Benzin im Blut

Das Auto Des Deutschen liebstes Stück - verbraucht es zuviel, dann ist der Sprit nur zu teuer!

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Herr Hengstberg schreibt unlängst in seinem Spiegel-Kommentar doch tatsächlich: ""Benzin ist noch viel zu billig". Derartige Töne in einem deutschen Massenmedium? Sowas vermutet man doch eher von Seiten grüner Globalisierungkritiker, die für ihrer Forderung nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen regelmäßig Hohn und Spott ernten.

Wie dem auch sei, endlich sagt es mal einer. Und geht dabei noch nicht weit genug. Herr Hengstberg sieht den Autofahrer als solches in der Pflicht, der solle doch bitte durch eine vorrausschauende Fahrweise Kraftstoff sparen. Der deutsche Autofahrer aber falle vielmehr durch Ampelstarts in getunten BMW's oder das allabendliche Posieren auf. Sicher gibt es eine abweichende Minderheit, die Hybrid fährt und sich aus all dem nichts macht. Aber wie erklärt man dem Großteil der Deutschen, dass ein Auto, und der benötigte Treibstoff, in erster Linie ein Fortbewegungsmittel ist? Für die meisten stolzen Besitzer ist das Auto doch vielmehr. Es ist in erster Linie ein Statussymbol, welches beim Nachbarn Eindruck macht und auf der Autobahn ganz links immer vorn dabei ist. Das Auto ist in Deutschland ideologisch aufgeladen wie kaum ein anderer Alltagsgegenstand. Und damit ist der Kern des Problems erreicht, den Herr Hengstmann nicht erwähnt.

Besonders im Internet wird deutlich, dass ein Vergleichstest zwischen einem BMW 3er und einem Audi A 4 das Konfliktpotenzial von einem Bundesligaspieg zwischen Schalke und Dortmund hat. Die Artikel werden mit Kommentaren überflutet, die sich auf möglichst brutales Bashing einer Marke konzentrieren. Von Treibstoffverbrauch will dort niemand etwas hören, denn ein VW Golf TDI ist schließlich ein charakterloses Spießerauto. Andererseits geht die Berichterstattung natürlich auch in die falsche Richtung. Wenn man in einer großen deutschen Autozeitschrift lesen muss, dass ein Hyundai Kleinwagen, welcher in 14 Sekunden auf 100 km/h beschleunigt, untermotorisiert sei, wird das Kirchturmdenken deutlich. Noch vor 15 jahren waren derartige Beschleunigungswerte für eine Mercedes E-Klasse ausreichend und behinderte bei weitem nicht den Verkehr.

Dies führt uns zum nächsten Punkt, den neuen Technologien. Hier wird einerseits das Prinzip "schneller, stärker, größer" verfolgt, andererseits aber werden immer neue Spritsparmaßnahmen eingeführt. Wer heute einen VW Passat voll ausstattet, der muss auf der Autobahn nicht mehr lenken, das regelt der Spurhalte-Assistent. Die Geschwindigkeit wird vom intelligenten Tempomat reguliert, der Schulterblick wird durch den Toter-Winkel-Warner obsolet. Dazu Navi, Lederausstattung und ein großes Panorama-Schiebedach - alles höchst angenehm, teuer, und vor allem schwer. Autos werden immer schwerer, durch Größenwachstum und neue elektronische Spielereien. Ein durchschnittlicher Opel Astra wiegt mehr als die besagte E-Klasse von 1996. So kann der Spritverbrauch nicht gesenkt werden.

Gegenmaßnahme der Hersteller: Spritspartechnik. Man versucht sich im Leichtbau, es werden Aluminium, Carbon und Kunststoff verwendet. Der Motor schaltet an der Ampel automatisch ab und im hochauflösenden Farbdisplay wird dem Fahrer eine Schaltempfehlung eingeblendet. Und das neue Zauberwort heißt "Downsizing", aber nur in Bezug auf den Hubraum der Motoren. Ein Motor mit 1,2 Liter Hubraum wird nun von einem Turbolader unterstützt und soll dabei schneller sein und weniger verbrauchen als ein vergleichbares 2,0 Liter Aggregat.

Alle Maßnahmen haben aber nur dann einen Effekt, wenn der Fahrer mitspielt. Ein Turbomotor hat durchaus Sparpotenzial bei gemäßgtem Tempo. Aber auf der Autobahn gilt nach wie vor das Sprichwort: "Turbo läuft, Turbo säuft". Maßgeblich für die Entwicklung dieser Turbo-Maschinen ist die Angst der Hersteller, EU-Vorgaben nicht zu erfüllen. Der Nutzen für Endverbraucher und Natur spielt dabei die geringere Rolle. Denn die Haltbarkeit der kleinen, aufgeladenen Motörchen ist äußerst fragwürdig. Die Technik ist gleichermaßen komplex und anfällig, Reparaturen dementsprechend kostspielig. Das vermeintliche Ziel Treibstoff zu sparen bedingt also einen höreren Verbrauch anderer Ressourcen? Was für eine Milchmädchenrechnung.

Zu guter letzt noch ein Blick auf die Verkehrssicherheit. Viele schwergewichtige, technologische Errungenschaften tragen natürlich zur Sicherheit der Fahrzeuge bei. Das nicht von der Hand zu weisen, immer weniger Verkehrstote belegen dies. Aber wäre es nicht ein erheblicher Sicherheitsgewinn, die Höchstgeschwindigkeit zu begrenzen, wie es überall auf der Welt gängige Praxis ist? Dies bietet zudem ein Spritspar-Potenzial, denn wer braucht dann noch einen 450 PS starken Kombi für die linke Spur?

Es fehlen also gesetzliche Rahmenbedingungen um die Hersteller dazu zu bewegen, endlich alltagstaugliche, ernsthafte Ideen zu entwickeln, die den Treibstoffverbrauch reduzieren. Genauso muss das Kraftfahrzeug entideologisiert werden, um ein Umdenken und einen Sparwillen der Nutzer zu erzeugen. Solange hier keine ernsthaften Bemühungen stattfinden, kann der Benzinpreis nicht hoch genug sein.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

JMBecker

Man sollte immer ein gewisses Understatement wahren.

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