Wozu noch Bio?

Biofach Erstmals seit Jahren stagniert der Biomarkt. Grund sind die fallenden Preise. Dem Verbraucher mag die Billigheimerei gefallen, für die Branche ist sie brandgefährlich

Heute hat die weltgrößte Messe für bewusste, gesunde und politisch korrekte Ernährung wieder ihre Tore geöffnet, die Biofach in Nürnberg. Rund 2.500 internationale Aussteller zeigen hier und auf der gleichzeitig stattfindenden Vivaness, der Messe für Naturkosmetik, ihre neuesten Produkte. Damit hat die Nürnberger Messe der Größe des Angebots nach der Grünen Woche, die stolz den Titel "Weltgrößte Agrarschau" trägt, längst den Rang abgelaufen. Zwar erreichte die Berliner Messe in diesem Jahr 400.000 Besucher, sie ist im Unterschied zur Biofach auch eine Publikumsmesse, aber die Zahl der Aussteller war im Vergleich klein: "nur" 1.600. Wenn man einmal den Andrang in der schmalen Abteilung für Bio-Produkte auf der Grünen Woche erlebt hat, kommt man leicht auf die Idee: Würde die Biofach ihre Tore für Otto Normalverbraucher öffnen, sie könnte in Sachen Publikumsgunst der Berliner Schau leicht den Rang ablaufen. Bio ist nicht nur in, Bio ist Mainstream.

Die Branche macht sich aber trotzdem Sorgen. Nach glänzenden Wachstumszahlen in den Vorjahren stagniert der Markt. Obwohl der Absatz stieg, gingen die Umsätze insgesamt 2009 um ein Prozent zurück. Übersetzen lässt sich das nur so: Der erbitterte Preiskrieg der gesamten Lebensmittelbranche hat den Bio-Markt endgültig erfasst. Es ist ja auch beim täglichen Einkauf kaum noch zu übersehen: Bio ist flächendeckend in die Supermärkte eingezogen, der Preisabstand zu konventionellen Lebensmitteln nicht für alle, aber für viele Geldbeutel zu vernachlässigen. Bio ist allerorten, und genau darin steckt die Gefahr: die Selbstentwertung der eigenen Marke.

Das Etikett Bio stand einst nicht nur für Lebensmittel, die ohne Pestizide und frei von Chemie erzeugt wurden. Es stand auch für Nachhaltigkeit, artgerechte Zucht in einer natürlichen Umgebung, es verstand sich als Alternative zur Lebensmittelindustrie oder wurde wenigstens von vielen Verbrauchern so verstanden. Hinter Begriffe wie Nachhaltigkeit, Naturnähe, Industrieferne muss man inzwischen große Fragezeichen setzen - nicht nur, wenn in Obstauslagen Ende Januar Bio-Erdbeeren aus Spanien oder Übersee angeboten werden. Die Großen auf dem Markt sind längst dabei das Label abzunehmen. Das Schlimmste: Der Geschmack bleibt dabei auf der Strecke.

Die Frage drängt sich auf: Wozu noch Bio?

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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