Was ist eine Mise-en-place?

Der Koch Wenn die Küche nach dem Kochen wie ein Schlachtfeld aussieht, hätte man das Gericht besser machen können, meint unser Koch. Lernen kann man beim chinesischen Kochen
Was ist eine Mise-en-place?

Illustration: otto

Was ist das, wenn man im Kühlschrank noch den besten Lardo findet – Speck, der eigentlich beim großen Essen am Wochenende in die Bohnen sollte (Ich hatte ihn sogar schon in kleine Würfel geschnitten)? Es ist ein Beispiel für grottenschlechte Organisation.

Es passiert mir immer wieder. So wie gestern. Das Essen war fertig, aber die Küche sah aus wie ein Schlachtfeld. In der Spüle balancierten die Töpfe aufeinander, dazwischen klemmten Sieb, ausgedrückte Zitronenhälften, Schäler und anderes Kochwerkzeug. Auf dem Herd schimmerte eine Lache von übergekochtem Nudelwasser. Und auf dem Schneidbrett war auch kein Platz mehr wegen der Petersilienreste, den Zwiebel- und Knoblauchschalen. Dazwischen konnte ich den Deckel der Essigflasche erkennen, den ich vor einer halben Stunde gesucht hatte. Weil ich da schon wie ein kopfloses Hühnchen um den Herd getanzt bin. Jetzt hielt ich Ausschau nach einem sauberen Kochlöffel, um mein Essen anzurichten. Sie vermuten richtig: In solchen Momenten verbergen sich die wichtigsten Geräte immer auf dem tiefsten Grund der Spüle.

Erstmal klar Schiff machen, ist der Impuls, der mich bei so einem Anblick erfasst. Wenn es aber wie gestern Nudeln gibt, führt das zu einem Dilemma. Nudeln werden bei mir nicht lau, warm oder halbkalt serviert. Wenn die Pasta dampfend heiß auf den Tisch kommt, dann kann, wer nicht bei Drei die Gabel in der Hand hat, auch Butterbrot essen. Diese Regel gilt als allererstes für den, der sie aufgestellt hat. Also nahm notgedrungen ich Platz. Ich muss sagen, es schmeck­te mir nicht wirklich.

Es ist nicht so, dass ich nicht zeigen will, dass Kochen auch Arbeit macht. Ich habe eine kleine, aber offene Küche. Da geht das kaum anders. Und wo gehobelt wird, da fallen eben Späne. Aber wenn die Küche so abartig aussieht, dann bin ich mir sicher: Dieses Gericht kann man besser machen. Weil: Du hast doch garantiert wieder den Speck im Kühlschrank vergessen.

Kochen nach Drehbuch

Es ist natürlich ganz einfach. Jedes gute Rezept bietet ein Drehbuch, wie ein Gericht gelingt. Man kann das interpretieren, aber ein Drehbuch sollte man sich trotzdem aufstellen. Erst einmal werden alle Zutaten vorbereitet, geputzt, geschnitten und in Stellung gebracht. Dann erst geht es ans Kochen. Mise-en-place nennen das die Köche, was Französisch ist und so viel heißt wie: Alles steht an seinem Platz.

Wie wichtig so eine Mise-en-place ist, habe ich beim chine­sischen Kochen gelernt. Kaum eine Zutat bleibt mehr als ein paar Minuten in dem rauchend heißen Wok, ständig muss gerührt werden, damit nichts verbrennt. Da hackt niemand mehr noch schnell zwischendrin Knoblauch. Chinesisch kocht man am besten mit Checkliste. Und mit einer Palette aus Schälchen, in denen griffbereit alle Zutaten liegen. Dieser Ordnungsdruck ist eines der Erfolgsgeheimnisse der Küche aus Fernost.

Eines sollte man dabei nicht vergessen. Das Rezept ist wichtig, noch besser ist, die ganze Küche als Mise-en-place zu begreifen. Das erspart einigen Stress. Nur ein Beispiel: Ich möchte das Salz und einiges mehr in meiner Küche blind greifen können. Deswegen räume ich nach dem Kochen selbst auf – auch gegen Widerstände. Nichts ist schlimmer als der Einzug – oft nett gemeinter – anderer Ordnungsprinzipien in der Küche. Etwa: Dass die Flasche Pernod sich im Wohnzimmer­regal doch viel schöner mache.

Wer mit Drehbuch arbeitet, kann viel werden am Herd. Er kann sich auch mindestens ein Gläschen Wein neben die Spüle stellen und einige Zeit mit viel Muße für sein Gericht verbringen. Und wenn am Ende der Lardo im Kühlschrank liegen bleibt – dann war diese Zutat garantiert total überflüssig.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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