Was zusammen wächst, kocht jetzt zusammen

Der Koch Bohnen mit Tomaten? Wer sein Gemüse selbst anbaut, bekommt seine Inspiration für die Küche schnell von der Natur selbst auferlegt
Ausgabe 33/2014
Was zusammen wächst, kocht jetzt zusammen

Illustration: der Freitag

Hat man einen Garten, übernimmt die Jahreszeit die Regie in der Küche. Die Tomaten sind reif, sogar ziemlich viele. Das ist in meiner ersten Saison als Gemüsegärtner das positivste Erlebnis. Mit Tomaten kann man so viel anstellen. Und was nicht vom Strauch direkt auf den Teller wandert, koche ich ein. Im Winter ein Glas Pizzatomaten aus eigener Ernte öffnen zu können – was für ein Luxus.

Gleich neben den Tomaten biegen sich die Bohnenranken unter ihrer Last. Ich kann mich noch an die zwei mickrigen Pflänzchen erinnern, die schon nach zwei Wochen über und über mit Blattläusen bevölkert waren. Und ich sah Ameisen und Marienkäfern zu, wie sie sich um die Läuse stritten. Doch meine kleinen biologischen Anschauungsobjekte sind trotzdem meterhoch in den Himmel geschossen. Drei Kilo Stangenbohnen habe ich schon gepflückt. Was tun? Ich bin pragmatisch: Es gibt jetzt Bohnen mit Tomaten.

Das ist eine Kombination, die mir bislang eher fremd war. In unseren Breiten ist sie wenig bekannt. Nördlich der Alpen ist Schweinebauch der beste Freund der Bohne. Denke ich an die grünen Stängel, kommt mir zuerst das Bild eines Bündels Prinzessbohnen in den Sinn, umwickelt mit einer dünnen Scheibe Speck, die traditionelle Beilage zu Lamm oder Roastbeef. Wer mit mir öfter auf Reisen ist, weiß, was ihn erwartet, wenn von „Hüttenessen“ die Rede ist. Seit Jahren gebe ich ausgelassene Speckwürfel zu Bohnen aus der Dose, außerdem einen üppigen Schlag Sauerrahm. Ohne diesen simplen Bohneneintopf und ein paar dampfende Kartoffeln auf dem Teller ist kein Winterurlaub perfekt. Am berühmtesten sind vielleicht aber Bohnen in der Kombination mit Speck und Birnen, der norddeutsche Klassiker. Aber Tomate? Das geht doch in eine andere Richtung.

Stelldichein von Bohnen und Tomaten

Aber als Gärtner bekommt man für Gemüse einen neuen Blick. Warum soll sich nicht ergänzen, was miteinander reif wird? Was auch ähnlich wächst. Und dieselbe Herkunft hat. Tomate und Bohne brauchen Stützen, sie müssen ranken. Und beide stammen aus Südamerika. Schon aus botanischer Sicht haben sie einiges gemeinsam.

Blättert man in Rezeptbüchern, dann stößt man in vielen Ecken der Welt auf ein Stelldichein von Bohnen und Tomaten. Aus heutiger Sicht könnte man sie alle als Verfeinerungen von Baked Beans ansehen. Aber diese Säule des englischen Frühstücks ist nur der kleinste gemeinsame Nenner: Chili con Carne in Mexiko, italienische Fagiolata, griechische Gigantes, das Cassoulet in Frankreich oder Varianten der portugiesisch-brasilianischen Feijoada. Nicht immer rein vegetarisch, aber hauptsächlich aus Tomaten und Bohnen bestehend und allemal besser als Bohnen aus der Dose. Ich vermute, es gibt viele Gärten weltweit, in denen Bohnen und Tomaten gleichzeitig reif sind.

„Es gibt wenig, was besser schmeckt als ein Gericht aus jungem, frisch geerntetem Gemüse“, hat die große englische Kochbuchautorin Jane Grigson einmal geschrieben. Ich stimme ihr voll zu. Und wenn dicke Bohnen passen, dann auch die grünen aus meinem Garten. Nicht nur als Bohnen in Tomatensauce, die übrigens auch gut zu Nudeln passt. Auch als Salat kann man die beiden Zutaten verbinden, mit Ei, Oliven und Kartoffeln wandelt er sich sogar zu einem Salade niçoise, ein echtes Hauptgericht. Was macht die Kombination aus? Bohnen und Tomaten stellen sich gegenseitig ins Licht, die grüne Bitterkeit auf der einen Seite und die säuerliche Süße auf der anderen kommen erst so richtig zum Tragen, wenn man die Gemüse vereint. Können Sie es schon schmecken?

Ich jedenfalls muss bald mal wieder Speck an die Bohnen ranlassen. Sonst, fürchte ich, bleibt mir keine Tomate mehr zum Einkochen.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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