Albert Camus und „Der Fall Meursault“,

Kamel Daoud/ Der Fremde Saudi- Arabien gibt weltweit ungestört, auch in Europa, Deutschland, Millionen $ für Propaganda aus. Das ist unfassbar. Dadou spricht vom verlorenen Kulturkampf.

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Keiner wird als Islamist geboren

Der algerische Autor Kamel Daoud hat Camus’ Roman „Der Fremde“ anders geschrieben, nicht aus der Sicht der Araber, wie jetzt viel kolportiert wird, sondern der des Opfers und seiner Angehörigen. die bis heute unter der Entfremdung zwischen arabischer und sogenannt westlicher Kultur leiden..

„Der Fall Meursault“, "Gegendarstellung" zeichnet zum Einen den von Albert Camus in seinem Roman beschriebenen Gerichtsfall nach, er setzt diesen Fall zum Anderen in einen weltkuturellen Kontext der Menschlichkeit, die sowohl Tätern als Opfern einen Namen gibt und lässt.

Kamel Daoud hat kürzlich in der „New York Times“ über den Zusammenhang zwischen dem „Islamischen Staat“ und Saudi-Arabien geschrieben.

„Saudi Arabia, an ISIS that Has Made It“.

In seinem Artikel geht es Daoud darum, zu verdeutlichen, dass der „Islamische Staat“ und Saudi-Arabien zwei Seiten derselben Medaille sind

"Der radikale Islam ist wie ein Auto, er läuft mit Öl" meint Dadoud in einem faz Interview mit Annabelle Hirsch: "Ich finde die Haltung des Westens dem gegenüber extrem heuchlerisch. Auf der einen Seite heißt es, man müsse den Terrorismus bekämpfen, auf der anderen weigert man sich, seinen Ursprung anzugreifen."

" Man wird nicht als Islamist geboren" betont Dadoud bei sich bietenden Gelegenheit. Als Europäer, Amerikaner, Chinese, Inder auch nicht, fällt mir dazu ein.

Es ist die Weltordnung, die Ordnung von "Inka- Herrenvolk" und Untervölkern, auch wenn wir diese mit ihren asymmetrischen Weltwirtschaftsverhältnissen und Währungsparitäten in der Sprache der Banalität des Guten wie Bösen, Markt nennen, die Dadoud angreift, die seit 200 Jahren das Leben der Menschen mehrheitlich verdüstert bestimmt, bzw. verhindert.

Nicht von ungefähr sind erdölexportierende Staaten, abgesehen von Russland, England, seit Ende des Ersten Weltkrieges 1918 mit dem Heraufdämmern fossiler Energieträger als Motor für industrielles Wachstum, den Aufbau stehender Heere, Waffenträger zu Lande , zu Wasser in der Luft, eher kleine Staaten in zergliederten Regionen, mit wenig Bevölkerung, wie Katar, Bahrein, Oman, Dubai, Kuwait, Saudi- Arabien, weil hegemonial diktierte Landkarten mit dem Ziel der "Balkanisierung" großer Regionen, Sprachräume, Völker, wie die Slawen, Araber, Kaukasier, bestimmen, wo wer und wieviele, wann, wo leben, wann nicht leben darf..

Nach 1919, dem Versailler Friedensvertrag, brach eigentlich, neben anderen, den Slawen, für die Araber eine große Zeit der Entwicklung in einem großen Raum der Stämme mit gleicher Sprache an. Diese wurden ihnen von den Gegebenheiten Internationaler Politik verbliebener Großmächte England, Frankreich, den USA u. a. bis heute versagt.

Warum, um den Reichtum aller Völker (Adam Smith), zu Gunsten der Wenigen, zu Lasten der Vielen, neben Globalplayern, wie Standard Oil, Amoco, BP, Royal Dutch- Shell, Total, Exxon Mobil, Texas Oil, Aral, BASF- Wintershall, Lukoil u. u. ungebremst auf die Konten handverlesener Oligarchen in Aserbedschan, Russland, Clans in rechtlich mittelalterlich theokratisch klerikal geprägten Scheich- und Fürstentümern in der Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein, Jersey Inseln, Isle of Man, zu leiten..

Saudi-Arabien exportiert nicht Gedanken der Aufklärung, sondern der Verdunklung des Wirklichkeitsinns und das als angebliche Gratiskultur, Bücher werden in Frankfurt, Paris, Warschau, Kopenhagen, Brüssel, London, Stockholm, Amstedam "umosonst" verteilt. die uns allen in der Einen Welt über verschiedenste Krisen- , Kriegsgebiete und Verlendungszonen mit 60 Millionen Flüchtlingen inner- und wußerhalb ihrer Heimatländer, teuer zu stehen kommt.

Saudi- Arabien gibt weltweit ungestört, auch in Europa, Deutschland, Millionen $ für Propaganda aus. Das ist unfassbar. meint Kamel Dadoud.

Allein in Frankreich empfangen Haushalte, neben 30 französischen, 1200 religiöse Sender. Was denken Sie, welchen Einfluss das auf die Menschen hat?, fragt Dadou.

