Männer auf dem Weg zur Hölle

Der Koch Die Wahl eines Fachmagazins befeuert eine Debatte um Gastrosexismus. Sie ist dringend nötig
Ausgabe 35/2017
Die Küche ist ein Ort geworden, in den männliche Schweiß- und Blut-Fantasien eingezogen sind
Die Küche ist ein Ort geworden, in den männliche Schweiß- und Blut-Fantasien eingezogen sind

Foto: E. Bacon/Getty Images

Jüngst ging der Hashtag #gastrosexismus viral. Das Fachmagazin Rolling Pin kürt jedes Jahr die 50 besten Köche Deutschlands. Verbunden ist damit eine Community-Abstimmung, die online die Plätze 1 bis 50 unter den Köchen vergibt, die von der Redaktion vorher ausgewählt worden sind. Noch bis Ende August ist das Voting möglich, doch viele Leute tun sich schwer. Denn auf den Kreis der Erlauchten passt die schon wegen ihrer Floskelhaftigkeit verbotene Bezeichnung „Gruppenbild mit Dame“. Von den 50 Köchen sind genau 49 männlich.

Das gab Aufregung in den sozialen Medien. Es kann ja wohl nicht sein, dass im Kochmetier weniger Frauen tätig und gut sein sollen als, sagen wir, in den MINT-Berufen. Das Magazin zeigte der Kritik die kalte Schulter. Anstatt in die Diskussion einzusteigen, wurden viele Kritikerinnen und Kritiker einfach blockiert. Das passt zu dem Magazin, das vom Cover her eher an ein Heavy- Metal-Fanzine denken lässt als an eine Kochzeitschrift. Das liebste Sujet auf dem Titel sind Männer in dunklen Kochjacken mit aufgerissenen Mündern vor schwarzen Hintergrund. Gute Köche, so die Botschaft, befinden sich immer auf dem Highway to Hell.

Vor drei Jahren erschien ein Buch, es hieß Der gastrosexuelle Mann. Der Autor Carsten Otte beschreibt darin, wie Männer vermehrt den Herd entdecken, meist in der Freizeit, weniger für das tägliche Brot in der Familie, vielmehr als Substitut für das, was einmal die Modelleisenbahn oder der selbstgetunte Golf GTI war. Er zeichnete Männer, die Unsummen in Küchen-Hightech investierten oder ihren Urlaub mit Reisen verbrachten, um ausgefallene Zutaten zu finden. Es waren sympathische Beschreibungen, auch weil in dem Typ Mann etwas Metrosexuelles angelegt war, etwas Weiches und Sinnliches erkennbar war. Ich hätte mich gern zu dieser Gruppe gezählt. Wenn dieser Typisierung nicht eine Welle von Gastrosexismus gefolgt wäre.

Das fing schon damit an, dass nie von der gastrosexuellen Frau die Rede war. Warum eigentlich? Ich kenne davon mehr als vom anderen Geschlecht. Und meist mit mindestens der gleichen Leidenschaft für den Geschmack wie für die Technik, die hinter einem niedrig gegarten Stück Rindfleisch steckt.

Aber nein, stattdessen ist die Küche ein Ort geworden, in den männliche Schweiß- und Blut-Fantasien eingezogen sind, wenigstens wenn man sich die gastrosexuellen Lifestyle-Zeitschriften ansieht, die in den vorigen Jahren entstanden sind. Beef! war da ein Vorreiter. Sie warten mit Geschichten vor allem über Fleisch, harte Schnäpse und chromblitzende Maschinen auf, und stellen sie in Kulissen, in die eher eine Dose Motoröl passt als eine Flasche Extra vergine. Die Botschaft: Ein Lamborghini auf vier Rädern ist schon klasse, aber noch geiler ist der mit Schneebesen und beheizbarer Teigschüssel. Man muss den Blättern leider lassen: Sie haben damit eine Zielgruppe gefunden. Allerdings: Zeitgemäß ist das nicht, wenn in der Küche Geschlechtertrennung betrieben wird wie sonst kaum noch in einem gesellschaftlichen Bereich. Gerade auch im professionellen Milieu. In Zeiten, in denen über Frauenquoten in Chefetagen diskutiert, dominieren in gehobenen Restaurantküchen Männer wie in kaum einem anderen Handwerk. Gleichzeitig hat die Branche, die so gern auf Macho macht, ein handfestes Ausbildungsproblem. Vielleicht wird es Zeit, über die 50 besten Köchinnen Deutschlands abstimmen zu lassen. Die Auswahl wird – da bin ich mir sicher – nicht schwer.

Jörn Kabisch schreibt als Der Koch für den Freitag regelmäßig über Küchen- und Esskultur

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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