Alice Schwarzers Apell Wucht der "Unwucht"

ProstG Mit dem Prostitutionsgesetz 02 wurden sexuelle Dienstleistungen, zu denen sich Frauen oder Männer selbstbestimmt entscheiden vom Makel der Sittenwidrigkeit befreit

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Mit dem Prostitutionsgesetz (ProstG) wurden mit Wirkung vom 1. Januar 2002 sexuelle Dienstleistungen, zu denen sich Frauen oder Männer selbstbestimmt entscheiden (im folgenden Prostitution genannt) von dem rechtlichen Makel der Sittenwidrigkeit befreit und in den anmeldungspflichtigen Rang eines ordentlichen Gewerbes gehoben .

Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter haben seit dem das Recht, von Fall ztu Fall, ihren vereinbarten Lohn vor Gericht einklagen zu können.
Darüberhinanus wurde ihnen die Option eröffnet, sich sozialversicherungspflichtig beschäftigen zu lassen oder als Prostituierte bzw. Prostituierter ein eigenes Gewerbe anzumelden und eine Krankenversicherung abzuschließen.

Von der Prostitution, zu der sich Prostituierte selbstbestimmt entscheiden, wird der MENSCHENHANDEL zur sexuellen Ausbeutung (Zwangsprostitution) grundsätzlich vom Gesetzgeber mit Wirkung des vorliegenden Prostitutionsgesetz (ProstG) unterschieden.

Ziel der VerfechterInnen des Prostitutionsgesetzes war einerseits, die Doppelmoral gegenüber Prostituierten zu beenden und andererseits, zu einer deutlichen Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen beizutragen und ihnen rechtlichen Rückhalt auf allen gerichtlichen Instanzenwegen des Straf- und Zivilrechts, der Strafprozessordnung (StPO) zu geben.

Dass dieses Ziel erreivcht wurde, ist aufgrund fehlender Evaluation durch wissenschaftliche Begleitung nicht einmal im im Ansatz verifizierbar.

Die Umsetzung des ProstG durch die Länder erfolgt auf sehr unterschiedliche Weise. Letztlich haben nur wenige Prostituierte einen versicherungspflichtigen Arbeitsvertrag offiziell angestrebt und erhalten. Der größere Teil aller Prostituierten, gleich welchen geschlechts, sind weiter auf prekäre Weise selbständig. Wegen der gesellschaftlichen Stigmatisierung ihrer Tätigkeit geben sie meist bei Ämtern, Behörden, medizinischen und sozialen Diensten oder beim Abschluss einer Krankenversicherung einen anderen Beruf, wie Gästebetreuer/Hostess oder Masseur/in, an.

Mit der Legalisierung der Prostitution stieg die Anzahl sogenannter Wohnungsbordelle in nichtgewerblichen Wohngebieten, in denen kleine Gruppen von Sexarbeiterinnen ihre Dienstleistungen in einem nur scheinabr sicheren Umfeld anbieten.

Daneben gibt es aber nach wie vor angeblich Sexarbeiterinnen und –arbeiter, die Großraumbordelle bevorzugen.

Die Bundesregierung plant jetzt, unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Zwangsprostitution und Menschenhandel, eine Verschärfung des geltenden Prostitutionsgesetzes (ProstG).

Diese Verschärfung des ProstG zielt vor allem auf eine verstärkte Kontrolle angemeldeter Bordelle und insbesondere der dort tätigen Prostituierten, sowie auf eine Ausdehnung der Rechte der Polizei.

Statt mit dem vorhandenen ProstG auf Kurs zu bleiben, die Arbeitsbedingungen der Sexarbeiterinnen und –arbeiter zu verbessern, wie es das Gesetz von 2002 vorsieht, werden diese durch die angedachten Maßnahmen verschlechtert, wenn nicht gar, unter willkürlichen Bedingungen an Arbeitsplätzen in die Illegalität zurückgedrängt.

Das Ergebnis wird von Amtswegen gewünscht und absehbar eine erneute Kriminalisierung der Prostitution sein.

Die Fraktion DER LINKSPARTEI im Deutschen Bundestag hat sich da klar positioniert und lehnt die Verschärfung des Prostitutionsgesetzes (ProstG) ab.

Die Linkspartei fordert ausnahmslos, in Übereinstimmung mit den entsprechenden Verbänden, eine überfällige arbeits-, miet-, gewerbe- und zivilrechtliche Untersetzung des geltenden ProstG ins Gelingen zu bringen.

Besonders wichtig ist aus Sicht der Linkspartei die Einführung einheitlicher Durchführungsbestimmungen und amtliche Verfahrensregelungen in den Ländern und Kommunen, um die gegenwärtige unterschiedliche Rechtsanwendung grundlegend zu beseitigen.

Qualitätskriterien sollen definiert und eingeführt werden, die das Betreiben von bordellartigen Einrichtungen regeln. Die arbeitsrechtlichen Möglichkeiten sollen so ausgestaltet werden, dass sowohl potentielle BordellbetreiberInnen als auch die Sexarbeiterinnen – und arbeiter Rechte und Pflichten wie andere Arbeitsvertragsparteien erhalten.

