24.04.10 Menschen- Ketten- Aktion gegen AKW- Meiler

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24.04.10 Menschen- Ketten- Aktion gegen AKW- Meiler

Werden Verbraucher in atomaren Ablasshandel gezwungen

Finanzieren Verbraucher Entsorgung von atomarem Raketenschrott?

Herr Schmidt!, wie schaffen Sie diesen atomaren Spagat?

(ein fiktiv geführtes Gespräch mit Helmut Schmidt)

Lieber Herr Schmidt,

kürzlich sollen Sie sich in der American Academy in Berlin mit ehemaligen Spitzenpolitikern getroffen haben, um eine Welt ohne Atomwaffen zu fordern. Stimmt das? und wenn ja, warum war keine Frau dabei. Sind Männer eher gegen Atomwaffen als Frauen?

Das stimmt!

Wir waren acht Männer, vier Amerikaner, vier Deutsche, Henry Kissinger, Sam Nunn, William Perry, ein Verwandter von Perry Rodan, George Shultz, Richard von Weizsäcker, , Hans- Dietrich Genscher, Egon Bahr und ich.

Eine Frau war nicht dabei.

Das verstehe ich nicht, Herr Schmidt.

Warum war keine Frau dabei?

Da sollten Sie lieber meine Frau Loki fragen.

Aber soviel kann ich schon einmal sagen, die Behauptung, Männer seien eher gegen Atomwaffen als Frauen ist ein ausgemachter Unfug?

Ihr Appell für eine Welt ohne Atomwaffen, wie diese US- Präsident Barack Hussein Obama nicht nur während seines Wahlkampfs um die US- Präsidentschaft im Jahre 2008 gefordert, sondern auch auf der Sicherheitskonferenz in München durch US- Außenministerin Hillary Clinton fordern ließ, stimmt hoffnungsfroh.

Das ist wenigstens, wenn auch sehr spät, ein Anfang.

Die Atomstaaten haben sich durch die Bank nicht an ihre Versprechen der Nichtverbreitung, der Nicht- Aufrüstung von Atomwaffen, gemäß dem Atomwaffensperrvertrag von 1957- 1970, gehalten

Als Erfinder der Raketenlücke in Mitteleuropa, die Sie

"Raketenauge sei wachsam!",

angesichts des Vorhabens der UdSSR, Mittelstrecken- Raketen des Typs SS20/SS 22 an der Demarkationslinie zwischen dem Ost- und Westblock des Kalten Krieges auf dem Hoheitsgebiet der damaligen DDR ab 1979 zu stationieren, entdeckt haben, gelten Sie ja nach wie vor als Oberster Welt- Kommandowirtschaftler im vernehmlich vornehmlichen Hintergrund, der der Weltwirtschaft immer wieder zu zeigen weiß, wo der Hammer, wo die atomare Sichel hängt.

Vielleicht findet Loki das jetzt gar nicht gut, aber irgendwie fühle ich mich als Oberster Welt- Kommandowirtschaftler im diskreten Hintergrund durchaus in diesem Moment schmeichelhaft erkannt und beschrieben.

Ich war lebenslang eher gegen das Jammern und Picheln, mehr für das Hämmern und Sicheln, wenn es um das asymmetrische Verhältnis der Währung "Friedensware" und der Währung Preistreibender Rüstungsgüter, Waffensysteme während des Kalten Krieges und danach ging.

Gleichzeitig haben Sie in der "Münchner Runde" des bayrischen Fernsehens derersten März Woche in einem Vier- Augen Gespräch mit Siegmund Gottlieb Ihr unverbrüchliches Bekenntnis zu der so genannten friedlichen Nutzung der Atomenergie bekundet.

Dabei ahnt doch jeder, spätestens seit der Internationalen Iran- Debatte um die Frage der Aufbereitung von waffenfähigem Atom- Material im Wege des Aufbaus von Atomkraftwerks- Milern, dass die friedliche und militärische Nutzung der Kernenergie nicht nur, Hand in Hand, verzahnt gehen, sondern die Atom- Strom Verbraucher/innen blind, die Verbreitung und modernisierte Aufrüstung im Bereich der Atom- Raketen- Waffensysteme finanzieren?

