Tauscht eure Pausenbrote!

Ernährung Je mehr Ganztags-Einrichtungen entstehen, um so mehr Kinder sitzen in den Schulkantinen. Doch was machen die, die das Essen dort nicht wollen?
Nicht schön – und leider gar nicht selten
Nicht schön – und leider gar nicht selten

Foto: Jens Wolf / dpa

Die besten Pausenbrote hatte immer der Christian. Und er wusste das. Also musste man was drauflegen, wenn man mit ihm tauschen wollte. Ein Nutellabrot gegen eine Schinkensemmel mit Gewürzgurken? Machte zwei Panini-Bilder extra. Ich war ein guter Kunde. Bis ich mir einmal von einer seiner Stullen den Magen verdarb. Am nächsten Tag suchte ich mir auf dem Schulhof einen anderen Zulieferer und entdeckte die dunklen Vollkornscheiben von Miriam, dick mit Vegetarier-Schmalz bestrichen. Sie liebte Nutella.

Dreißig Jahre später ist an eine solche Art der Schulverpflegung nicht mehr zu denken. Und die Geschichte vom kindlichen Risiko-Management nach dem Try-and-Error-Prinzip mag sich für manche anfühlen wie bröseliges Karamell aus den guten alten Zeiten. Aber was ist das für ein Risiko-Management, wenn sich wie vergangene Woche mehr als 8.000 Kinder am Schulessen den Magen verderben? In mehreren Bundesländern blieben ganze Schulen für Tage geschlossen, das Bundes‑verbraucherministerium hat eine Task Force eingerichtet, wieder sind die Keim-Jäger und Epidemiologen unterwegs und sammeln Essensproben wie zu EHEC-Zeiten.

Eine Schinkensemmel reicht heute auch längst nicht mehr als Schulspeisung. Viele Kinder bekommen inzwischen mittags in Schulen und Kitas ihre tägliche Hauptmahlzeit vorgesetzt, und je mehr Ganztags-Einrichtungen entstehen, um so mehr Kinder sitzen in den Schulkantinen. Diese Massenspeisung ist ein großer Markt, auf dem ein starker Preiskampf herrscht. Im Durchschnitt 2,43 Euro – mehr für das Schulessen auszugeben, sind Eltern, Schulen oder Kommunen heute nicht bereit. Gleichzeitig sollen die Gerichte alle Ernährungsziele erfüllen, ihre Zubereitung folgt schärfsten Hygieneregeln. So zu produzieren, das schaffen paradoxerweise nur noch Groß-Caterer wie Sodexo, aus dessen Töpfen das verdorbene Essen stammen könnte (die Erregerquelle war bis Anfang der Woche noch unbekannt). Sie kaufen in Massen ein, verarbeiten Lebensmittel mit viel Technik weiter und haben auch das Personal rationalisiert. Die Folge: Das Essen ist sicher wie nie, aber falls es doch mal verdorben ist, dann sind die Folgen weitreichend.

Aber was machen Schüler, wenn sie dieses Essen nicht wollen? Sie haben leider keine große Wahl mehr. Die Berliner Schulverwaltung empfiehlt Eltern derzeit, ihren Kindern Essen mitzugeben. Sie sollten ihnen gleich ein paar Brote mehr einpacken. Wäre doch schön, wenn der Tauschhandel wieder blüht.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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