Zur Leitkultur gehört also auch Tom Jones. "She's a Lady" dröhnte es zur Begrüßung von Angela Merkel auf dem CSU-Parteitag aus den Lautsprechern, als wenn ein Weltmeistergürtel im Frauen-Halbschwergewicht unter den Kamera-Augen von RTL zu verteilen wäre. Endlich auf die Bühne gelangt, wollte die CDU-Vorsitzende aber weder rechte, noch linke Geraden verteilen und verbat sich einfach den "Zirkus". Die Machtworte von Seiten Merkels auf dem dreitägigen Konferenz-Marathon der Schwesterparteien am vergangenen Wochenende hatten sich damit schon erschöpft. Dem ununterbrochenen Gerede der Stoibers und Teufels von der fälligen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl wollte Merkel auf den Parteitagen in Stuttgart und München kein Ende setzen. Das könne sie erst, wenn die Ergebnisse der CDU-Einwanderungskommission vorlägen, sagte sie, und das, obwohl sich deren Chef, der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, schon längst vehement positioniert hat und von allen Seiten in die Papiere der Kommission hineinredigiert wird. So schaffen es die Rechtsausleger in der Union, das Asylrecht seit zehn Jahren vor allem zu einem zu missbrauchen: zur Hegemonisierung des eigenen Lagers in größter programmatischer Not und auch heute wieder in Vorbereitung eines Wahlkampfes in Baden-Württemberg, wo die Republikaner noch Landtagsabgeordnete stellen. Denn wie könnten sie in den nächsten Jahren eine verfassungsändernde Mehrheit für das Asylrecht überhaupt finden? Wie groß die inhaltliche Leere der Konservativen noch immer ist, zeigt, dass das eigentliche Thema des CDU-Parteitages, die Bildung, schon einmal verschoben, nun in die Abendstunden gelegt, und Annette Schavan redete, als die Delegierten bereits ihre Koffer im Konferenzsaal zusammensuchten. Das neue wirtschafts- und finanzpolitische Konzept, auf das es der Union am meisten ankommen muss, schmort dagegen noch in einer eigenen Kommission. Den Vorsitz hat Merkel, und die verliert wenig Worte, wann sie damit an die Öffentlichkeit gehen will. Kampagnenfähigkeit ist deswegen der Konservativen liebstes Wort. Die braucht im Zweifel nur einen Hessen und eine gehörige Portion Populismus, wenn es substanzielle Papiere nicht gibt. Dafür muss bald Laurenz Meyer ran, der nun gewählte Generalsekretär,für den in der breiten Palette von Tom-Jones-Songs sich mehrere Hymnen fänden, beispielsweise die vom "Puppet Man". Das ersparte ihm aber die Parteitagsregie.
Inszenierung der Leere
Geschrieben von
Jörn Kabisch
Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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