Kamel Dadou spricht vom verlorenen Kulturkampf.

Warum der Faschismus, und der „Islamische Staat“ ist ein Faschismus, sich immer erst an der Kultur vergreift, warum man Kulturstätten zerstört, Wissenschaftler und Intellektuelle tötet? Genau deshalb: Weil dann nichts als die Wüste zurückbleibt. Und was hört man in der Wüste? Man hört Gott.

Genau an dieser Stelle des Gesprächs sind wir für meine Begriffe bei Albert Camus Roman "Der Fremde" angelangt, auch wenn das lesenswerte Gespräch in eine andere Richtung geht.

Albert Camus, wie seine Romanfigur Meursault, der Namenlose, genannt der Araber, sind Menschen des Sonnenlichts, der Wüste, des Strandes, des Meeres und deren Übegängen von Tag und Nacht, Morgen, Mittag, Abend, die das Lob des Liedes auf die Armut summen, weil die Menschen dort in einem ewig zeitlosen Kreislauf im Einklang mit der Natur in Armut leben lässt, ohne dass sie in Elend versinken.

Was kann man sich mehr wünschen als mit tätiger Muse verbundene Armut, lässt Iris Radisch in ihrer Biografie "Camus- Das Ideal der Einfachheit", Rowohlt Verlag, 2013, Seite 114 zu Wort kommen.

Camus ist 1938 als Reporter in Algerien entsetzt über das kolonialistisch erzeugte Elend der Berber, erschüttert über die Hoffnungslosigkeit vorhandener und fehlender Arbeit des Proletariats in den Industrieländern.

Armut und Elend sind für Albert Camus wie für seinen Helden Meursault im Roman "Der Fremde" zwei völlig unterschiedliche Begriffswelten.

Albert Camus, Jahrgang 1913, wie sein Held Meursault leben 1940 in dem Kolonialreich der Grand Nation der Franzosen, das, anders als das Deutsche Reich nach 1918, als Schmerzensland gilt, kulturell bereit und fähig sich seiner, wenn nicht gefallenen, so doch kriegsversehrt traumatisierten Väter des Krieges zu besinnen, die dem Loyalitäts- Zeitgeist folgend, ihre Söhne zu Hütern ihrer Mütter und Schwestern "befehlen".

Daraus droht vielgründige Folge innerer Versteinerung, emotionale Überforderung junger Männer, Verlust unbekümmerter Kindheit, Jugend, emotionaler Missbrauch zu erwachsen. Gefühlsarmut, wie es der Volksmund nennt.

Albert Camus Vater wie der Vater seines Helden Meursault fällt im gleichen algerisch- französischen Regiment in der Marne Schlacht 1914.

Das wird Meursault im Verlauf seines Gerichtsverfahren wg. angeblich vorsätzlichen Mordes an dem Araber, Harun, wie wir dank Kamel Dadou Recherche heute wissen, zum Verhängnis

In Kamel Dadous Roman „Gegendarstellung“ spricht Harun, der Bruder des getöteten Arabers aus Camus’

„Der Fremde“.

Absehbar ist, dass Harun und Camus’ Held, Meursault, in ihrer Gefühlswelt nahezu deckungsgleich sind. beide fühlen sich als Fremde in der Welt.

In allen Lebensäußerungen geben sie sich leidenschaftlos, wie nach Dienstvorschrift, mit autistischen Zügen, so dass sie nichts und Niemanden mehr wirklich begehren. Es ist der Verlust, sich auf die ganze Bandbreite der Höhen und Tiefen des Lebens einzulassen. Für Menschen, die von Kindesbeinen gelernt haben, mit allem und nichts rechnen zu sollen, mag darin, neben einem immensen Anpassungsvermögen, ein Sebstschutz liegen.

Man gewöhnt sich an alles, und das ziemlich schnell, lässt Meursaults im Roman seine Mutter nach ihrem Tod in der Erinnerung sagen, in allem findet sich ein wenig Glücklichsein

Ab dem 3. September 1939 beginnt im Zweiten Weltkrieg der sogenannte Sitzkrieg, Drôle de guerre, an der Westfront bis zum 10. Mai 1940. Das zeiitigt erst unmerklich dann offene Folgen für die Republik Frankreich im Ungang mit Untertanen im französischen Kolonialreich, wie 1914.

In den Kolonien werden Hilfs- Truppen ausgehoben. Plötzlich gilt das Lebens eines jungen wehrfähigen Arabers nahezu soviel wie das Leben eines Franzosen.

