Was gibt es nun an Weihnachten?

Koch oder Gärtner Von wegen Arme-Leute-Essen: Buttermilch wird bürgerlich, sagt der Koch. Weil sie sich für Saucen, Marinade oder Dessert eignet, ist sie der Star seines Weihnachtsmenüs

Hummer, Wiener Würstel oder Wachteln? Karpfen gab es schon lange nicht mehr, Gans erst voriges Jahr? Fragen Sie sich auch, was es dieses Jahr an den Feier­tagen geben soll? Vor allem das Weihnachtsmenü an Heiligabend oder dem ersten Feiertag stellt einen regelmäßig vor eine ganze Reihe von Herausforderungen. Denn es soll allen schmecken und sie wohlig zufrieden machen, eine traditionelle Note wäre nicht schlecht, schließlich leben wir in Zeiten der neuen Bürgerlichkeit. Aber nur das Alte – wie der bekannte Sonntagsbraten mit Kartoffelstampf – das kann’s auch nicht sein. Etwas Besonderes sollte dann doch bitteschön auf den Tisch.

Es ist immer ein Dilemma. An Silvester hat man es da schon leichter, wenigstens mir geht das so, da kann man in der Küche besser die Sau raus lassen, in ein paar Stunden kommt ohnehin ein neues Jahr, und bis dahin ist auch noch Gelegenheit, die Erinnerung an ein nicht so gelungenes Essen zu vernebeln. Gibt ja auch noch Sekt. Doch, bei mir ist das so: Silvester-Menüs geraten mir in der Regel besser als die an Weihnachten.

Aber ich hätte da was für Sie und mich. Es ist allerdings keine Empfehlung für den idealen Weihnachtsvogel oder den im Schlaf gelingenden Braten, doch bei den Kategorien „regional“, „traditionell“, „bekömmlich“ und „ausgefallen“ können Sie jeweils ein Häkchen machen. Und auch bei „neue Bürgerlichkeit“. Nehmen Sie Buttermilch.

Dieses Getränk ist arg in Verruf geraten. Ganz zu Unrecht. Zugegeben, dieses Abfallprodukt der Butterherstellung ist so eine typische Angehörige altdeutscher Plumpsküche, der Nachkriegsernährung, und wird auch in der Literatur nur Arme-Leute-Essen genannt. Aber muss man es deshalb so schmähen, dass sich die Werbeindustrie nur damit be­helfen kann, die Buttermilch als Schön- und Schlankmacher zu vermarkten? Kein Fett, dafür alles Gute aus der Milch. Klingt nach einem Pausenriegel. Mir hat das dieses sämige, leicht saure und sehr erfrischende Getränk mal so richtig madig gemacht.

Die Skandinavier dagegen sind leidenschaftliche Buttermilchtrinker. Und auch in der Küche ist sie ein fester Bestandteil. In den Gerichten von René Redzepi etwa, dem Koch des „Noma“ in Kopenhagen, das in diesem Jahr vom Restaurant-Magazin zum besten Restaurant der Welt gewählt wurde, taucht sie immer wieder auf. Redzepi ist ein unbeirrbarer Vertreter regionaler Küche. Für sein Buttermilch-Ei oder den Buttermilch-Schnee bedient er sich zwar zum Teil der Techniken der so genannten Molekularküche, aber soweit muss man es nicht treiben, um der Buttermilch in der eigenen Küche zur Geltung zu verhelfen. Was ich dieses Jahr tun werde. Ich werde mein Weihnachtsmenü um die Buttermilch herumstricken, die Einsatzgebiete sind vielfältig. Die milde Säure und das feine Bitzeln passen zu Vorspeise wie Dessert.

Fangen wir jedoch beim Hauptgericht an. Denn auch als Grundlage einer Marinade eignet sich die Buttermilch. Bei zu lange abgehangenem Wildbret war das früher sogar die erste Wahl, um den strengen Hautgout zu mildern. Vor allem, wenn man das Fleisch einmal nicht mit Wein- oder Essigaromen überlagern will, passt sie. Ich werde ein ­Kaninchen einlegen. Und, natürlich, Buttermilch kommt später auch in die Sauce.

Bei der Vorspeise bin ich mir noch nicht ganz sicher: Vielleicht ein Meerrettich-Buttermilch-Gelee mit kleinen Würfeln von roter Beete darin oder nur als Vinaigrette zu einem Wirsing-Salat (der Kohl wird dafür kurz blanchiert). Nur das Dessert, das steht schon fest: Buttermilch-Panna-Cotta, da kann ich auf die Hälfte der Sahne verzichten und bekomme eine säuerlich leichte Note hinein. Ach, Weihnachten wird dieses Jahr eine richtige Motto-Show.

Nur für kurze Zeit!

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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