27/7/1953, 60 Jahre Waffenstillstand/Korea

38. Breitengrad Es war der 27. Juli 1953, als der Koreakrieg mit einem Waffenstillstand am 38. Breitengrad zwischen Nord- und Süd- Korea endete, ohne zu einem Friedensvertrag zu führen

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Heute jährt sich zum sechzigsten Mal der Jahrestag des Waffenstillstandes des Koreakrieges vom 27. Juli 1953

Kleine Veränderungen und Hoffnung auf Öffnung schienen sich nach der Machtübergabe an Kim Jong-un abzuzeichnen.

Die bange Frage bleibt, gibt es nach sechzig Jahren Teilung Koreas in eine Republik Korea im Süden und Demokratische Republik Korea im Norden?

überhaupt noch Reste von mentaler Übereinstimmung?

Wir haben gerade eine 33- jährige Südkoreanerin zu Besuch, die ausdrücklich betont, die Frage der Einheit Koreas sei für sie und viele Altersgenossen nicht wirklich ein Thema, zumal da sie keine Verwandten in Nord Korea habe

Aus der Ferne klingen da mit abgemildert deutschem Pathos andere Töne an, wenn der Leiter des für die beiden koreanischen Staaten zuständigen Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung, Lars-André Richter, in einem Deutschlandradio Kultur Interview vom 26.07. 2013 betont:

„Trotz der langen Teilung existiere in Süd und Nord eine "gemeinsame Prägung" und "eine gemeinsame Sehnsucht".

Dabei ist mit Prägung weniger eine nationalstaatliche, denn eine durch den Konfuzianismus in Gesamt- Korea und im asiatischen Raum gemeint

Kleine Schritte der Veränderung und bescheidenen Wohlstand macht der Leiter des für die beiden koreanischen Staaten zuständigen Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung, Lars-André Richter, in Nordkorea aus.

Es war der 27. Juli 1953, als der 950 von Nord- Korea begonnen verheerende Krieg mit einem Waffenstillstand, mit dem 38. Breitengrad als Demarkationslinie, zwischen Nord- und Süd- Korea endete, ohne bis heute zu einem Friedensvertrag zu führen

Korea blieb mit der Demakartionslinie des 38. Breitengrades bis zur Gegenwart geteilt und hat keinerlei Aussicht auf ein deutsches Berliner Mauerfall Wunder vom 9. November 1989, oder vielleicht doch?

Korea ist, anders als Deutschland, nach 1945 keine Täter- , sondern historisch in vielerlei Hinsicht eine Opfernation, die jahrhundertelang unter ihren mächtigen Nachbarn China im Westen, Japan im Osten, zuletzt von 1910- 1945, als wechselnde Besatzungsgewalt litt.

Korea ist, unter dem Diktat des Kalten Krieges, erst richtig zu einem geteilten Land geworden und geblieben.

In den Jahren des Krieges, der von Nord- Korea als Angriffskrieg gegen den Süden des Landes begonnen wurde und durch die unerwartete Stimmenthaltung der UdSSR in der UNO zu einem UNO- Mandat für die US- Army führte, wurde mit brutal verheerender Härte der Militärpolitik der „Verbrannten Erde“ gegen die Zivilbevölkerung und Infrastruktur in ganz Korea geführt.

Das Ergebnis war die vollständige Vernichtung der von der japanischen Besatzungsmacht mit koreanischen Arbeitskräften bis 1945 insbesondere im Norden Koreas aufgebauten Verkehrsinfrastruktur, Strom, Wasserkraft, Stauseen, Industrie (Petro-Chemie, Pharma-, Stahlhütten- u. a Bereiche) durch die Fliegenden Festungen der B- 52 Bomberpulks der US- Air Force in großen Höhen.

Auf Korea fielen auf völkerrechtswidrig menschenverachtende Weise zig-fach mehr Bomben als auf das Gebiet des Deutschen Reiches im gesamten Zweiten Weltkrieg

Inzwischen ist binnen 60 Jahren in Süd- Korea, das sich erst im Jahre 1987 aus einer Militärherrschaft zu einer parlamentarischen Demokratie gewandelt hat, eine global wettbewerbsfähige Industrie und Wirtschaft entstanden, die in etlichen Bereichen mit Globalplayern wie Samsung, Hyundai u. a. ganz vorne mitspielt und Maßstäbe setzt

Vor diesem Hintergrund liegt die Frage nahe, welche Perspektive Korea als Nation heute im Bewusstsein seiner Bürger/innen in Nord und Süd hat?

