Hinreichender Verdacht

Korruption Die lange Geschichte eines bundesweiten Korruptionsregisters schreibt sich fort: Auch im nächsten Anlauf wird sich das Gesetz nicht durchsetzen können

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Die Sachverständigen waren sich am Freitag in Berlin einig: Das Korruptionsregister ist erforderlich. Es soll als schwarze Liste der öffentlichen Hand ermöglichen, bei der Vergabe von Aufträgen die Zuverlässigkeit von Bewerbern sorgsamer zu prüfen. Zu der Anhörung hatte der Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Technologie die Experten eingeladen. Einzig der Bund Deutscher Industrie (BDI) widersprach in der Runde: Das Register sei nur die zweitbeste Lösung – vielmehr sollten Transparenzpflichten ausgeweitet werden. Dieser Einwurf allein brächte das Projekt vermutlich aber nicht zu Fall.

Der Gesetzentwurf, den die Grünen Ende des Jahres auf den Weg gebracht haben, wird an der Frage scheitern: Reicht allein der Verdacht, um in die Liste aufgenommen zu werden? Die seit fast 20 Jahren andauernde Diskussion konzentriert sich auf die Aufnahmekriterien.

Unschuldsvermutung oder Prävention?

Während Transparency International sich gemeinsam mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund und dem Sachverständigen, Rechtsanwalt Fridhelm Marx, für frühzeitige Eintragungen ausspricht, hat der BDI Bedenken hinsichtlich der Unschuldsvermutung, die bei Union und FDP geteilt werden. Philipp Mißfelder (CDU) nannte bereits 2008 einen ähnlichen Vorstoß der Grünen abfällig „Denunziantengesetz“ und „Pranger“. Im Ausschuss fielen am Freitag ähnliche Begriffe, wenn auch in etwas milderem Kontext.

Dabei ist der aktuelle Entwurf für eine bundesweite Regelung sogar vorsichtiger formuliert als vergleichbare Landesgesetze. Während in NRW bereits spätestens die Anklageerhebung für eine Listung ausreicht, wäre - laut der Vorlage für den Bund - erst die richterliche Feststellung eines dringenden Tatverdachts meldepflichtig.

Keine automatische Listung

Indem sie betonen, ein „dringender Tatverdacht“ oder ein „vorliegendes Geständnis“ seien für eine Aufnahme ins Register notwendig, sind Ströbele und Grüne in ihrem Entwurf den anderen Fraktionen zumindest formal entgegengekommen. Zumal, das strich Transparency-Sprecher Christian Lantermann bei der Anhörung heraus, die Eintragung nicht automatisch erfolge, sondern eine Ermessensentscheidung mit vorhergehender Anhörung sei. Das alles wird allerdings nicht reichen, um die Koalitionsparteien zu überzeugen.

An prominenter Stelle hat sich Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner, der in der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität einige Bekanntheit erlangt hat und immer wieder für ein Register plädiert, bereits zu den Aufnahmekriterien geäußert: in einer Anhörung zum Gesetzesentwurf in einem Ausschuss des Landtags in Hessen. Dort stellte er fest, „als hinreichender Nachweis des jeweiligen Rechtsverstoßes sollten (...) nur Urteile, Strafbefehle und rechtskräftige Bußgeldbescheide gelten“. Die wirtschaftlichen Folgen einer unberechtigten Eintragung stünden einer „niedrigschwelligeren Nachweisführung“ entgegen.

Korruptionsregister in der Warteschleife

Diese verfassungsrechtlichen Bedenken werden auch den durch neuen Entwurf und die Anhörung am Freitag nicht ausgehebelt. Unwahrscheinlich, dass FDP und Union das anders sehen. Der Vorstoß der Grünenfraktion scheint also eher eine Taktik im Wahljahr zu sein, da der Entwurf auch in der neuen Version für beide Fraktionen nicht zustimmungsfähig sein wird. Die Begeisterung für derlei Projekte hält sich dort ohnehin in engen Grenzen.

Abseits des Gesetzesentwurfes der Grünen hat auch die SPD ein Anti-Korruptions-Paket inklusive eines Registers im Fall eines Wahlsiegs angekündigt. Mangels einer Initiative der Bundesregierung wird ein Korruptionsregister also frühestens nach der Bundestagswahl wahrscheinlich.

Wirtschaftskriminalität

verursachte 2011 Schaden in Höhe von etwa 4,1 Milliarden Euro. (BKA, Bundeslagebild Wirtschaftkriminalität 2011)

Das Korruptionsregister

ist seit etwa 1995 geplant.

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