Wann wird aus einer Minestrone Macho-Suppe?

Der Koch Kaum wird es draußen herbstlicher, steht bei unserem Koch Suppe auf dem Herd. In seiner Kolumne verrät er, was man bei einer guten Minestrone keinesfalls vergessen sollte
Ausgabe 38/2013
Wann wird aus  einer Minestrone Macho-Suppe?

Illustration: Otto

Auf dem Herd steht schon der große Topf. Denn kaum liegt das erste Laub auf den Gehwegen, bekomme ich Appetit auf Suppe. Es gibt sogar einen bestimmten Moment, in dem sich mir das Bild einer Schüssel mit goldener Flüssigkeit vor die Augen schiebt. Gemüse und Nudeln schwimmen darin, ein Häufchen Parmesan thront darauf, und Schwaden von Aroma hängen darüber. Ich kann es fast riechen. Das ist, wenn ich das erste Mal mit einer Schnupfennase nach Hause komme. Am Wochenende soll es nass werden? Wie schön. Zeit, mich mit Brühe zu bevorraten.

Nicht schon wieder Suppe, werden sich nun vielleicht einige treue Leser dieser Kolumne denken. Doch es muss sein. Denn ich kenne nur wenige Menschen, die ein ausgeglichenes Verhältnis zu diesem Gericht haben, das irgendwo in der Mitte zwischen Essen und Trinken angesiedelt ist – und wahrscheinlich eine der ältesten Speisen der Menschheit ist. Doch viele nehmen es heutzutage möglichst billig aus der Tüte zu sich oder gehen in Spezialitätenrestaurants namens „Suppenküche“. Aus den Speisekarten gehobener Restaurants ist die Suppe deshalb weitgehend verschwunden. Gleichzeitig fallen mir immer wieder Kochbücher in die Hände, vor allem von namhaften Köchen, die vom Fond bis zur Einlage seitenweise über die Zubereitung philosophieren.

Ich lernte schon früh, dass ein Lokal dann vielversprechend ist, wenn die Suppe schmeckt. Für Kochbücher gilt die Regel übrigens genauso.

Um den Sommer zu verabschieden, koche ich Minestrone. Denn noch liegt in den Läden die ganze Ausbeute der Erntezeit, reife Tomaten sowie die ersten Kürbisse. Minestrone ist so etwas wie Erntedank in der Schüssel. Natürlich, ich könnte auch von Gemüsesuppe schreiben, aber der Begriff klingt zu stark nach gesundem Fastengericht. Das ist die Minestrone eventuell auch, sie ist jedoch auch Fülle, Aroma, Übermaß. Allein schon das Wort: Minestrone ist die Vergrößerungsform von minestra, italienisch für Suppe. Das spricht man fast von selbst vollmundig aus.

Man sollte sich am Herd davon inspirieren lassen. Ich lasse es laut durch die Küche rollen: Minestrrroooone. Das ist schon die halbe Miete. Ein ultimatives Rezept gibt es nicht, wie so oft in der italienischen Küche, sondern Hunderte. Sommerliche Varianten mit Tomate, Zucchini und Pesto und herbstliche mit Pilzen, Kohl und Steckrüben. Ich koche Minestrone nach der gefühlten Wetterlage.

Einige Grundprinzipien sollte man aber nicht vergessen. Minestrone ist ein Dreierlei aus Brühe, Einlage und „Auflage“. Und wenn jede Komponente für sich schmeckt, umso besser. Das ist die Hauptsache, egal ob bei Gemüse-, Hühner- oder Rinderbrühe. Nehmen Sie vor allem ihre Lieblingssuppe. Bei den Einlagen empfiehlt sich, Wurzelgemüse im Topf anzuschwitzen und auch zu salzen, dann entwickelt sich mehr Geschmack. Und zartes Gemüse wie Erbsen, Tomaten, Radicchio oder auch anderen Salat so spät hinzuzufügen, dass sich noch Biss und Frische halten.

Das zahlt sich aus, genauso wie eine gute Mischung aus stärkehaltigen, proteinreichen Zutaten und Gemüse. Das ist das zweite Grundprinzip. Kein Minestronerezept begegnet einem ohne Kartoffeln, Nudeln, Reis und Bohnen, diesen eiweißreichen Hülsenfrüchten. Erst diese Kombination macht aus der Minestra die Macho-Variante, füllig und nahrhaft. Darüber träufelt man gutes Olivenöl, feine Kräuter, vielleicht einen Spritzer Zitrone, geriebenen Käse oder Croutons. Oder einfach alles zusammen.

Warum man so eine Minestrone auslöffeln muss, das könnte ich noch lange erklären. Aber ich muss an den Herd, die Suppe abschäumen.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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