Was hält Menschen zu normalen Zeiten vom Kochen ab? Es ist die Zeit, die draufgeht, obwohl man unter Menschen sein könnte, im Kino, im Park oder Theater. Stunden hat man sich am Herd Mühe gemacht, und dann ist in ein paar Minuten alles gegessen, vielleicht sogar während der Fernseher läuft. „Elend fängt an, wenn man zu Hause kocht“, hat der Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre, der am liebsten nur im Restaurant essen würde, einmal gesagt.
Tja, nun ist das Elend da. Irgendwo in einer Ecke der Wohnung türmen sich die Dosen, aber nicht nur mit diesen neuen Zutaten muss man zurechtkommen, der Lockdown liefert noch einige andere „Zutaten“ kostenlos, die von den Menschen am Herd zu normalen Zeiten eher unterschätzt werden
zt werden – nämlich Zeit und viele Hände, es gibt ja sonst nicht viel zu tun. Wenn man diese Zutaten einsetzt, dann entwickelt sich eigentlich jedes Gericht zu Soul Food. Gibt es gerade in diesen Zeiten etwas anderes, das wir mehr nötig hätten?Rotwein am MorgenIch finde, es gibt nichts Schöneres, als schon vor dem Frühstück Zwiebeln zu schneiden, Fleisch anzubraten und eine Flasche Wein zu entkorken. Wenn sich der erste Duft des Gulaschs in der Küche verströmt, schenke ich mir eine Tasse Kaffee ein mit dem zufriedenen Wissen, dass heute nichts mehr schiefgehen wird. Langsam schmort der Topf Gulasch in den nächsten Stunden vor sich hin, je länger, desto lieber. Zeit ist die beste Küchenhilfe, sie bügelt viel aus, etwa wenn man das Rezept nicht so genau genommen oder Zutaten vergessen hat. Und am besten kann sie das, wenn viel im Topf ist. Deswegen habe ich eigentlich immer eine Familienportion irgendeines Schmorgerichts im Tiefkühlschrank: Sauce bolognese, Gulasch, Boeuf bourguignon oder ein Hasenpfeffer mit Backpflaumen. Ich koche immer zu viel – und auf Vorrat. Die Zeit, die das braucht, verbringe ich dabei vor allem mit Aufsicht und Probieren. Genauso zahlt sich aus, überschüssige Zeit zu nutzen, um etwas zu tun. Simples Beispiel: Nicht nur Zwiebeln fein zu würfeln, sondern noch extra in einer Pfanne anzuschwitzen, bevor sie zum Hackfleisch kommen, hebt jede Bulette auf das nächste Niveau. Oder: Das Gemüse für eine Ratatouille einzeln und punktgenau zu braten, bevor es am Ende unter die leise vor sich hinköchelnde Tomatensoße gegeben wird, hat den gleichen Effekt.Fast jedes Rezept hat heute einige Abkürzungen, und meist lohnt es sich, sie nicht zu gehen. Warum Instantbrühe verwenden, wenn man ein ganzes Huhn kaufen, Brust und Keulen auslösen und für den nächsten Tag marinieren kann? Auch ohne Suppengemüse ist mit der Karkasse, etwas Salz und ein paar Gewürzen ein Fond gekocht, der jedes Gericht aufpeppen wird. Glauben Sie nicht? Selbst angesetzte Fonds sind das eigentliche Geheimnis der französischen Küche.Placeholder infobox-1Das Gulasch also so: Die Zwiebeln und Knoblauch (eventuell noch ein bis zwei Kartoffeln) schälen und in feine Würfel schneiden. Butter in einem Topf erhitzen, Zwiebeln und Knoblauch eine Stunde (oder länger) auf kleinster Flamme sehr langsam goldbraun rösten, dabei häufig rühren. Zucker zu den Zwiebeln geben, leicht karamellisieren lassen. Gewürze bis auf das Paprika und Tomatenmark hinzufügen, kurz mitrösten lassen, mit Apfelessig ablöschen. Fleisch dazugeben und mit Wasser aufgießen. Einen Teelöffel Salz hinzugeben. Das Gulasch circa 