Was ist das Geheimnis einer klaren Suppe?

Koch oder Gärtner Einmal im Monat ist Suppentag, und das heißt nicht: Suppe essen. Sondern Suppe kochen. Unser Koch kennt drei Regeln für eine gute Hühnerbrühe

Einmal im Monat hole ich den großen Topf aus dem Schrank. Er fasst zehn Liter, also hat auch meine ganze Batterie an Plastikgefäßen und Vorratsdosen darin Platz. Mehr als ein Dutzend, die ich erst einmal ausräumen muss, bevor ich den Topf mit eiskaltem Wasser fülle und aufsetze. Die Gefäße kommen später auch zum Einsatz. Heute ist Suppentag.

Suppe zu kochen, ist eine der beschaulichsten Tätigkeiten, die ich kenne. Das Wort Kochen ist dabei fehl am Platz. Brühen kochen sich selbst. Was vom Koch verlangt wird, ist allerdings ein sorgendes Auge und von Zeit zu Zeit der Griff zum Schöpflöffel. Tatsächlich kann ich meinen Blick minutenlang in die leise vor sich hin wallende goldgelbe Flüssigkeit versenken, als wäre es ein Kaminfeuer. Wegen dieser Suppenandacht bin ich schon manchmal für verrückt erklärt worden. Umso lieber bin ich mit meiner Bouillon allein.

Aber Brühe, nur um der Brühe willen? Nein, Brühe ist die Grundlage meiner Alltagsküche: Risotti und asiatische Nudelsuppen – die mache ich oft. Sie dauern nicht viel länger als ein Fertiggericht. Mit ein wenig Übung kann man die Zubereitung auf 20 Minuten begrenzen. Und vor allem mit einer guten Bouillon. Außerdem finde ich ständig neue Einsatz-Möglichkeiten: Ein paar Spritzer Brühe veredeln jede Vinaigrette. Mit einem halben Glas lösche ich den Bratensatz in der Pfanne ab, das gibt dann schon eine anständige Sauce. Und da jeder Herbst meine Vorliebe für Schmorgerichte neu entfacht, merke ich schon, wie sich der Takt der Suppentage verkürzt.

Die Fett-, Salz- und Gemüseregeln

Hier sind meine drei goldenen Regeln für eine gute Hühnerbrühe, meine Basissuppe:
1. Ein fettes Huhn hat darin nichts verloren. Wir wollen schließlich Suppe zubereiten und nicht etwas, das an Babyöl erinnert. Als Geschmacksträger braucht man Fett zwar, aber ein Tröpfchen Öl kann eine Menge Aromen binden. Ich schaue deswegen nicht nur nach mageren Vögeln, sondern ziehe meinen Suppenhühnern auch die Haut ab. Das erspart einem, später das ganze Fett aus dem Topf schöpfen zu müssen.
2. Salzen kann man nie früh genug. Je später Sie salzen, um so flacher und vordergründiger schmeckt das Salz. Probieren Sie es aus. Ich salze das kalte Wasser gleich zu Beginn. Das hebt den Thrill. Denn, ja leider: Man versalzt sich so leichter.
3. Stellen Sie ihr Suppengemüse selbst zusammen. Es lohnt sich. Ich verwende schon lange nicht mehr das traurige Suppengemüse aus dem Supermarkt. Karotten braucht kein Mensch, die bringen nur so eine aufdringliche Süße in die Brühe. Die fruchtige Süße von Tomaten ist mir lieber, außerdem bekommt die Brühe dadurch eine viel schönere Farbe. Ich verwende zudem viel Lauch und Fenchel. Und falls Sie irgendwo noch Algen haben, etwa Nori- Blätter vom letzten Sushi-Versuch: Werfen sie die auch mit in den Topf. Ich verspreche tiefere Farben, volleren Geschmack.

Eine Brühe wird dann gut, wenn Fleisch und Gemüse auslaugen. Deswegen wird das Huhn mit eiskaltem Wasser aufgesetzt, gesalzen und langsam zu leisem Köcheln gebracht. Das darf ruhig dauern. Dann schöpfe ich ein paar Mal großzügig Schaum ab und werfe das grob gehackte Gemüse in den Topf. Der bleibt dann noch einmal zwei Stunden leise simmernd sich selbst überlassen.

Was, wenn die Suppe am Ende noch trübe ist? Jetzt gibt es drei Möglichkeiten: Sie können unheimlich viel Aufwand treiben, Klarheit herzustellen. Mit geschlagenem Eiweiß, das bindet Trübstoffe. Oder Sie seihen die Suppe durch ein Mulltuch. Oder aber es ist Ihnen egal. Das ist meine Methode. Ich lasse den Topf einfach stehen und kalt werden. Mit der Zeit sinkt das Trübe ab, und wer mit Bedacht vorgeht, kann eine wunderbar klare Flüssigkeit abschöpfen, ohne den grauen Schleim am Topfboden aufzuwirbeln.

Sechs Liter sind gerade fertig geworden. Es wird alles eingefroren. Jetzt muss ich die gefüllte Tupperware nur noch ins Tiefkühlfach bekommen. Das ist Stapelarbeit wie mit den vielen Koffern, die bei Urlaubsbeginn in den Kofferraum müssen. Ich habe da schon ein System, nur merken konnte ich es mir noch nie. Doch nach vier Stunden bei meiner Brühe bin ich immer gelassen wie ein Mönch. Es wird schon passen.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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