Der flotte Hotte ist nicht mehr

Nachruf Horst Ehmke der flotte Hotte, Haudegen, Hansdanpf in allen Gassen, Rechtsgelehrter, ein Politikerkaliber wie Carlo Schmid aber mit mehr Pep ist am 12.März.2017 in Bonn verstorben

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Horst Ehmke, mit 33 jahren jüngster Professor für Staatsrecht seiner Generation, vertrat den Spiegel in der sogenannten Spiegel-Affäre "bedingt abwehrbereit" Fallex62 vor dem Bundesverfassungsgericht.

Ehmke begründete maßgeblich als Rechtsgelehrter für Staatsrecht seine Verfassungsbeschwerde, um die Pressefreiheit gegen die verfassungswidrigen Umtriebe Bundeskanzler Konrad Adenauers, seines Kanzleramtchefs Hans-Maria Globke und dessen Staatsekretärenwesen an Ministern der Koalition vorbei im Bunde mit Wehrminister Franz Josef Strauß zu verteidigen.

Horst Ehmke, der einmal in die 1980er Jahre gekommen, ironisch von sich selber sagte, er sei der alternde ewig junge Hoffnungsträger der SPD, galt als ein Ausbund an Witz, Lebenslust und Esprit als der sprudelnde "Hotte", einmal Haudegen, einmal der, der den Bauer aus Danzig, seiner Geburtsstadt, mimte, dann wieder Gelehrter, Könner auf dem Sprung zu unkonventionellen Mitteln und Methoden an der Seite von Willy Brandt.

Da punktete Ehmke besonders, wenn Willy Brandt in seine alljährlich, saisonal bedingt, norwegischen Melancholie Zustände, in das "Wale Schauen" glitt, sich in die Dachkammer seines Bonner Domizils zurückzog, Regierung Regierung, Familie Familie ohne ihn sein ließ, über sich, das Regieren, all die amourösen Affären, die ihm angedicht, doch so nie stattgefunden hatten, Gott und die Welt zu sinnen.

Dann schlug Hottes Stunde als der gute Hausgeist, von Ruth Brandt gerufen, den Haussegen flott zu machen, Wasser untern Kiel zu pumpen, das trocken gefallene Hausboot Brandt zu heben, von sozialliberalen Kabinetts- Koalitionären gedrängt, wie Ehmke einst plitsch und spöttelnd kievig schrieb, dann schritt er, Stufe um Stufe, stracks zu Willy in die Dachkammer Höhe, zwei Gläser in der einen Hand, eine Rotweinflasche in der anderen, trat über die Türschwelle an Willys Bett und raunte ihm sein erlösendes Wort ins Ohr "Willy komm´, wir müssen regieren!":

Seinen angeblich fehlenden Stallgeruch in der SPD ersetzte Ehmke spielend durch seine burschikos bodenständig muntere Beredsamkeit ohne Ansehen der Person gegenüber Jedermann, dass Peter Struck einmal meinte, Horst Ehmke sei einer der wenig wirklichen lebenslustigen SPDler, die er kenne

Horst Paul August Ehmke (* 4. Februar 1927 in Danzig, Freie Stadt Danzig; † 12. März 2017 in Bonn verstorben, wurde als Offiziersnawärter der Deutschen Wehrmacht an der Ostfront verwundet, geriet 1945 gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in sowjetische Kriegsgefangenschaft, wurde wg. Erkrankung und wohl auch im ungleublichen Glück seiner Jugend Ende 1945 frühzeitg nach Hause entlassen, statt wie andere Wehrmachtsangehörige nach Sibiren deportiert zu werden, wie er es selber beschrieb.

Horst Ehmke war Staatsrechtslehrer und SPD- Politiker. Er war ab 1966 in der Großen Koalition zunächst unter Justizminister Gustav Heinemann Staatssekretär, dann 1969 - 1972 dessen Nachfolger im Amt,, als Heinemann zum Bundesoräsidenten gewählt wurde, danach Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes.und damit Koordinator der Geheimdienste BND, MAD, Verfassungsschutzämter.

Nach dem gescheiterten Misstrauensvotum der CDU/CSU Fraktion unter Rainer Barzel gegen das Kabinett Brandt/Scheel am 28. April 1972 drängte Helmut Schmidt, zum Superminister Wirtschaft und Finanzen berufen, - Karl Schiller war auf Drängen seiner Frau Editha zurückgetreten und auf dem Weg in die CDU/CSU - Brandt, Ehmke als Kanzleramtschef durch Horst Grabert abzulösen.

Ein Grund mag gewesen sein, dass Horst Ehmke in den Mittelpunkt eines Parlamentarischen Unteruchungsausschusses (PUA) des Deutschen Bundestages wg. angeblicher Veruntreuung von 50 000 DM geraten war, der irgendwann zwar ergebnislos im Sande verlief, aber der sozialliberalen Koalition im öffentlichen Ansehen nachhaltig geschadet hatte, wie Willy Brandt in seinen "Erinnerungen" (Propyläen Verlag S. 333) 1989 schreibt.

