Warum darf Black Beauty nicht in die Lasagne?

Alltagskommentar Die Aufregung über Pferdefleisch in Tiefkühlkost ist nicht nur in Großbritannien groß. Das liegt nicht an gesundheitlichen Bedenken, sondern am Black-Beauty-Effekt
Ein stolzer Pferdemetzger mit seinen Produkten
Ein stolzer Pferdemetzger mit seinen Produkten

Foto: imago

Vor ein paar Wochen habe ich mir auf einem Markt eine Pferdebockwurst gekauft – und den Mann am Grill gefragt, woher sein Fleisch komme. Er überlegte, ob er antworten solle, sagte aber dann mit Augenzwinkern: Nur von guten Tieren. Und nur von solchen, deren jungen Besitzerinnen "Mylord oder der kleine Onkel zu langweilig geworden ist".

Wenn man nach so einem Erlebnis hört, dass in der Lasagne des Tiefkühlkost-Konzerns Findus nicht wie auf der Verpackung beschrieben Rindfleisch, sondern bis zu hundert Prozent Pferd gefunden wurde, denkt man unweigerlich: Oh je, Black-Beauty-Lasagne. Auf diesen Begriff lässt sich der Ekel bringen, der inzwischen von Großbritannien aus auch nach Deutschland schwappt. Denn ob die mittlerweile auch hierzulande zurückgezogene Ware gesundheitsschädlich war, kann niemand wirklich sagen. Und es wäre ein Wunder, wenn sie schlechter schmecken würde als das Original.

Cholesterinarmes Fleisch

Am Aroma liegt es nicht, dass viele Menschen Pferd ablehnen. Das Fleisch von jungen Tieren ist Rindfleisch auf der Zunge zum Verwechseln ähnlich. War das Tier schon älter, kann es etwas süßlicher schmecken, manchmal denkt man an Wild. Und sieht man sich die Ernährungstrends an, wäre Pferdefleisch geradezu prädestiniert, fester Bestandteil unseres Speiseplans zu werden. Es ist fast so mager wie Geflügel und daher auch cholesterinarm. Menschen mit Herzschwäche wird Pferd regelmäßig empfohlen.

Trotzdem: In Deutschland gibt es nur noch etwa hundert Pferdemetzger, die meisten im Rheinland, weil der klassische Sauerbraten vom Ross zu sein hat. Aber wer weiß das schon noch? Und wem ist bekannt, dass es der Vatikan war, der uns den Appetit auf das Fleisch genommen hat? Papst Gregor III. waren die heidnischen Pferdeschlachtfeste der Slawen ein Dorn im Auge. Außerdem brauchte er Kriegsrösser. Deshalb verbot er im Jahre 723 den Genuss einfach. Mit Erfolg. Auf deutschen Tellern ist Pferd heute exotischer als Vogel Strauß. Was auch daran liegen mag, dass dem Verbraucher Pferdefleisch, das wegen der geringen Nachfrage billiger ist als andere Sorten, immer wieder als Rind oder Ziege untergejubelt wurde.

Sportsfreund und Familienmitglied

Aber das ist nicht der Grund für die Empörung. Es ist der Black-Beauty-Effekt. Heute ist das Pferd kein Nutztier mehr, es dient nicht zum Transport oder um die Wiese kurz zu halten. Es ist ein Statussymbol, Sportsfreund, Streichelobjekt, Familienmitglied oder gar Kinderersatz. Es ist wie mit Hund und Katze. Die können wir auch nicht essen. Wir sind doch keine Kannibalen.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden