Soßen sind Feind und Freund des Grillfleischs

Der Koch Um die 40 verschiedene Soßen findet man in einem gut sortierten Supermarktregal. Vieles davon übertüncht den Fleischgeschmack, doch selbst Gemachtes schmeckt eben doch
Ausgabe 29/2013
Soßen sind Feind und Freund des Grillfleischs

Illustration: Otto

Auch in dieser Woche bleibe ich am Rost. Vielleicht weil dieser Sommer hoffentlich noch viele Gelegenheiten bieten wird, den Grill auch in der Realität anzuwerfen. Und die anhaltende theoretische Möglichkeit eines Barbecues die Phase ins Unendliche zu verlängern schien, mit der Planung des perfekten Barbecues für 2013 verbringen zu können. Kopfküche sozusagen. Ich sah mich schon, wie ich unter einem Regenschirm oder in einer Daunenweste am Grill stehe, auf dem Makrelen liegen und eine Pfanne Paella leise brodelt, und mir die klammen Finger an der Glut wärme. Immerhin: Ich hatte schon Gelegenheit, eine große Schüssel Tabouleh zuzubereiten (siehe Kolumne in der vorigen Ausgabe).

Aromen aus der Flasche

Weit bevor nun endlich der Hochsommer und Grillsaison so richtig ins Laufen kommen, haben die Supermärkte meine Fantasien auch noch befeuert. Dort wird seit Wochen der Beweis geführt, als habe es nie ein besseren Grillsommer gegeben als den von 2013. Mannigfach eingelegte Schweinenacken und Grillwürste jeder Farbe und Form, das kennt man inzwischen. Aber im Kassenbereich, wo in wenigen Wochen, kurz nach den Sommerferien, wieder das riesige Sortiment an Lebkuchen, Stollen und Schokoladen aufgebaut wird, herrscht gerade die gleiche Unübersichtlichkeit – an Grillsoßen.

Ich habe in der Lebensmittelabteilung eines großen Kaufhauses spaßeshalber versucht, die Senf- und Ketchupprodukte durchzugehen, nach einem gemurmelten 40 aber wieder aufgegeben. Deutsche trauen dem, was vom Rost kommt, offenbar nichts zu. Sie müssen es unbedingt mit Aromen aus der Flasche aufhübschen. Widerspruch? Dann zählen Sie doch einfach die angebrochenen Thaicurryketchups, Mangolitschichutneys, Hotsweetchilidips, Mexicanjalapenjobarbecuesoßen und Honigsenfgläser in Ihrem Kühlschrank ab. Und vergessen Sie den Meerrettich nicht.

Ich komme auf mehr als ein Dutzend. Schwache Ausrede, aber trotzdem: Die Hälfte sind Mitbringsel. Vielleicht ist deswegen die These richtiger, dass wir, wenn wir schon mit anderen billiges Grillfleisch teilen müssen, uns wenigstens mit der viel teureren Barbecuesoße einen Hauch von Individualität bewahren wollen.

Verkohlte Paprika

Ich bin auch nur ein Kind dieses Zeitgeistes, der, führt man ihn ins Extrem, in der selbstgemachten Grillsoße gipfelt. Es gibt drei Favoriten. Einmal schlicht und billig: Zitrone. Für ein gutes Steak gibt es keine bessere Alternative. Zu Lamm, Schwein, auch gegrilltem Fisch passt immer Salsa Verde, diese wunderbare italienische grüne Soße aus Petersilie, Knoblauch, Kapern und Sardellenfilets. Was darin für ein Aroma steckt, riecht man schon auf dem Hackbrett. Kräuterbutter de luxe.

Den meisten Aufwand mache ich mir aber für ein Paprika-Zwiebel-Chutney. Das darf zu keiner Bratwurst fehlen. Dafür müssen rote Paprika unter dem Grill verkohlt werden. Ich bekomme immer wieder erzählt, was für eine Heidenarbeit das sein soll, die verbrannte Haut abzuziehen. Der Trick, das heiße Gemüse vor dem Schälen in einem Plastikbeutel nachdämpfen zu lassen, funktioniert aber und zwar ganz ausgezeichnet. Die abgezogene Paprika brate ich mit viel Zwiebelringen an, lösche mit einer halben Flasche Balsamico-Essig ab und lasse das Ganze dickflüssig einkochen. Das ist nur die Basis: Mit Rhabarber, Stachel- oder Johannisbeeren wird das Chutney fruchtiger, mit Chili schärfer, mit Zimt, Kardamom oder Nelken vollmundiger. Ich habe da kein festes Rezept.

Bemerkenswert, wo die Gedanken hinführen können, wenn der Sommer nicht so richtig beginnen will. Die Grillpfanne auf dem Herd war nur ein kleiner Trost. Am Wochenende geht’s los. Ich bin gerüstet.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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