75 Minuten auf dem Herd leise köcheln lassen.Wenn das Fleisch weich ist, die Stücke herausheben, mit Frischhaltefolie bedecken und beiseitestellen. Den Saft um ein Drittel einkochen. Mehr Bindung und Glanz erhält das Gulasch, wenn man noch ein oder zwei Kartoffeln hineinreibt. Paprikapulver mit etwas Saft verrühren, zusammen mit dem Fleisch in den Topf geben und weitere 15 Minuten garen (Farbe und Geschmack bleiben dadurch frischer). Mit Salz und Pfeffer abschmecken.Zutat: KonservenHaben Sie schon mal Nudeln selbst gemacht? Wahrscheinlich eher Spätzle, aber Nudeln sind genauso leicht. Und man kann dafür jedes Mehl verwenden, von dem viele nun ein paar Kilo mehr als sonst im Schrank stehen haben. Eier wären zusätzlich gut, müssen aber auch nicht sein, um frische Nudeln herzustellen. Und man braucht dafür nicht einmal eine Nudelmaschine, ein Nudelholz oder eine leere Weinflasche reichen. Nudeln zu machen, ist der Ganzjahresersatz für die weihnachtliche Plätzchenbäckerei, und ich habe schon viele leuchtende Erwachsenenaugen gesehen, wenn ich zum Pastamachen und -essen eingeladen habe (bei Männern eingeschränkt gesagt aber vor allem, wenn auch eine Nudelmaschine zur Hand ist). Denn eines ist wirklich von Vorteil, wenn man den Teig dünn ausrollt, Nudeln schneidet oder sticht und die Pasta anschließend so ausbreitet, dass die Nudeln nicht zusammenkleben: viele Hände. Und wenn man richtig drin ist und die Menschen sich wie von selbst auf Stationen verteilt haben, dann entwickelt sich ein Takt, bei dem man verstehen kann, warum in Italien beim Pastamachen gern gesungen wird. Probieren Sie es mit Bella Ciao.Placeholder infobox-2Die Zutaten sollten zimmerwarm sein. Alles vermengen und 15 Minuten kneten, bis der Teig geschmeidig, aber immer noch fest ist. In Klarsichtfolie einschlagen und im Kühlschrank mindestens eine Stunde ruhen lassen. Den Teig in acht etwa gleich große Stücke teilen und flach drücken. Einzeln ausrollen. Die Konsistenz des Teiges sollte so sein, dass kein Mehl zum Ausrollen erforderlich ist. Klebt er doch, einfach leicht bemehlen. Zur gewünschten Dicke ausrollen. Sollen die Nudeln sehr dünn werden, die Teigplatten zwischendurch immer wieder einige Minuten ruhen lassen, dann verlieren sie die Widerspenstigkeit vor dem Nudelholz oder der Nudelmaschine wieder. Kleinste Plätzchenformen nehmen, um Nudeln zu stechen, ein Glas, wenn man die Nudeln anschließend füllen will. Für Bandnudeln die Teigplatten mindestens eine halbe Stunde trocknen lassen und zwischendurch wenden, bevor man zu schneiden beginnt. Fertige Nudeln leicht bemehlen und auf einem Küchenhandtuch ausbreiten. Die Nudeln in gut gesalzenem (10 Gramm auf einen Liter), sprudelnd kochendem Wasser, 2 bis 3 Minuten kochen lassen.So, und was macht man nun mit den Konserven, die nun im Schrank stehen und eigentlich keinen Zweck mehr haben? Zwei Möglichkeiten: Man bringt sie zur „Tafel“ oder mischt sie mit Selbstgekochtem. Suppen aus der Dose schmecken mit eigenem Fond und ein wenig Fantasie fast wie selbst gemacht. Einiges lässt sich sicher auch unter einen Rest Gulasch rühren, vielleicht sogar als Fülle für Ravioli verwenden. Probieren Sie es einfach aus. Jedes Gericht enthält eine kleine Portion mehr Leidenschaft und Hingabe als der pure Doseninhalt. Das werden alle schmecken..
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