Mensch vs. Maschine: Computer-Köche

Robokoch IBM stellt ihn vor: Den ersten Computer, der Rezepte zusammenstellen und errechnen kann
Ausgabe 14/2014
Mensch vs. Maschine: Computer-Köche

Illustration: Otto

Kochen ist keine Kunst. Glauben Sie nicht? Es gibt jetzt einen Supercomputer, der viele Köche in den Schatten stellt. IBM hat ihn bei der Kreativmesse South by Southwest in Austin, Texas vorgestellt. Der Rechner wurde mit rund 50.000 Rezepten gefüttert und spuckt nun Zubereitungslisten aus, egal, wie absonderlich die Zutaten zusammengestellt sind. Beispiel: Äpfel, Erdbeeren, Kebab. Oder Aprikose, Schokolade, Edamer. Schon der Ekel über solche Paarungen würde bei manchen Köchen Arbeitsverweigerung auslösen.

Aber ein Computer kennt keinen Ekel. Watson, wie das Gerät heißt, wählt einen Kochstil aus und ein Gericht, das mit weiteren Zutaten angepasst wird. Heraus kommt im ersten Fall ein vietnamesisches Apfel-Kebab, im zweiten ein österreichischer Schokoladen-Burrito. Die Programmierer sind sich sicher: Die Rezepte sind Unikate und bisher nirgendwo niedergeschrieben. Die Köche schworen, sie haben sich genau an die Vorgaben gehalten. Und den Essern schmeckte es überraschend gut.

Der Küchenrechner gilt inzwischen als erster erfolgreicher Schritt auf dem Weg hin zu künstlicher Kreativität. Wenn Menschen beim Kochen an Einfallsreichtum überboten werden können, glauben die Entwickler, dann ist das auch in anderen Feldern möglich. Aber stimmt das überhaupt? Warum ist Watson bisher nicht gegen einen menschlichen Koch angetreten, wie es immer wieder bei Schach-Rechnern der Fall ist? Äpfel, Erdbeeren, Kebab: Selbst ich finde es nicht unmöglich, daraus – auch ohne 50.000 Rezepte im Kopf zu haben – ein Gericht zu basteln, das die meisten Menschen nicht in die Flucht treibt. Schließlich hat das mit Schinken, Ananas und Toast auch schon ein mäßig talentierter Fernsehkoch namens Clemens Wilmenrod geschafft.

Ich frage mich eher, was sagt es über die Kochkunst und die Art der Ernährung aus, wenn Kreative sich mit ihrer Software auf dieses Gebiet wagen? Lautet ihr Verdacht vielleicht, da sei leichtes Spiel? Vor Kurzem ist ein Buch erschienen, das eigentlich eine Kunstgeschichte des Kochens sein könnte. Es heißt Die Erfinder des guten Geschmacks und ist eine Abhandlung über die berühmtesten Köche seit der Renaissance. Ich habe es mit vielen Erwartungen gelesen, mir davon Antworten erhofft, wie die europäische Küche die Gewürzorgien des Mittelalters hinter sich gelassen hat, wie sich Zutaten und Zubereitungen durchgesetzt haben.

Aber der Autor Jörg Zipprick bleibt im Anekdotischen, nennt Namen über Namen aus der französischen Haute Cuisine und hat einen besonderen Ehrgeiz nachzuweisen, dass Köche, die sich als besonders innovativ darstellten, meist das Gegenteil waren. Alles schon da gewesen, liest man immer wieder zwischen den Zeilen. Sogar die „Nouvelle Cuisine“, in den 70er Jahren das, was heute die Molekularküche ist, wird von Zipprick dekonstruiert. Von wegen schlanke Küche ohne Mehlschwitzen. Er zeichnet nach, dass Paul Bocuse & Co. schwere französische Hausmannskost noch lieber auf den Teller brachten. Aber sie waren eben, allen voran Bocuse, tolle Vermarkter ihrer selbst. Das ist das eigentliche Thema des Buchs: Es ist eine Geschichte über die Showtalente der weltweiten Kochkunst, all die Uronkel und Vorväter von heutigen Fernsehköchen wie Jamie Oliver und Christian Rach. Enttäuschend.

Wenn Kochen Kunst wäre, denke ich mir, hätten wir längst eine Sprache dafür. Und es gäbe auch Kunsthistoriker, die sich mit dem Gebiet ernsthaft befassten, nach Neuerungen suchten und kategorisierten. Aber es gibt sie nicht.

Stattdessen übernimmt ein Superrechner die Arbeit. Ich werde bei nächster Gelegenheit Äpfel, Erdbeeren und Kebabfleisch besorgen, um ein paar Menschen zu beweisen: Kochen ist keine Kunst! Kochen ist mehr.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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