Warum muss man Reis anbrennen lassen?

Koch Der Koch widmet sich ausgiebig der Paella. Aber nach vier Versuchen muss er feststellen: Das spanische Reisgericht ist gar nicht so einfach, vor allem der Reis ...

Hier ein Werkstattbericht, nennen wir ihn "Ich und die Paella – Tag vier". In der vorigen Kolumne hatte ich es schon angedeutet: Die spanische Reispfanne bestimmt ausschließlich die Aufmerksamkeit des Kochs. Und dafür sind weder Mühe noch Kosten zu hoch. Ich nenne nun eine stählerne Flachpfanne mein Eigen, sie setzt in nullkommanichts Flugrost an. Dafür war sie billig. Anders als der Safran. Das 10-Gramm-Glas im Regal hat den Gegenwert eines anständigen Restaurantbesuchs. Aber auch diese Investition wird sich schon auszahlen. Ganz sicher. Meine Paella bekommt man nun schon runter, richtig geschmeckt hat sie aber eigentlich noch nicht.

Warum Paella? Gegenfrage: Warum nicht? Die Paella flirtete mich eben an. Es war ein Schwarz-Weiß-Foto: Picasso mit Freunden an einer weiß gedeckten Sommertafel im Freien. In der Mitte steht auf dem Dreibein die runde Paella-Pfanne, obenauf Muscheln, Scampi, Paprika und Artischocken. Ein appetitliches Bild! Seit zehn Jahren koche ich nun Risotto, das große italienische Reisgericht – die meiste Zeit mit viel Passion, heute mit viel Routine. Noch nie ist es vorgekommen, dass mir eine Zutat verdorben ist. Dann fand ich im Kühlschrank ein großes verschimmeltes Stück ­Parmesan. Sollte das kein Zeichen sein? Außerdem: Das Erste, was mir beim Nachdenken zu Paella einfiel, waren Begriffe wie Villa riba, Villa bajo und Fairy ultra – also die Werbung für ein Spülmittel aus den neunziger Jahren. Dieser Gedankengang war mir unangenehm.

Theoretisch auf Stand

Theoretisch bin ich inzwischen auf Stand. In Kürze: Paella ist das spanische Nationalgericht, zu­bereitet wird es in einer runden, ­flachen Pfanne mit zwei Henkeln, der Paellera, gern über offenem Feuer. Grundbestandteile sind Reis, Brühe und Olivenöl. Typisch ist die ­Paella aus Valencia, die mit Safran ­gefärbt und aromatisiert wird. Weitere Zutaten sind Huhn, Schweinerippe und Kaninchen, manchmal werden auch kleine Schnecken beigegeben, außerdem grüne Bohnen und Artischocken. Die Paella mit Meeresfrüchten und Fleisch ist dagegen kein echter Klassiker der spanischen Küche. Es sind die Touristen, die sie beliebt gemacht haben.

Die große Auswahl an Zutaten lenkt aber nur davon ab, dass es sich um ein Reisgericht handelt. Das ist mein Fazit nach den ersten Versuchen. Ich habe dabei – hoffe ich – alles falsch gemacht, was man falsch machen kann.

Die Zubereitung einer Paella folgt vier Schritten. Zuerst werden Fleisch und Gemüse in Olivenöl angegart, dann kommt der Reis hinzu. Er wird einige Minuten in der Pfanne mitgerührt, ohne zu bräunen, und soll dabei die im Fett gelösten Aromen aufnehmen. Anschließend soll der Reis selbst garen, also wird es in der Pfanne flüssig – Tomatensoße und Brühe kommen dazu. Ab jetzt, heißt es in allen Rezepten, darf nicht mehr gerührt werden. Stattdessen soll die Pfanne für fünf Minuten stark brodeln, was die Körner schön umwälzt. Anschließend lässt man die Flüssigkeit bei milder Hitze zwölf Minuten verdampfen.

Ich musste Stoff geben

Bei meinem ersten Versuch schwamm der Reis nach dieser Zeit immer noch in der Brühe, ich musste also Stoff geben. Nach 20 Minuten sah die Paella zwar aus wie eine Paella, aber der Reis war verkocht, schal und muffig, trotz der vielen schönen Aromen.

Beim zweiten Versuch war der Reis zwar schon auf dem Punkt, aber ich nahm an Erfahrung davon mit: Ohne Tomatensoße ist Paella nur was für Fortgeschrittene.

Im dritten Anlauf befolgte ich die Mengenangaben für das Olivenöl und schüttete 200 ml in die Pfanne, was hieß, Gemüse und Reis zu frittieren, und mit einem richtig schweren Magen endete.

Die vierte Paella gelang so lala. Nach dem Essen fand ich in der Pfanne das, was auf Spanisch sorrocat heißt. Da waren ein Dutzend Reiskörner am Boden angeklebt: Außen knusprig, innen weich und aromatisch. Zuletzt trafen die Zähne einen wieder etwas festeren Kern. Sehr lecker und genau das Gegenteil von dem, was man von einem Risotto erwartet, da will der Koch es weich und cremig.

So sieht nun der Plan für die folgenden Tage aus: Ich reduziere die Zutaten auf das Nötigste – Reis, Olivenöl, Tomatensoße und Brühe. Dieser krustige Reis, das wird das Ziel des ganzen Experiments. Ich fürchte schon: Er wird mehr als einmal anbrennen.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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