Werden hier normale Strom- Verbraucher/innen blind über Gebührenin einen Ablasshandel der Atomindustrie als Wette auf eine verstrahlt strahlende Zukunft getrieben?

Herr Schmidt!, wie schaffen Sie diesen atomaren Spagat der Trennung der wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Wirkung von militärischer und friedlicher Anwendung der Atomkraft?

Herr Schmidt, ich verstehe Sie da nicht?

Was Sie da fragen, ist von vorne bis hinten dummes Zeug.

Das dumme Zeug verstehe ich nicht.

Habe ich mir gedacht.

Ein politischer Spagat, insbesondere der atomare Spagat, fällt ja nicht so mir nichts, dir nichts, vom Himmel.

Der politische Spagat braucht lebenslang den ganzen Mann und das täglich.

Warum glauben Sie wohl, befinde ich mich nunmehr im vorgerückten Alter der Fülle meiner jugendlichen über neunzig Jahre als Politiker und Publizist?

Warum?

Weil ich mich unverdrossen vielerlei Anstrengungen zu politischen Spagaten unterzogen habe.

Das fing schon bei den Vorbereitungen zum Godesberger Programm 1959 an.

Setzte sich für mich als Hamburger Innensenator beim blanken Hans der großen Elbe Tide- Flut im Februar des Jahres 1962 fort.

Fragen Sie Egon Bahr, der weiß wovon ich nicht rede, worum es mir bei dem atomaren Spagat geht.

Es geht um die strukturelle Nichtangriffsfähigkeit, die durch eine globale Verbreitung der Aufstellung von AKWs als Implantat der Verletzbarkeit in der Nähe von Ballungsgebieten gewährleistet wird.

Es geht folglich bei der Kernenergie im friedlichen Nutzungsbereich gar nicht um die Energieversorgung, sondern um eine Sicherheitsdoktrin, die uns seit Jahrzehnten in Europa, inklusive Russland, Nordamerika, Australien, Arktis, Antarktis den Frieden gesichert hat.

Der Wandel vom Krieg zum Frieden wurde über den Kalten Krieg als Weg durch die Annäherung zur Atomindustrie vollzogen.

Basta!, wenn ich das einmal unverblümt dahin geschrödert sagen darf.

Herr Schmidt!, wie schaffen Sie diesen atomaren Spagat nur?

Das ist für mich nachwievor ein Rätsel.

Meinen Sie den Atomstaat als Sicherheitsdoktrin, wie diesen Robert Jungk u. a. in seinem gleichnamigen Buch als gesellschaftliche "Gefahrenlage" und bereits vorhandene Realität an die Wand geschrieben hat?

Nein!, den Atomstaat meine ich nun gerade nicht.

Um den Atomstaat zu verhindern, ohne auf die friedliche Nutzung der Kernenergie als globale Sicherheitsdoktrin verzichten zu müssen, setze ich mich mit den anderen genannten sieben Herren für eine weltweite Abrüstung der Atomwaffen bis hin zu einer atomwaffenfreien Welt ein.

Herr Schmidt!, Ihren atomaren Spagat verstehe ich nicht.

Das klingt ja sehr nach Visionen.

Oder ist dieses plötzliche Streben nach einer atomwaffenfreien Welt eher als Selbstanzeige von acht alten Herren zu werten,die spät ihrem Gewissen folgend, sich selber vorwerfen, nicht genug für die Durchsetzung des Atomwaffensperrvertrages von 1970 gegenüber den Atomstaaten unternommen zu haben?

Von Plötzlichkeit kann zumindest bei mir keine Rede sein.

Das Gefühl, dass wir, die atomaren Habenichte nicht fordernd genug gegenüber den Atomstaaten aufgetreten sind, hat mich schon seit dem Entwurf des Atomwaffensperrvertrages 1957 umgetrieben.

Gegen Visionen habe ich grundsätzlich gar nichts einzuwenden, wenn diese dabei helfen, den Deutschen eine merkwürdige Angst vor der Nutzung der Kernenergie zu nehmen.

Wie meinen Sie das?

Herr Schmidt!, als Germanen- Flüsterer sagen Sie aber auch manchmal Sachen.

