Mangelware Zucchiniblüten

Koch Der Koch muss sich für eine fehlende Rezeptzutat einen Garten anlegen. Zwar nur en miniature auf dem Balkon, doch auch dort wuchert es

Was hätte ich für einen Kompost gegeben! Leider habe ich nur einen Balkon, da ist selbst der kleinste Misthaufen fehl am Platz. Dass Zucchini nur dort angebaut werden kann, wo auch Küchenabfälle verfaulen dürfen, hat sich mir nach langem Studium italienischer Nutzgärten als Bild eingebrannt. Ein so elegantes Gemüse ständig in einer der hässlichsten Ecke des Gartens zu erblicken, das erstaunt mich jedes Mal.

Braucht die Pflanze so viele Nährstoffe? Ist sie für anderes Gewächs etwa ansteckend oder will ihr Besitzer sie einfach vor neidischen Blicken schützen? Letzte Antworten darauf kann nur der Gärtner liefern. Ich jedenfalls habe mich entschieden, dass mein nächstes Kochprojekt nicht an der Ermangelung eines Komposthaufens scheitern wird: frittierte gefüllte Zucchiniblüten, oder wie es auf Italienisch heißt: Fiori di Zucchine. Lassen sie diesen Begriff mal in sich klingen, dann wissen Sie, was ich meine.

Ein guter Plan will reifen

Es sollte so klingen wie bei Giorgio, dessen Augen zu leuchten begannen, und der anerkennend „Aaaaaah“ machte, als ich ihm von dem Plan erzählte. Als nächstes sagte mein Freund, der italienische Koch nur: „Kannste vergeeessen!“

Denn Fiori di Zucchine zuzubereiten, ist vor allem eine logistische Herausforderung. In einer Großstadt wie Berlin sollte das an sich keine große Hürde sein: Feinkostläden, Wochenmärkte, der Gastronomiegroßhandel, alles da. Wenn man bereit ist, längere Wege zurückzulegen, bekommt man hier mit Leichtigkeit so ausgefallene Zutaten wie Bamberger Hörnchen (Kartoffeln), Barrakuda (Fisch) oder Durian (Stinkfrucht). Mir ist eigentlich nie ein Weg zu weit, für eine besondere Blutwurst mache ich mich manchmal auf eine halbe Tagesreise. Auch für essbare Blumen wie Hornveilchen oder Kapuzinerkresse kenne ich zuverlässige Adressen. Aber Zucchini-Blüten, da musste Giorgio passen und ich auch.

Küchen sind Orte, wo keine Vermummungsverbote bestehen. Im Gegenteil, man könnte ein ganzes Buch über Methoden und Formen der Verhüllung in der Küche schreiben. Meist werden daraus am Ende Päckchen oder Rouladen. Jede Küche kennt diese Kultur, egal ob Weinblätter zum Einsatz kommen, Kohl gewickelt wird oder Algen um eine Handvoll Reis geschlungen werden. Eine der ausgefallensten Varianten sind aber diese großen gelben Blüten der Zucchini, in die sich eine Mischung aus Mozzarella, Parmesan, Pinienkernen und Sardellen füllen lässt – wenigstens ist das eines der Rezepte, die ich mir bereits zurecht­gelegt habe. Für ein anderes wird eine Farce aus Zucchini, Champignons und Petersilie hergestellt. Habe ich schon alles griffbereit, auch die Zutaten für den Brandteig, in den die gefüllten Blüten getaucht werden, bevor sie ins heiße Öl kommen. Goldbraun frittiert entwickeln sie diese dezente mediterrane Süße, ohne die kein Caponata auskommt und Ratatouille erst recht nicht.

In Erwartung

Ich gebe nicht auf. So zu kochen ist wie Blindschach spielen. Im Garten-Center habe ich zwei Pflänzchen erstanden, an denen einmal gelbe Zucchini wachsen sollen. „Fürs Beet geeignet“, stand auf dem kleinen Schildchen. Ich habe sie in einen Balkonkasten gesetzt, gut gewässert, über eine sofortige Düngung mit übrig gebliebener, sicher schon säuerlicher Kartoffelsuppe nachgedacht, das dann aber doch gelassen. Eine gute Entscheidung.

Die kleinen Dinger wuchern, die Blätter sind nach drei Tagen schon größer als meine gespreizte Hand. Blüten? Müssen noch kommen. Vergangene Nacht habe ich aber geträumt, dass mein ganzer Balkon unter Zucchini-Gestrüpp erstickt. Doch das ist egal, 2010 wird das Jahr der Fiori di Zucchine. Und wenn ich zu viele habe, dann kenne ich schon einen Abnehmer.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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