Isst man Spargel mit Butter oder mit Sauce Hollandaise?

Koch oder Gärtner Obwohl er Butter-Anhänger ist, gibt der Koch diesmal Nachhilfe in Fragen "echte" Hollandaise. Er schaut sich auf YouTube an, wie man sie noch raffinierter zubereiten kann

Ein Tipp an Valérie Favre und die anderen Anderen, die uns die Augen für seltsame deutsche Gewohnheiten geöffnet haben: Wenn Sie zum Essen mit dem lapidaren Nachsatz „Es gibt Spargel“ ein­geladen werden, dann sollten Sie wissen: Kredenzt werden weißer Spargel, neue Kartoffeln, Schinken und meist eine kleine Enzyklika, von der es hierzulande nur zwei Varianten gibt. Denn das eigent­liche deutsche Schisma heißt: zerlassene Butter oder ­Sauce Hollandaise. Bitte pflichten Sie dem Gastgeber unbedingt bei. Sie könnten ihm sonst ganz fürchterlich den Appetit verleiden.

Interessant dabei: Die Konfessionsgrenzen folgen keinen geo­grafischen Gegebenheiten, noch niemals hat man von einem Hollandaise-Äquator gehört, der sich in die Deutschland-Karte einzeichnen ließe. Die Differenzen werden zudem selten öffentlich ausgetragen, aber es ist trotzdem so: Das Spargelessen folgt festen familiären Traditionen, und wenn die Ururgroßmutter einst festgelegt hatte, dass die langen weißen Stangen mit Butter gegessen werden, dann bleibt es dabei. Standardargument dieser Schule ist übrigens, dass die Hollandaise den Spargelgeschmack überdecke, während die Gegenseite befindet, die Hollandaise harmoniere mit dem leicht bitteren, süßen Gemüse viel besser.

Ähnlich engagierte Plädoyers kann man erleben, wenn es um die Frage geht, wie der Spargel gekocht sein muss – weich oder bissfest –, wo der beste herkommt, und ob gekochter oder roher Schinken dazu gereicht wird. Oder sogar beides. Eigentlich handelt es sich um ein einfaches Essen, und doch gibt es so viele Fronten. Doch ich finde, das schadet nichts, im Gegenteil. Die Diskussion sollte noch lange und endlich auch öffentlich geführt werden, denn sie ist vor allem Zeichen für eins: eine wirklich große Esskultur.

Wozu gibt es Internet-Fernsehen?

Ich bin ein Butter-Anhänger, selbstverständlich aus familiären Gründen, leiste mir aber – so ist das mit Glaubensfragen – von Zeit zu Zeit Perioden des Zweifels. Mein Eifer für die Butter wächst darüber nur – und zugleich die Sorge, dass mir die Gegenseite abhanden kommt. Denn das wäre wirklich schade. Oder um es mal mit einfachen Worten zu sagen: Liebe Hollandaise-Fans, wer soll Euch denn noch ernst nehmen?

Was ich damit meine? Na, die Stapel mit fertiger Sauce Hollandaise im Tetra-Pack natürlich. Sie werden immer höher. Das hat doch mit Kultur nichts mehr zu tun. Es handelt sich dabei meist um ein Gemisch aus Pflanzenöl, dem Butteraroma Diacetyl, Emulgatoren und Farbstoffen. Das, was aus der Butter die Hollandaise macht, nämlich das Eigelb, kommt kaum noch vor. Eine echte Hollandaise schmeckt anders.

Und das Original ist auch nicht so kompliziert herzustellen, dass man zur Fertigsauce greifen müsste. Das Basisrezept besteht aus drei Zutaten: 250 Gramm geschmolzener Butter, 3 Eigelben und ein paar Spritzern Zitronensaft. Dann brauchen Sie nur noch einen Topf und ein weiteres, gewölbtes Gefäß, das sich darauf gut aufsetzen lässt. Darin werden dann die Dotter mit einem Teelöffel warmen Wassers nicht in, sondern über siedendem Wasser aufgeschlagen, bis in der Masse die Spuren des Schneebesens zu sehen sind. Anschließend wird die Butter in dünnem Strahl eingearbeitet. Abgeschmeckt wird mit Salz und Zitronensaft. Die Hollandaise können Sie übrigens schon vorbereiten, bevor der Spargel aufgesetzt wird. Sie muss nur leicht erhitzt werden, mit ein paar Spritzern von dem heißen Spargelsud schmeckt sie wieder wie neu. Das ist nicht schwer. Wenn Sie mir nicht glauben, sehen Sie sich auf YouTube an, wie es geht. Wozu gibt es Internet-Fernsehen?

Merci!

Denn, liebe Hollandaise-Freunde, es steht da wirklich etwas auf dem Spiel. Auf den Speisekarten steht immer so schön „Spargel mit zerlassener Butter oder klassisch mit Sauce Hollandaise.“ Falls sie es noch nicht wussten, es ist tatsächlich ein Klassiker: Die Kombination taucht als erstes 1651 in dem Kochbuch von Francois Pierre de La Varenne auf. Ja, ein Franzose. Zu ihrem Namen kam die Hollandaise im 1. Weltkrieg, als in Frankreich die Butter knapp wurde und aus Holland importiert werden musste. Die Franzosen blieben dem Namen in großer Dankbarkeit treu.

Soweit ist es nun schon: Jemand, der von der Butter kommt, muss Nachhilfe geben. Ich hoffe, ich konnte helfen.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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