Diese in Rede stehenden 50 000 waren genau die Summe, die der Überläufer beim gescheiterten konstruktiven Misstrauensvotum gegen Brandt/Scheel, Julius Steiner (CSU-Abgeordneter) angeblich von dritter unbekanner Seite erhalten haben sollte. Einige meinten über Karl Wienand, den Ausputzer und Mann fürs Grobe des damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner.

Juius Stiener brüstete sich später nach der Verjährung sündenstolz gegen Cash für Exclusiv Bericht, er sei Ostangent. Agent des MfS,.Hauptabtlg. Außenaufklärung des General Markus Wolf gewesen (Quelle Brandts "Erinnerungen")

- Anklage wg. Abgeordnetenbestechung, in Tateinheit mit Vorteilsannahme hatte Julius Steiner 1972 nicht zu befürchten, denn den Straftatbestand gibt es erst seit 1997 im deutschen Strafgesetzbuch -

Damals 1972 habe es Gerüchhte gegeben, schreibt Brandt dunkel, es seien mehrere FDP MdBs in Österreich unterwegs auf Stimmeneinkauf mehrerer CDU/CSU MdBs vor dem konstruktiven Missrtauensvotum gewesen. Von den möglicherweise sprudelnden Geldquellen des Bundeskanzleramtes mit Zugriff auf operativ "Schwarze Kassen" des BND/MAD, Verfassungsschutz mit ihren Tarnfirmen im In- und Ausland,.innen- und ausländisch kooperierenden Diensten befreundeter nicht befreundeter Länder schreibt Brandt nicht.

Von 1972 bis 1974 war Horst Ehmke Bundesminister für Forschung und Technologie und Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.und blies als Hansdampf in allen Gassen gegen beginnende gesellschaftliche Widerstände (Robert Jungks "Atomstaat") politisch federführend zum Marsch für die brachial subventionierte Durchsetzung des AKW-Baus in Westdeutschland. Erst als Ehmke staatliche Subventionen im großen Stil garantierte, - inzwischen ist die Rede von 200 bis 300 Milllarden € Subventionen für die Atomindustrie - waren die damals zögerlichen Kraftwerksbauer Siemens u. a. bereit zum AKW-Bau

Professor Horst Ehmkes geistig politischer Vater und Mentor war Professor Carlo Schmid, Fein- und Schöngeist in der SPD, beiden ging es weniger um Hausmacht in der SPD, sie blieben Strategen ohne Truppen, unagefochtene Helden der Hörsäle, sondern um ein Wirken aus dem Hintergrund für das Große und Ganze, z. B. Überzeungungsarbeit für die Durchsetzung der Ostverträge, der Entspannungspolitik Brandt/Bahr/Scheel, manchmal sogar mit unkonventionellen Ambitionen hinter "unerlaubten" Linien, wie Heribert Prantl in seinem Nachruf auf Horst Ehmke in der Sueddeutschen anklingen lässt.

"Aus seiner Zeit als Haudrauf und Stratege im Kanzleramt stammt eine der schönsten Anekdoten des politischen Bonn. Auf die Frage seines Fahrers "Wohin?" soll er die legendäre Antwort gegeben haben: "Egal wohin, ich werde überall gebraucht." Er konnte aber auch krachend und verletzend sein: Er war es , der einst im Streit um die neue Ostpolitik getobt hatte, dass "wir uns von den acht Arschlöchern in Karlsruhe nicht unsere Ostpolitik kaputtmachen" lassen. Die Ostverträge wurden dann vom Bundesverfassungsgericht mit knapper Not genehmigt."

Da blitzte sie auf die andere Seite des Horst Ehmke, neben der Rolle als Sohnes aus großbürgerlichen Verhältnissen, der Vater, Freimaurer, Chirurg und Leiter einer Privatklinik in Danzig. die Rolle des ewig tollen "Jungspund und Wilden" mit unbändig forscher Neigung und Drang zu gar nicht feingeistiger Triebabfuhr "Jetzt kommt Horst, mir kann keiner", wie Martin Walser in seinem Buch "Schreiben und Leben", Tagebücher 1979-1981, Rowohlt Verlag. S 432 schreibt,

Da kommt Ehmke, der immer den Bauern aus dem Danziger Umland macht, auf einer dieser üblichen von einem Unternehmer im tiefen Bayrischen Wald für Willy Brandt organisierten Entspannungs- Parties auf eine bekannte TV-Schöne zu, greift ihr tief hinunter in den Ausschnitt und ruft "Sie hat alles, was ich auf der Welt will", bevor andere Kavaliere, Galane ihn stoppen konnten.

Der flotte Hotte weilt nicht mehr unter uns.

JP

http://www.sueddeutsche.de/politik/zum-tod-von-horst-ehmke-feuerkopf-der-spd-1.3417291
Zum Tod von Horst Ehmke - Feuerkopf der SPD
13. März 2017, 12:49 Uhr
Nachruf von Heribert Prantl

https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/willy-brandts-wale-schauen
JOACHIM PETRICK 18.12.2013 | 18:13 9
WILLY BRANDTS "WALE SCHAUEN"
Der Kniefall 1970

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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