Ha! Ha! "Germaneflüsterer"! Hm! Hm!,

da will ich Ihnen gerne antworten, ohne Ihnen zu widersprechen:

"Die Deutschen sind, aufgrund der Ereignisse und den Folgen der beiden Weltkriege, voran der industriellen Massenvernichtung von 6 Millionen Juden in Ausschwitz und anderswo, ängstlicher als andere Völker und deshalb auch ängstlicher, wenn es um ein freies und offenes Bekenntnis zur Kernenergie geht.

Den Begriff "Waldsterben", der vom Inhalt her anderen Ländern völlig unbekannt ist, haben übrigens wir Deutschen erfunden."

Herr Schmidt!, so verstehen Sie mich doch!

An andere Stelle sagen Sie:

"Ich habe kein Verständnis mehr dafür, dass die Angst der Friedenbewegten von einst, heute vor Atomwaffen nun gegen Null gesunken ist".

Die Leute von der Friedensbewegung haben doch auf ihren Demonstrationen gegen den Nato- Doppelbeschluss von 1979- 83 Parolen gebrüllt wie:

"lieber rot als tot!", um vor den atomaren Waffensystemen des Warschauer Paktes zu kapitulieren.

Aber Herr Schmidt, erkennen Sie vor lauter politischen Spagat- Bäumen den Spagat- Wald nicht mehr?

Die Parole "lieber rot als tot!" stellt doch eine fundamentalistische Kränkung der Ideen des real- existierenden Sozialismus dar.

Muss ich mir diese Ironie von Ihnen anhören? Nein!

Lieber Herr Schmidt, das müssen Sie selbstverständlich nicht.

Habe ich doch schon müssen, Sie Schelm!

Schon bin ich bei der nächsten Frage, der Frage nach einem Endlager für atomare Brennstoffe, inklusive des zu entsorgenden waffenfähigen Materials radioaktiver Atomwaffen. Warten wir deshalb bisher vergeblich auf eine atomwaffenfreie Welt, weil es, gleichermaßen für die friedliche wie militärische Nutzung von Kernmaterial an sicheren Endlagern atomaren Matererial, radioaktiven Schrott fehlt?

Sie und die anderen sieben Herren spitzen jetzt die Lippen für eine atomwaffenfreie Welt, ohne auf den Komplex Endlager, die durch Zwischenlager zusätzlich heraufbeschworenen terroristischen Gefahrenlagen auch nur andeutungsweise hinzuwesen.

Herr Schmidt, wie geht das “auf eine Zigarette“ zusammen?

Sollen die Verbraucher/innen von direktem und verstecktem Atomstrom nicht nur die Endlagerung von friedlich genutzten Kern- Brennstoffen über ihre Strom- Gebühren finanzieren, sondern unauffällig auch die Entsorgung des militärisch genutzten Kern- Materials, das in Endlagern nicht als als atomarer Waffenschrott deklariert wird?

Wird in den Verteidigungs- und Rüstungshaushalten der betreffenden Staaten überhaupt der Titel

"Rückstellungen" für Entsorgung von radioaktiv militärischem Waffen- Schrott ausgewiesen?

So ist das nun einmal im Leben der Völker, wie daheim.

Das Eine , was man will, das andere, was man muss.

Zu meiner Zeit als Bundesverteidigungsminister, Superminister(Finanzen und Wirtschaft), als Bundeskanzler gab es einen solchen Haushaltstitel im Etat ders Bundesverteidigungsministeriums nicht.

Wie das heute gehandhabt wird, entzieht sich meiner Kenntnis.

Ist das jetzt ein volles Eingeständnis Ihres atomaren Spagats?

Ein Eingeständnis wohl, aber kein volles!

Das ist für heute "auf einen Ketten rauchend politischen Spagat" mein letztes Wort.

Vielen Dank Herr Schmidt!, das war ja ein beachtlich atomarer Spagat einer historischen Brisen Entsorgungs- Krise.


das fiktive Gespräch führte Joachim Petrick

Hinweis:

24.04.10, zwei Tage vor dem 26. Jahrestages des AKW- GAU von Tschernobyl, Menschen- Ketten- Aktion gegen AKW- Meiler, vom AKW- Krümmel über Hamburg bis zu denAKWs Brokdorf,Brunsbüttel.


Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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