Zum festen Inventar des Wiener Tatorts gehört der von Simon Schwarz anrührend dargestellte „Inkasso-Heinzi“, als mäßig erfolgreicher Ganove aus der Rotlichtszene ein tragikomischer Sympathieträger par excellence. Und in einem anderen Soziotop nicht denkbar. Als Luden von der Hamburger Reeperbahn mag man sich den armen Heinzi kaum vorstellen, in Wien findet er sein Auskommen. Zumindest in der Sonntagabendunterhaltung. Die Realität sieht anders aus.
So ist die Geschichte vom echten Roten Heinzi durchaus spannend, aber nicht sehr romantisch. Heinz Bachheimer, 1939 als Sohn eines Fiakers geboren, hatte rote Haare, daher der Spitzname, und einen untrüglichen Geschäftssinn. Schon früh war ihm klar, dass die Revierkämpfe im Milieu ein Ende haben mussten. Der gelernte Anstreicher dachte kaufmännisch und gründete mit dem „Wiener Kreis“ ein straff geführtes, zeitweise sehr erfolgreiches Unternehmen der organisierten Kriminalität. Dass er letztendlich doch vor Gericht landete, war dem Zufall geschuldet. Wegen „Erpressung, Hehlerei, Urkundenfälschung und Vergehen gegen das Waffengesetz“ angeklagt, bekam Bachheimer 30 Monate Gefängnis und ließ von da an die Finger von illegalen Aktivitäten. Als er mit 76 Jahren Selbstmord beging, lebte er in einer Villa und sammelte antike Kunst. Zu seiner Bestattung kam Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur.
Gauner, Strizzis und Hallodris lautet der Untertitel von Beppo Beyerls lesenswertem Plauder-Kompendium Die bösen Buben von Wien, und man fragt sich, in welche dieser liebenswert klingenden Kategorien ein ausgemachter Gangster wie Heinz Bachheimer gehört. Beppo Beyerl weiß um Einordnungsfragen dieser Art, entscheidet sich aber dafür, sie offen zu lassen. Im Zweifel zählt der Unterhaltungswert der Biografie. Den bietet das Buch reichlich.
Lauter Strizzis mit Ideen
Den Auftakt macht der 1734 im heutigen Bratislava geborene Erfinder und Trickbetrüger Wolfgang von Kempelen, dessen „Schachautomat“ bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein für Aufsehen sorgte. Eine frühe Künstliche Intelligenz wurde hinter der Maschine, die selbst Meister des Brettspiels besiegte, vermutet, doch wahrscheinlich steckte in dem Wunderkasten ein sehr kleiner Mensch, der über ein raffiniertes mechanisches System seine Figuren dirigierte. Wie genau der Betrug funktionierte, ist bis heute ein Rätsel. Seinem Erfinder jedenfalls konnte man nichts nachweisen. Er verstarb 1804 als geachteter Staatsbeamter. Ganz anders als der gebürtige Luxemburger Peter Ritter von Bohr (1773 – 1846), hochgeachteter Mitbegründer einer Bank und der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, dem seine Geldgier zum Verhängnis wurde. Zuerst erfand er eine Maschine, mit der man Banknoten fälschungssicher machen konnte, nutzte dann aber seine Expertise, um die Scheine selber herzustellen, wurde ertappt und starb schließlich im Zuchthaus.
Und so geht es weiter in der Schurkengalerie des 1955 in Wien-Hadersdorf geborenen Schriftstellers Beppo Beyerl. Die geschilderten Delikte reichen von Hochstapelei und Lotteriebetrug bis zu Totschlag und Raubmord, wobei es manchmal schwerfällt, den Straftatbestand zu erkennen. Der Börsenspekulant und Kunstmäzen Camillo Castiglioni (1879 – 1957) beispielsweise jonglierte legal, aber auf so atemberaubende Weise mit Unternehmen und Beteiligungen, dass es dem Autor Respekt abnötigt.
Auffällig ist, wie gut zahlreiche der siebzehn porträtierten „bösen Buben“ in unsere Gegenwart passen würden. Ein Wiedergänger des berüchtigten Zeitungsverlegers Imrè Bekessy (1887 – 1951) wäre gewiss auch im Digitalzeitalter erfolgreich. Und von Selbstverstümmelung zum Zwecke des Versicherungsbetrugs, wie sie 1925 der vielseitig begabte Tunichtgut Emil Marek praktizierte, liest man gelegentlich auf den bunten Seiten der Tagespresse. Eines moralischen Urteils über seine Bösewichte enthält sich der Autor. „Schlicht und einfach Geschichten erzählen“ habe er wollen, „skurrile, eigenartige und unglaubliche Geschichten“. Und das ist ihm gelungen.
Die bösen Buben von Wien. Gauner, Strizzis und Hallodris Beppo Beyerl Styria Verlag 2022, 240 S., 25 €
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