Wofür eine Bierdose nützlich sein kann

Der Koch Welche Werkzeuge braucht man in der Küche? Es sind vor allem die einfachen Geräte, mit denen man ein Brathendl schön knusprig bekommt oder einen Fisch entschuppt
Ausgabe 39/2013
Wofür eine Bierdose nützlich sein kann

Illustration: Otto

Als Koch braucht man manchmal Spezialwerkzeug. Nicht viel, aber doch solche Gerätschaften, deren Nutzen am Herd nur wenige Menschen auf Anhieb erkennen würden. Auch ich habe solche Dinge in meinen Schubladen und, weil sie aus sich ein kleines Geheimnis machen und erst in meinen Händen ihre Funktion ganz entfalten, ein besonderes Verhältnis zu ihnen. Und ich meine jetzt nichts von der Art dieser Korkenzieher, die mit Druckluft betrieben werden und die man manchmal von Gastgebern gemeinsam mit einer Weinflasche in die Hand gedrückt bekommt, ganz kommentarlos, und nicht weiß, ob man sich im nächsten Moment erschießen wird.

Nein, ich meine zum Beispiel so einfache Dinge wie einen alten Holzlöffelstiel, auf dem mit einem Nagel ein Kronkorken befestigt ist. Zum Fischeschuppen gibt es nichts Besseres. Ein Paar der Latex-Handschuhe aus dem Sanitätshaus, ungepudert und im Hunderter-Pack, verhindern, dass man sich dabei verletzt. Wobei: Ich streife sie eher über, wenn ich scharfe Chilischoten hacke oder Rote Bete schneide. Die billige Lötlampe aus dem Baumarkt ist ideal, um den Zucker auf einer Crème brûlée zu flambieren – unter anderem. Und dann gehört zu meinem Sammelsurium noch eine leere Bierdose.

Wofür ich die brauche? Für ein Brathähnchen. Genauer gesagt für ein Wiesnhendl. Denn die Vögel, wie man sie auf dem Oktoberfest bekommt, das eben begonnen hat, setzen doch Maßstäbe. Für mich jedenfalls gehören sie neben gebrannten Mandeln zu den erinnernswertesten Wiesn-Erlebnissen. Hin- und hergerissen zu werden zwischen dem saftigen Fleisch innen und der knusprig gebratenen Haut außen: Das ist das Ziel. In der Hühnerbraterei gelingt das, weil die Hähnchen sich langsam auf dem Spieß drehen und nie lange der direkten Glut des Grills ausgesetzt sind.

Ein etwas ruppig behandeltes, totes Tier, eine Bierdose und ein zweistufiger Backprozess ergeben ein durchaus ebenbürtiges Ergebnis. Zuerst löst man die Haut. Dafür fährt man vorsichtig mit der Hand zwischen Fleisch und Hühnerhaut, übrigens wieder mal ein guter Einsatzort für Einmal-Handschuhe. Dann wird das Huhn gesalzen, mit der großen Öffnung über die Bierdose gestülpt und in den Ofen gestellt.

Das ist die erste Phase: Das Huhn wird nun bei 80 Grad Niedrigtemperatur mehrere Stunden gebraten. Wegen der Position auf der Dose können die Fleischsäfte gut abfließen und die Haut kann austrocknen. Die milde Hitze umfließt den Braten ideal von allen Seiten, das Fleisch gart im Inneren langsam und bleibt saftig. Es soll eine Kerntemperatur von 60 Grad erreichen. Das braucht mindestens drei, höchstens vier Stunden. Am besten lässt sich das mit einem Bratenthermometer kontrollieren. Keine Angst, wenn das Tier dann noch nicht ansehnlich aussieht. Es soll tatsächlich nur warm werden.

Denn in der zweiten Phase nimmt man das Hähnchen aus dem Ofen und heizt etwa 20 Minuten bis zur Höchsttemperatur ein. Der Braten kommt wieder ins Rohr, und nun ist Aufmerksamkeit gefragt. Denn man kann zusehen, wie die Haut sich goldgelb verfärbt und knusprig wird. Oder, wenn man nur einen Moment unachtsam ist, verbrennt.

Zu so einem Brathendl braucht es keinen Tropfen Soße, auch keine Kräuter. Es schmeckt pur, nur Kartoffel- und Gurkensalat kommen bei mir mit auf den Teller. Und ich finde, es lohnt sich sehr, dafür wenn auch relativ teure, aber nicht unappetitlich und fett gemästete Bio-Hähnchen zu kaufen. Bei dem Händler, von dem ich sie beziehe, stecken zwar manchmal noch ein paar Federkiele am Hals. Aber um die abzuflammen, habe ich die Lötlampe eben auch.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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