Während Deutschland eine relativ kurze Nationalgeschichte hatte, als es nach dem Zweiten Weltkrieg geteilt wurde, sieht die historische Situation in Korea ganz anders aus.

Gibt es überhaupt so etwas wie eine Vorstellung von Nation für die Koreaner/innen?

Was in Westdeutschland von 1949- 1989 der gesellschaftspolitisch umstrittenen der Alleinvertretungsanspruch bis zur haltlosen Hallstein Doktrin war, ist in Nord- Korea das Eigenständigkeitsprinzip, das letztlich auf dem Konfuzianismus beruht.

Der Konfuzianismus gilt in weiten Teilen Asiens, voran in Korea als Philosophie und nicht als Religion, als eine Staatsphilosophie, in der Bildung einen hohen Stellenwert einnimmt, in der Unterordnung, Pflichterfüllung eine sozial und ökonomisch prägende Bedeutung innewohnt.

Dieses Eigenständigkeitsprinzip Im Norden ist eine Ideologie, die als Juche-Ideologie, allen Koreanern in Nord und Süd gleichermaßen ein Begriff ist

In Korea kann eher von einem mental- kulturellen Identitätsempfinden, denn von einer gesellschaftspolitisch fassbaren Identität als Nation die Rede sein.

Nach Einschätzung unseres jungen Gastes aus Süd- Korea verblasst selbst dieses Identitätsempfinden je jünger die Menschen sind.

Die Scham in Deutschland nach den Jahren der staatlich administrierten Verbrechen im deutschen Namen von 1933- 45 ab 1939 in vielen Ländern Europas schien geradezu Garant als verbrieftes Handicap gegen jedwede Art von Wiedervereinigung und erwies sich letztendlich womöglich, wie für Israel der Holocaust im umgekehrten Sinne, auf dem Weg zur Wiederherstellung der Einheit der Nation und Europas als identitätsstiftend.

Nicht wenige meinten über das Wendejahr 1989/90 hinaus in Deutschland, darunter Günter Grass, die Teilung Deutschlands sei die Last, die die Deutschen auf alle Zeiten für die Verbrechen, die im Namen des Deutschen Volkes an der eigenen Bevölkerung, an den Völkern Europas begangen wurden, klaglos zu tragen sei.

Da es auf der koreanischen Halbinsel solche Art politisch- moralische Debatten, Auf- und Umbrüche gar nicht geben kann, weil dort Schuldfragen an sich selber und vor allem an Japan, China, die USA ganz anders liegen und von Vereinigungsprozessen, wie in Europa, bisher kein Ansatz erkennbar ist, bleiben viele Unwägbarkeiten, die zu diplomatischen Überraschungsergebnissen aber auch zu ungeahnten Rückschlägen in einem langen Prozess der Friedensentwicklung in der Gesamtregion führen können

Korea ist in seiner historischen Lage und Entwicklung eher mit Polen, denn mit Deutschland zu vergleiche.

Polen war, mehr oder weniger, wie Korea noch heute, über Jahrhunderte Spielball, strategische Manövriermasse mächtiger Nachbarstaaten, Russlands, erst des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation bis 1806, dabei bereits ab dem 18 Jahrhundert des Königreich Preußens, dann des Deutschen Reiches ab 1871, der Weimarer Republik und des Dritten Reiches.

Den Polen ging es bei ihrem Behauptungskampf vor allem um Selbstvergewisserung als Nation im Bunde mit anderen Nationen auf Augenhöhe, denn von fassbarer Identität als Nation konnte im Sinne einer entwickelten Zivilgesellschaft lange keine Rede sein..

Vielleicht geht es den Menschen in Korea in Nord wie Süd ebenso wie den Polen.

Da bleibt die Frage, in welchen Bund mit anderen Nationen in der Region werden die Koreaner in Nord und Süd unter einem Dach streben?,

wenn ja, welche globalen Bündnisse können ihnen dabei, beratend und unterstützend, zur Seite stehen?

JP

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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