In Paris fürchtet man in den Kolonien Unruhen, vom Feind, den Achsenmächten, Deutschland, Italien, Japan geschürt

Ja es werden denkbare Signale der Wertschätzung von Arabern in Algerien, Marrokkanern in Marokko durch offiziell französische Seite administriert bis hinein in Gerichtsverfahren,

So mag es auch im Gerichtsverfahren gegen Meursault gewesen sein. Vorher hätte ein Franzose quasi mit einem zynischen Lächeln wg. sichtlich vorsätzlichen Mordes an einem Araber vor Gericht stehen können, er wäre nur wg, Totschlages unter hervorgehobener Berücksichtigung mildernder Umstände angeklagt und verurteilt worden, 1939 war plötzlich alles anders

Meursault wird im Gerichtsverfahren vom Staatsanwalt erst als liebloser Sohn, der seine Mutter anteilsnahmslos beerdigt, zur Trauer unfähig, den Tag darauf oder war es schon am selben Abend, zum Schwimmem am Meer geht, eine neue Liebschaft anfängt, dann daraus kurzgeschlossen, als dandyhaft schlendernder Mörder vorgestellt!

Dabei ist Meursault exemplarisch der Zeitgenosse nach dem Ersten Weltkrieg, der eigentlich in allen Lebenslagen ermattet wirkt, auch wenn er Leidenschaft sucht, der nie wirklich Nein sagt, wenn ihm das Anstrengung abnötigt, weil er lieber etwas hinter sich bringt, um wieder mit sich, der Sonne, dem Meer, dem Strand, dem Himmel, dem Mond, von allem Alltag befreit, mit sich allein zu sein. Seine Arbeit macht er gern und gewissenhaft.

Verlangt die Epoche nach 1918 nicht nach jenen jungen Menschen, die in allem, was sie tun und sei es das Morden von Amtswegen als Soldat, als Kolonie-, gar KZ- Wächter, leidenschaftslos stoisch und gleichgültig mit abrufbar intakten Sekundärtugenden tun, schon Minuten später bei einer Zigarette vergessen haben, was sie davor getan haben, weil es sie langweilt, weil sie es lästig finden?

Außer sie durchjagt z. B. im Fall Meursault unter Sonneneinwirkung ein unerwarteter Adrenalinschub in Übersprungshandlungen, wie die fünf Schüsse des Mörders Meursault aus der Hüfte auf sein Opfer den Araber Harun am Strand vor Algier am Meer in der Glut der Mittagssonne aus nichtigem Grund.

Seine lakonische Verteidigung, sein Tatmotiv sei in der Sonneneinwirkung zu suchen, fand vor Gericht nicht nur kein Gehör, es löste ungläubiges Gelächter aus. Selbst sein Anbwalt verstand ihn nicht

Albert Camus wird 1940 endgültig die Musterung als Soldat zum Marsch an die Front wg. seiner Lungenkranheit versagt, den er. trotz seines bekennenden Pazifismus, freiwillig antreten wollte.Wenn schon der Tod ein Meister in Europa ist, wollte er da als französischer Patriot in dessen Lehre gehen?

Eine Stelle als Lehrer im staatlichen Schuldienst in Algerien wird ihm aus dem demselben Grund verweigert

Camus Held Meursault agiert niedrigschwellig, wie damals überall in Europa, den USA viele junge Männer, bereit, Männerfreundschaften, Kameradschaften einzugehen, einen Nachbarn im Gerichtsaal, Freund zu nennen, während es ihm unmöglich erscheint auf die Frage seiner Freundin, liebst Du mich, mit einem klaren Ja zu beantworten. Ganz im Gegenteil sagt er ungerührt Nein und das, nachdem er einer Heirat mit ihr eingewilligt hat.

Woher rührt dieses Nein, weil ihm seine gefühlte Loyalität gegenüber seiner Mutter von Kindesbeinen kein Ja erlaubt?

So kann er im Gerichtsverfahren dem Staatsanwalt auf dessen wiederholte Frage und später die des ungeladenen Priesters in seiner Zelle, ob er seine Tat bereue, nur Nein antworten. Das wird ihm von den Geschworenen mit tödlicher Folge als unmenschlich ausgelegt. So als ob er des Teufels sei, der auf den Scheiterhaufen gehört.

Mehr und mehr wird Meursault im Verlauf des Gerichtsverfahrens als Namenloser. als Teufel, man könnte auch sagen als von den Zeitläuften seit 1914 gerufener Epochenmensch, der Europäer, der Abendländer, dem am eigenen Leben und dem der anderen nichts liegt, verdammt. Darin am Schluss dem namenlosen Araber gleich, dessen Namen wir heute kennen, Harun.
JP

Kamel Daoud: Der Fall Meursault - eine Gegendarstellung. Aus dem Französischen von Claus Josten. Kiepenheuer & Witsch. 200 Seiten, 17,99 Euro.

http://www.deutschlandradiokultur.de/kamel-daoud-der-fall-meursault-eine-arabische-antwort-auf.950.de.html?dram:article_id=346636
Beitrag vom 25.02.2016
Kamel Daoud: "Der Fall Meursault"
Eine arabische Antwort auf Camus
Von Dirk Fuhrig

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kamel-daoud-im-interview-ueber-is-terror-und-saudi-arabien-14068803.html
Im Gespräch: Kamel Daoud
Keiner wird als Islamist geboren
17.02.2016, von ANNABELLE HIRSCH

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Joachim Petrick

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