Das Gute an Ehec war, dass TGS für eine Weile verschwand. TGS ist auch eine Krankheit, die Abkürzung für dieses Trio aus Gurken, Tomate und Salat auf dem Tellerrand, ganz gleich, ob man ein Steak, ein Stück Lasagne oder eine Quiche Lorraine bestellt hat. Mal wippt die Tomate geviertelt auf der Gurkenscheibe, mal ist die Tomatenschale zur Rosenblüte geschlungen und thront in einer Gurkenkrone. Egal: Alles TGS. „Bis 2011 geläufige Tellerdekoration in deutschen Gasthäusern und Restaurants, nach dem Auftauchen von Ehec ungebräuchlich“ – wäre doch schön, wenn das in ein paar Jahren über TGS in einem Konversationslexikon oder bei Wikipedia zu lesen wäre.
„Der Rand gehört dem Gast“ – in jeder mittelmäßigen Kochsendung kann man das heute lernen. Trotzdem ist der Rand der Bereich, in dem viele Köche Kreativität zeigen wollen, mit Schnittlauchbruch, Pfefferkrümeln, roten Beeren oder eben meist mit TGS. Man weiß nicht, ob sie „was fürs Auge“ bieten wollen oder der Ansicht sind, noch was Gesundes mitliefern zu müssen.
Rand für den Service
Über so dekorierte Teller kann man als Gast vielleicht noch hinwegsehen, wer sich aber richtig ärgert, sind die Bedienungen. Sie sollen die Teller noch greifen können, ohne hässliche Fingerabdrücke zu hinterlassen. Richtiger also sollte es heißen: „Der Rand gehört dem Service.“
TGS hat inzwischen auch den klassischen Begriff der „Garnitur“ gekapert, all das, was nach dem „à la“ kam, wie etwa à la Bourguignonne. Auf Deutsch: Eine Forelle nach Müllerinart, ein Schnitzel nach Förster- oder Herzoginart. Damit war nicht nur eine bestimmte Zubereitungs- Methode gemeint, die Garnitur schreibt die Beilagen vor und die Art der Präsentation. Keine Leber Berliner Art ohne Kalbsleber, Äpfel und Zwiebelringe. Doch wer weiß das noch, solche Details müssen heute auf der Karte stehen – mit wenigen Ausnahmen, wie dem Big Mac Menü.
Garnitur heißt heute à la TGS. Und ich möchte mir gar nicht vorstellen, in wie vielen Restaurants das Schneiden von Gurken und Tomaten – für die so genannte „Garnitur“ – zu den letzten Handarbeiten gehört, weil das eigentliche Essen aus der Gefriertruhe kommt. Es sind auf alle Fälle zu viele: Wie auch die Tonnen von Gemüse, die das Jahr hindurch über den Umweg als Tellerschmuck im Müll landen.
Überflüssige Garnituren sind ein Kapitel für sich. Ich habe vor einiger Zeit einen Vortrag über exotisches Obst und Gemüse besucht. Ich hatte erwartet, lernen zu dürfen, wie sich Papaya, Schlangenfrucht, Tamarillo oder Kaki verwenden lassen, wie man ihre Qualität einschätzt. All so etwas. Stattdessen bekam ich zu hören, wie lange sich die Dinger als Dekoration auf Servierplatten halten (Tage!), auch wenn sie beschnitzt sind – was ich anschließend nicht üben wollte.
Wer garniert, will nicht anrichten
Unter das Thema fällt auch Balsamico-Sirup. Mit dem pappsauren Essig-Dicksaft lassen sich Schlangenlinien, Karos und Spinnennetze auf jeden Teller zeichnen, bevorzugt sind es Dessertteller, egal ob sich das geschmacklich mit den Speisen darauf verträgt. Eine Deko, die das Essen verdirbt, ist wirklich das Allerletzte.
Die Wahrheit ist: Wer garniert, will nicht anrichten. Er hat weder Vertrauen in die Bestandteile seines Gerichts, noch will er sich Gedanken machen, wie sich daraus allein etwas appetitlich Anzusehendes zusammenstellen lässt. Dabei ist das nicht so schwer. Für den Anfang reicht es, sich zu bemühen, dass das, was aus der Pfanne kommt, gut aussieht – und den Tellerand freizulassen.
Aber ich fürchte, das wird ein frommer Wunsch bleiben. TGS ist bald zurück. Nicht nur wegen der Sprossen, die nun verteufelt werden. Der Ehec-Alarm dauerte einfach viel zu kurz, um Gewohnheiten zu brechen.
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