Das Ende einer Ära

Transparenz Nur unter Druck sind Steuerparadiese zu Konzessionen bereit. Wie lange wird es sie noch geben? Autor David Brin prognostizierte 1989 die Abschaffung des Bankgeheimnisses

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Rückblickend werden die letzten Monate vielleicht einmal als Vorboten eines der größten Umbrüche der letzten 30 Jahre gewertet werden. Das Bankgeheimnis der Steueroasen bröckelt – durch Druck der USA und der EU kommen Staaten wie Luxemburg der Forderung nach Transparenz entgegen, private Geldinstitute wie beispielsweise in der Schweiz knicken ein. Steuerflüchtlinge, Potentaten und Kriminelle, die professionelle Hilfe zur Geldwäsche in Anspruch nehmen, können sich nicht mehr sicher sein: Längst sind Steuersünder-Cds eine heiß gehandelte Ware – und „Offshore-Leaks“ dürfte nicht der letzte große journalistische Coup sein. Die gesellschaftliche Akzeptanz für geheime Kontenführung schwindet.

Zukunftsvision

Dass das Bankgeheimnis eines der zentralen gesellschaftlichen Themen des beginnenden 21. Jahrhunderts sein würde, hat der SciFi-Autor David Brin bereits in seiner Erzählung „Erde“ angedeutet. In dem 1989 erschienenen, rund 1000 Seiten umfassenden Buch porträtiert der Physiker und Philosoph die Situation der Welt, wie er sie im Jahr 2038 vermutet – er porträtiert eine transparente Zukunft. Privatsphäre gilt in diesem fiktiven Jahr 2038 höchstens Jugendlichen als erstrebenswert, Öffentlichkeit und Transparenz sind hingegen allgegenwärtig.

Immer wieder lässt Brin Nebencharaktere auf einen – zugegeben abwegigen - „Helvetischen Krieg“ zurückblicken.

„Aber schließlich muss doch jede Generation ein Anliegen haben, nicht wahr?“, fuhr der Alte fort. „Unseres war, die Geheimhaltung zu bekämpfen.(...) Wir haben die Übel der Geheimnistuerei niedergeschlagen – von Nummernkonten und Insidergeschäften (…).“ (David Brin, Erde, S. 169)

Und auch fast 25 Jahre nach Erscheinen seiner Zukunftsvision, geht Brin in einem lesenswerten Blog-Beitrag davon aus, dass eine neue radikale Forderung einer globalen Mittelschicht das Ende des Bankgeheimnisses bedeuten könnte:

„(…) the new radicalism that may be demanded in the 2020s - especially by emerging middle classes in the developing world - is to give all people a chance to compete fairly, free from parasitism by their homegrown kleptocrats and from the rising global variety.“

Die globale Mittelschicht

Die Frage, ob es überhaupt so etwas wie eine globale Mittelschicht geben könne, beantwortet er wie folgt: Es gebe sie bereits – zwei Drittel der Menschheit verfügten über ein Zuhause mit Elektrizität und sanitären Anlagen, eine Waschmaschine, Transportmöglichkeiten und eingeschulte Kinder.

Brin befürwortet die vollkommene Transparenz aus einem liberalen Blickwinkel: Korruption und Betrug stören seiner Ansicht nach den freien Markt – und hindern den Kapitalismus daran, völlig effizient Wohlstand zu schaffen.

Diese Ansicht mag man nun teilen oder nicht. Bemerkenswert ist Brins Weitsicht schon. Und stimmen Nachforschungen des Tax Justice Network, wäre seine Forderung nach Aufhebung des Bankgeheimnisses auch mehr als erheblich: Etwa 10 bis 13 Billionen* 21 bis 32 Billionen US-Dollar sollen weltweit auf geheimen Konten schlummern.

*Die zuvor angegebene Zahl bezog sich auf eine aus 139 Ländern bestehende Auswahlgruppe.

Mehr zum Bankgeheimnis bei DRadio Wissen.

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