Verwechselt Bier nicht mit Wein!

Der Koch Was Franzosen und Italiener können, sollten wir auch schaffen: Unsere Speisen mit etwas Alkohol anreichern. Man sollte nur aufpassen, sie können schnell bitter werden
Ausgabe 41/2013
Verwechselt Bier nicht mit Wein!

Illustration: Otto

Man sollte meinen, in einem Land, das so viel aufs Bier gibt, sollte dieses Getränk auch eine große Rolle spielen, wenn es ans Essen geht. Deutschland hat das Reinheitsgebot, Deutschland hat in der Hallertau das größte Hopfenanbaugebiet der Welt, hat über 1.300 Brauereien, was man in jedem Getränkemarkt erkennen kann – auch wenn dort immer nur die gleiche Promille des Angebots abgebildet wird.

Und trotzdem: In der Küche spielt Bier ungefähr so eine große Rolle wie Bockshornklee oder Hirschhornsalz. Also eigentlich keine. Ein Schelm, wer nun entgegnet, der Deutsche habe so einen Respekt vor dem Nationalgetränk, dass er es ausschließlich trinken möchte, pur und unverdünnt. Solchen stolzen Dimpflmosern sei gesagt: Der Bierabsatz sinkt. Seit Jahren. Auch in Deutschland. Also bitte: Schüttet es ins Essen! Die Italiener machen das mit ihrem Wein ja auch. Die Franzosen erst recht. Und wir tun es doch auch. Nichts gegen deutsche Weine, ganz im Gegenteil. Man sollte sich nicht scheuen, aus einer exquisiten Flasche einen guten Schuss zum Schmorbraten zu geben, auch wenn später zum Essen weniger zu trinken da sein sollte. Wein, der aus dem Glas nicht schmeckt, wird dagegen im Topf selten besser. Zu viel Säure, zu viel Süße, zu viel Holz: Solche unangenehmen Eigenschaften lösen sich nicht in Luft auf, manchmal treten sie sogar noch stärker hervor.

Aber warum dann kein gutes Bier, wenn zum Kochen nur noch alter Fusel im Regal steht? Denn was kann Wein, was Gerstensaft nicht auch könnte? Um die Pfanne abzulöschen und den Bratensatz zu lösen, als Marinade für ein Stück Fleisch, um einem Eintopf oder einem Kuchen Fülle und Aroma zu geben, sind uns ja auch andere Spirituosen recht, gern sogar hochprozentigere. Ist was falsch an Bier? Hat es zu wenig Alkohol? Oder machen wir was falsch?

Ist zum Ausspucken

Die Antwort ist: ja, leider. Und zwar beides. Denn nur am Alkohol liegt es nicht. Der entscheidende Unterschied zu Wein ist: Bier gehört zu den bitter-süßen Alkoholika, Wein zu den süß-sauren. Und um die Säure geht es, wenn von Wein als Zutat im Essen die Rede ist. Da ist Bier leider immer unterlegen. Ich habe vor Jahren Bier aus der Zutatenliste gestrichen, nachdem ich einen Schweinekrustenbraten stundenlang in Dunkelbier schmurgeln ließ. Auf die Biersoße hatte ich mich nämlich am meisten gefreut. Doch sie war zum Ausspucken bitter. Jeder Brauer hätte mir leicht erklären können, warum. Schon bei der Bierherstellung gilt: Je länger der Hopfen in der Würze mitgekocht wird, umso bitterer wird schlussendlich der Stoff. Ich hatte es damit bei dem Schweinebraten bis zum Ultimo getrieben.

Deshalb: Mit Bier kann man viel anstellen, wenn man es nicht mit Wein verwechselt. Und man sollte nur mild oder kaum gehopftes Bier nehmen, wenn das Rezept verlangt, es länger zu erhitzen. Ein Tipp für den Schweinebraten? Malzbier! Es enthält kaum Hopfen, aber die ganzen Karamellaromen der für das Malz gerösteten Gerste. Es passt auch in Kuchen, in englische Pies oder eignet sich als Geheimzutat für Schokoladen-Brownies.

Sonst sollte man an Bier als Zutat vor allem wegen der kleinen Extraportion Bitterkeit denken – die man sich etwa in einem Frittierteig gut vorstellen kann. Oder an Muscheln, die über Bier gedämpft werden. Das übrigens ist ein belgisches Rezept. In keiner Küche ist die Zutat Bier so verbreitet wie in der dortigen. Aus Belgien kommen aber eben auch Biere wie das Geuze oder das Lambic. Sie sind saurer als Wein. Und sie eignen sich ausnahmsweise auch als Ersatz. Tja, liebe Dimpflmoser, vermutlich ist Belgien deswegen sogar eine noch größere Biernation als unsere.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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