Wie viele Kochbücher sollte man besitzen?

Koch oder Gärtner? Wer glaubt, er habe genug, lügt oder macht sich nichts aus Essen, sagt der Koch. Und er hat noch weitere wichtige Erkenntnisse zum Umgang mit Rezeptsammlungen

Doch, immer noch ist bei mir das neue Jahr die Zeit guter Vorsätze. Die einen nehmen sich vor, ein bisschen Diät zu halten, die anderen, anderweitig Ordnung in ihr Leben zu bringen. Ich auch. Ich habe die in der ganzen Wohnung verteilten Kochbücher eingesammelt und von A bis Z geordnet, oder besser: von Alfred Biolek (einfache Küche) bis Eileen Yin-Fei Lo (kantonesische Küche).

Es ist da einiges zusammengekommen, so um die 40 Bände, und man kommt vor so einem Konvolut doch zu einigen überraschenden Erkenntnissen:

1) Nicht erstaunlich, aber der Vollständigkeit halber: Du musst unbedingt ausmisten! Bücher mit Titeln wie Lust auf Pizza, 222 Rezeptideen für das ganze Jahr sind doch verzichtbar.

2) Kochbücher passen nicht in das normale Bücherregal! Sie tragen andere Gebrauchsspuren. Normale Lektüre bekommt schon mal ein Eselsohr ab, ein Paperback auch einen gebrochenen Rücken. Versteinerte Teigreste auf dem Einband sind dagegen selten, genauso wie vertrocknete Salbeiblätter als Lesezeichen oder Soßenflecken. Dass Backvergnügen wie noch nie nach ranziger Butter riecht, war mir nie aufgefallen, wunderte mich aber nicht. Meine Ausgabe von Jamie Olivers Naked Chef ist zudem nur noch ein gewelltes Etwas, sie ist mal in die Spüle gefallen. Macht sich nicht gut unter der Thomas-Mann-Werkausgabe oder neben der Comic-Sammlung.

3) Jamie Oliver bleibt! Zu viel Rezepte tragen handschriftliche Korrekturen und Anmerkungen. Hat eigentlich jemand Jamie schon mal gesagt, dass er viel zu viel Kräuter verwendet?

4) Kochbücher sind besser als Rezeptausdrucke aus dem Internet! Weil ich ständig vergesse, auf die Zettel meine Interpretationshinweise zu notieren. Zwischen zwei Buchrücken sind sie wie in Stein gemeißelt. Auch Anmerkungen wie „Geht’s noch, Herr Schuhbeck?“ (das Fleischpflanzerl-Rezept) würden auf einem herumfliegenden Blatt Papier nur saftlos wirken.

5) Manche Bücher habe ich nur wegen eines einzigen Rezepts! Was soll ich tun? Rausreißen und das übrige Gemüse wegwerfen? Andererseits: Schneller ­gelangt man nicht an Rezepte, die Bücher schlagen sich gewissermaßen von selbst auf. Und ob ich Doktor ­Faustus (die Thomas Mann-Werksausgabe) jemals wieder zur Hand nehme?

6) Food-Styling ist eine unmoralische Angelegenheit, die mit Essen nichts zu tun hat! Von den Büchern die ich nur wegen der Fotos gekauft habe, konnte ich mich daher leicht trennen. Und auch noch von einer ganzen Reihe anderer, aus denen ich noch nie gekocht habe. Konzept-Bücher mit Titeln wie Pfeffer Salz etwa. Kennt man ein Rezept, kennt man alle, eben viel Pfeffer. Mit Prominenten-Kochbüchern habe ich auch keine gute Erfahrung (Gut, außer Biolek).

7) Kochbücher von A bis Z ordnen zu wollen, ist eine dämliche Idee! Die Bände, die ich immer wieder brauche, meine Bibeln, stehen nun wieder in der Küche, große Änderungen gab es keine.

8) Auch Bücher lassen sich putzen!

9) Man kann nie die richtige Anzahl von Kochbüchern besitzen! Wer das Gegenteil behauptet, lügt entweder, ist borniert, macht sich eigentlich nichts aus Essen oder hat (was am erschreckendsten wäre) alles perfekt im Griff. Das wiederum ist glücklicherweise unwahrscheinlich.

Die richtige Antwort heißt: Es sind a) nie genug, weil es immer Neues zu entdecken gibt, an Rezepten und an Techniken. Und b) immer zu viele, weil einem wegen a) ständig Fehler unterlaufen. Diese Antwort stammt übrigens von dem Schriftsteller ­Julian Barnes. Und sie gilt nicht nur für Koch­literatur. Ich finde sie beruhigend. Ausgerechnet im Souterrain meines Hauses macht in ein paar Wochen ein Kochbuchladen auf.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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