Schneidet, häckselt, rührt und kocht

Eventkritik Auch vor Küchen macht die technische Innovation nicht Halt: Die Wundermaschine "Cooking Chef" kann alles

Man kommt sich vor wie im Fernseh-Studio eines Verkaufs-Kanals, in dem ein gegelter junger Mann mit Perlweiß-Lächeln einen neuen Dampfgarer für Schonkost mit sechs Etagen anpreist – „Und das alles für 69,99, wenn Sie in der nächsten halben Stunde anrufen.“ Nur dass Stefan Dadarski keine glattgegelten Haare hat. Wilde schwarze Dreadlocks schlingen sich um seinen Kopf. Und es handelt sich auch um kein Schnäppchen, das er hier in der Kochbar, einer Berliner Kochschule, nur ein paar Schritte entfernt vom Schloss Bellevue, vorstellt. Es ist der „Cooking Chef“, eine Küchenmaschine für sage und schreibe 1.200 Euro. Wer greift bei einem solchen Preis schon schnell zum Telefon? Was Dadarski aber beweisen will, und da ergeben sich durchaus Parallelen zum Shopping-TV: Diese Küchenmaschine ist ein Alleskönner, die sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau, ein Apparat, der einem die halbe Küche erspart.

Spülstein mit Lotus-Effekt

Eine Handvoll Köche, Profis und leidenschaftliche Amateure, stehen um den großen Küchenblock herum. Sie haben schon ein wenig Erfahrung mit dieser Maschine und ihren Konkurrenten. Denn der Einzug der Technik in der Küche ist unaufhaltsam. Es ist nicht der schon so oft versprochene Kühlschrank mit Internet-Anschluss, der selbst seine Einkäufe erledigt. Nein, wir leben noch immer im Zeitalter der Teflonpfanne, in der eine Erfindung aus der Raumfahrttechnik im Küchenschrank Einzug hält. Und egal, ob Spülsteine mit Lotus-Effekt oder Backformen aus hitzebeständigem Silikon, im Küchensegment treffen solche technischen Innovationen erst auf den Massenmarkt. Und auf Käufer, die zwar gerne kochen wollen, aber doch kaum Zeit dafür zu entbehren haben.

Food-Prozessoren nennt man Geräte wie den Cooking Chef auf Neudeutsch. Zerkleinern, Hacken, Pürieren, Mahlen, Rühren, Mixen – all das können sie, und ihre Hersteller versprechen: sogar präziser und schneller als der Mensch, sie sparen so Zeit und Schweiß am Herd. Beim Cooking Chef kommt hinzu: Diese Maschine vereint die ganze Technik, Messer und Schneebesen umeinander wirbeln zu lassen, mit einer Kochfunktion. Mit der gleichen Technik wie bei Induktionsherden lässt sich die Teigschüssel erhitzen. Damit ist das Gerät nicht nur für die Vorbereitungsküche einsetzbar, sie übernimmt das Kochen.

Ich habe schon einige Geschichten gehört von der Wundertätigkeit des Cooking Chef, von der cremigen Polenta oder der luftigen Sahne. Wie die Maschine so dasteht, matt glänzend auf der schwarzen Arbeitsplatte, nötigt sie Respekt ab. Berühren will ich sie lieber nicht, bei dem Preis kann das ein Fall für die Haftpflicht-Versicherung werden. Doch dann greift sich Dadarski einen Spritzschutz, eine der Plastikverkleidungen, und pfeffert sie auf den Boden. „Man muss sich anstrengen, um was kaputt zu machen“, sagt er. Die Show hat begonnen.

Als ersten Gang machen wir eine Zabaglione, eine italienische Weinschaumcreme aus Eigelb, Süßwein und Zucker. Auf die klassische Weise werden dafür Dotter und Zucker über dem dampfenden Wasserbad mit Wein aufgeschlagen, bis eine relativ feste, honiggelbe Creme entsteht. Im Restaurant muss man sich manchmal beeilen, dieses Dessert zu essen, Zabaglione kann eine ziemlich instabile Vebindung sein.

Maschine mit Plastikhelm

Für die Version aus dem Cooking Chef holt Dadarski einen Schneebesen vom Umfang einer Gorilla-Pranke hervor, gibt Eigelb und Zucker in die Schüssel und dreht den Temperaturregler auf. Doch nichts rührt sich. Was an dieser Küchenmaschine gelernt sein muss, ist die Beherrschung der Sicherheitsvorrichtungen. Erst wenn alles richtig arretiert ist, setzt sie sich in Bewegung. Jetzt ist es der Dampfschutz, der verhindert, dass sich beim Kochen Wasser in die Elektronik verirrt. Kaum sitzt das Ding, das aussieht wie ein durchsichtiger Plastikhelm, auf dem Kopf der Maschine, dreht sich der Schneebesen, immer am Rand der Schüssel entlang. „Planetarisches Rührsystem“ nennt das der Hersteller.

Es sind kaum drei Minuten vergangen, da zeigt das Gerät schon eine Temperatur von 60 Grad im Kessel an, aber auf einmal erlahmt der Schneebesen und rührt nur noch kraftlos durch das langsam aufgehende Wein-Ei-Gemisch. Keine Panik, sagt Dadarski, wieder eine Vorsichtsmaßnahme. „Sie wollen doch nicht, dass Ihnen auf einmal kochende Tomatensoße durch die Küche fliegt.“ Die Maschine sei so programmiert, dass ab einer bestimmten Temperatur das Schlagtempo reduziert wird. Mit einer Spezialtaste lässt sich aber auch das umgehen. Sekunden später schimmert die Zabaglione seidig, die Creme ist fast bis zum Rand des 6,7-Liter-Topfes aufgestiegen. „Die bleibt fest“, sagt Dadarski.

Der Cooking Chef ist das Flagschiff im Küchensegment des Elektronikkonzerns Kenwood. Genaue Verkaufszahlen verrät der Konzern nicht, aber Dadarski, der seit Monaten auf Tour ist, um in Kochschulen, Restaurantküchen und bei Heimanwendern die Einsatzbereitschaft der Maschine zu präsentieren, sagt, der Konzern habe die Nachfrage immer unterschätzt.

Aber Statussymbole müssen heute eben nicht mehr nur in der Garage stehen. Gäbe es ein Quartettspiel für Küchengeräte, der Cooking Chef wäre die absolute Trumpfkarte. Gewicht: 13,6 Kilo, Leistung: 1.500 Watt, Geräteanschlüsse: vier, Zubehör: unübersehbar. Sieht man sich all die Anschlussteile an, wünscht man sich einen eigenen Schrank, nur um nicht das kleinste Teil zu verbummeln. Es könnte sicherheitsrelevant sein. Da sind: mehrere mehrteilige Aufsätze zur Herstellung von Nudeln, ein Fleischwolf, Beeren-, Zitruspresse und Entsafter, Dampfgaraufsatz und flotte Lotte, Getreidemühle und, und, und ...

Mein Fazit nach einem Blick auf die nach drei Stunden noch immer standfeste Zabaglione: Der Cooking Chef kann wirklich alles. Aber Dadarskis Show hat mir den Respekt vor dieser Maschine nicht genommen, im Gegenteil. Sie überfordert mich.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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