rate ich von dem Verfahren ab. Das ist echtes Grillgemüse. Werfen Sie lieber einen Blick auf Obst. Pfirsiche, Pflaumen oder Birnen, mit etwas Rosmarin und Thymian in Alufolie gewickelt, werden in diesen Einwegöfen zu unschlagbaren Desserts.

Jörn Kabisch schreibt als Der Koch für den Freitag regelmäßig über Küchen- und Esskultur

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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