Im Gaststätten- und Gewerberecht sollen die Begriffe „Unsittlichkeit/ Sittlichkeit“ gestrichen werden und die Sperrgebietsklausel soll ebenfalls neu definiert und soweit wirksam geprüft werden, die zur Stigmatisierung der Sexarbeiterinnen und –arbeiter beiträgt.

Weitere Regelungen betreffen steuerrechtliche Möglichkeiten, zivilrechtliche Fragen sowie entsprechende Regelungen im Ausländer- , Flüchtlings- , Asyl. und Aufenthaltsrechtsrecht.

Da das Gewerbe der Prostitution, auch legalisiert, weiterhin ein weites Feld von zivilrechtlich, gar strafrechtlich relvanten Fallstricken der Übervorteilung bleiben wird, bietet sich zur Eindämmung dieser Gefahrenlagen bei Anmeldung des Gewerbes eine vergleichbare Regelung wie bei Notaren und Rechtsanwälten an, die bei Anmeldung ihrer Praxen den Nachweis der Schuldenfreiheit belegen und aufrechterhalten müssen.

Das würde insofern an Relevanz gewinnen, weil viele Frauen, u. a. aus Osteuropa mit falschen Versprechungen mit angeblicher Aussicht auf ordentliche Arbeitsplätze nach Deutschland per Touristen Visa verladen, durch virtuelle Reisekosten, Spesen für Zuhälter in die Schuldenfalle geraten, zur Zwangsprostitution erpressbar sind.

Dass Alice Schwarzer ihren "Appell gegen Prostitution" in ihrer EMMA >Hefte >Ausgaben 2013 >November/Dezember 2013 startet und bereits jetzt eine beachtliche Liste an namhaften Unterzeichner/innen ihres Appells vorweisen kann, ist einerseits zur Belebung des Diskurses über das brisante Thema "Weiterentwicklung des Prostitutionsgesetzes (ProstG)" zu begrüßen, anderseits geht von diesem Apell n. m. E. eine Unwucht in Richtung dessen aus, was das Prostitutionsgesetzes (ProstG) dem Sinnen und Trachten und Elan seiner Verfechter/innen nach anstrebt.

Alice Schwarzer formuliert in diesem Apell gegen Prostitution unzweideutig bedenkenswert:

"Die Reform des Prostitutionsgesetzes 2002, die angeblich den geschätzt 700.000 Frauen (Mittelwert) in der Prostitution nutzen sollte, trägt die Handschrift der Frauenhändler und ihrer LobbyistInnen. Seither ist Deutschland zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies der Sextouristen aus den Nachbarländern geworden. "
Und doch klingt gerade in diesem Apell eine mehrdeutig unselige Tonlage des Eifers an, die zwar das gefühlte Engagemenst in der Sache zu belegen scheint, aber faktisch womöglich einem alten Phänomen geschuldet ist, dass nämlich mit der Legalisierung, der Anzeigepflicht von bestimmten Arbeitsverhältnissen, die öffentliche Wahrnehmung dieser Arbeitsverhältnisse naturgemäß anschwillt und zu dem trügerischen Eindruck führt, jetzt gebe es mehr Bordelle, mehr frei anschaffende Prostituierte als je zuvor.

Wer ein Gesetz, wie das Prostitutionsgesetz 2002, in ein Qualitätsmanagement bundesweit wirkender Ausführungs- und Kontrollbestimmungen heben und vorantreiben will, kann doch nicht bei wahrgenommen real- existierenden Misständen seinen Büttel hin ins ungeerntete Kornfeld schmeißen und "tumultarig" nach den alten "Klamotten" vorheriger Kriminalisierung der Prostitution rufen.

Ganz abgesehen davon, dass mit dem "Apell gegen Prostitution" in der vorliegenden Form eine angeblich heile Welt wieder hergstellt werden soll, die es so vorher nie gab, nie gegen wird und darüberhinaus den öffentlichen Scheinwerfer von einem ganz anderen, einem gesellschaftspolitisch sehr viel mehr geweiterten und notwendigen Blickwinkel, nämlich

"Aus den Augen aus dem Sinn"

auf das Problem von Abermillionen sogenannt Papierlosen, Illegalen in allen Branchen Deutschlands, der EU, Europas und in der ganzen Welt abzieht.
JP

http://www.emma.de/hefte/ausgaben-2013/novemberdezember-2013/appell-gegen-prostitution/

EMMA November/Dezember 2013

Der Appell gegen Prostitution

https://www.freitag.de/autoren/juloeffl/deutungshoheit-gepachtet

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Geschrieben von

Joachim Petrick

Aktuelles: Meine sichere Route- Refugee-Airlift - Petition "Luftbrücke für Flüchtlinge in Not" an die MdBs des Bundestages erhofft Debatte

Joachim Petrick

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