Wie viele Gäste sollte man einladen?

Koch oder Gärtner Ein gutes Essen besteht aus mehr als Zutaten: Ob eine Einladung gelingt, hängt von der Auswahl der Gäste und ihrer Zahl ab, sagt unser Kolumnist – und nennt seine Formel

Immer wieder werde ich gefragt, wie viele Menschen am Tisch die beste Essensrunde abgeben? Eine ausgezeichnete Frage, eine gute Mahlzeit hängt tatsächlich von viel mehr Zutaten ab als denen, die auf dem Teller landen. Und sich darüber ein bisschen den Kopf zu zerbrechen, lohnt sich. Solche Fragen sind es, die den Koch zum Gastronomen machen.

Denn eine gelassene Atmosphäre ist von Vorteil, dass ein Essen zum Genuss wird. Es braucht dafür immer gute Begleiter, das richtige Licht, vielleicht etwas Tischschmuck, ganz sicher eine gute Flasche Wein, vor allem aber: ein angenehmes Gespräch. Wenn sich in ­einer Runde ständig alle gegenseitig das Wort aus dem Mund nehmen, passt schwerlich noch etwas zu Beißen zwischen die Zähne. Die haben an der Konversation genug zu kauen. Andererseits kann versammeltes Schweigen bei Tisch zwar auch ein Indiz dafür sein, dass es allen schmeckt. Der Schluss, dass man sich gegenseitig schon satthat, liegt aber näher. Mindestens erfordert das Essen in diesem Moment die ganze Konzentration der Gäste. Das mag bei Fischgängen angebracht sein, wegen der Gräten, oder beim Dessert, wenn kaum noch was in den Magen passt. Aber sonst? Ein gemeinsames Essen ist doch ein kulturelles Ereignis, stellen wir uns vor. Gepflegte Langeweile ist da fehl am Platz.

Die magische Zahl

Ob eine Einladung gelingt, dafür ist die Auswahl und Zubereitung des Menüs zwar wichtig, aber doch zweitrangig. Auf die Auswahl der Gäste und vor allem ihre Zahl kommt es an. Leider ist es nicht immer möglich, sechs Menschen zusammenzubringen, und natürlich, auch zu zweit, zu viert oder zehnt kann man angenehme Abende verbringen. Ich ziehe dafür allerdings meist Restaurants vor. Bei privaten Einladungen aber ist die Sechs eine magische Zahl.

Und das in verschiedener Hinsicht. Sechs Menschen zu bewirten, heißt für den Koch: Man kann in die Vollen greifen, gleichzeitig ist die Zahl der Gäste noch so überschaubar, dass die Vorbereitungen nicht in nervtötendes Einerlei ausarten. Spargel zu schälen offenbart sich beispielsweise noch nicht als Ausdauersportart. Gleichzeitig lohnt es sich, einen Liter Öl in den Topf zu gießen, weil man sich in den Kopf gesetzt hat, die Vorspeise, ein Carpaccio, mit frittierten Kapern zu garnieren (unter uns: Der Aufwand lohnt sich auch für Single-Teller, so delikat ist das Zeug).

Sitzt ein Sixpack zu Tisch, ist die Runde gerade noch klein genug, dass sich die Unterhaltung nicht aufspaltet, ist meine Er­fahrung. Nur bei runden Tischen kann man es wagen, noch mehr Gedecke aufzulegen. Gleichzeitig ist bei sechs Personen so eben die kritische Masse erreicht, dass in der Regel kein Themenmangel herrschen wird.

Ein Akt der Verbrüderung

Für den Koch sollte es außerdem ein Anliegen sein, mit seinem Essen nicht nur Gaumen und Magen zu befriedigen, sondern mit seinem Essen auch das Beisammensein anzuregen. Das Gegenteil davon erreicht man meist, wenn man seine Gäste überfordert. Ich muss zu meinem Leidwesen sagen: Das kann schon passieren, wenn man ohne Ankündigung Blutwursttaler auftischt. Ein Gang dagegen, bei dem alle die Finger benutzen müssen, lockert auch die steifste Runde auf. Ich bin überzeugt, das ist der eigentliche Grund, warum Krustentier noch immer einen festen Platz bei gehobenen Anlässen hat. Gemeinsam die Gabeln aus der Hand zu nehmen, ist ein Akt der Verbrüderung. Es müssen übrigens nicht immer Hummer oder Garnelen sein. Ein Teller mit knusprigen Hühnerbeinen hat denselben Effekt.

Nun kommt es nur noch auf die Zusammenstellung des Sextetts an. Das ist ein weites Feld, gewissermaßen Küchen­psychologie für Fortgeschrittene. Heben wir uns das lieber für ein anderes Mal auf.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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