Desertieren ist legitim, wie Whistleblowing

Deserteur- Denkmal Endlich werden nun Deserteure, neben Städten, wie Braunschweig, Ulm, Bernau bei Berlin, Wien, auch in Hamburg rehabilitiert und geehrt.

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Jahrzehntelang geschah am "Klotz", dem Kriegerdenkmal für die gefallenen Soldaten des Hamburger 76er Regiments im Ersten Weltkrieg, am Dammtor in Hamburg, mit dem krassen Schriftzug, der von bedingungslos unabdinglichem Opferwahn für das Vaterland kündet:

"Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen"

gar nichts.

Dann endlich, ward lange diskutiert. Nun wurde für das Kriegerdenkmal, das inzwischen Mahnmal am Dammtor heißt, der Entwurf des Hamburger Bildhauers Volker Lang für ein Deserteur- Denkmal ausgewählt.

Unerlaubtes Entfernen von der Truppe, Fahnenflucht, Wehrkraftzersetzung – Nicht nur für den Kriegsfall gibt es diese Brandzeichen Totschlagwörter, die sich im Wehrpass eines Soldaten, später im zivilen Strafregister, niederschlagen, gelegentlich gnadenreich zur Versetzung in Strafbataillone als Himmelfahrtskommando führen, in der Regel aber ein Soldatenleben per "Fliegendem Standgerichtsurteil" nach willkürlichem Augenschein von Feldjägern hinter den Kampflinien beenden.

So geschah es 1914- 1918 im Ersten Weltkrieg ungezählten Soldaten kaiserlicher Heere und Marine an allen Fronten. So widerfuhr es von 1939- 1945 im Zweiten Weltkrieg 30.000 hingerichteten Soldaten der Deutschen Wehrmacht.

Dass es in jedem einzelnen Fall einer Desertion um ganz unterschiedliche Motivlagen ging und eben nicht Feigheit vor dem Feind, Kameradenverrat betraf, sondern, willentlich, unwillentlich um Mut gegenüber dem eigenen Vaterland ging, dessen Deutsche Wehrmacht als Vollziehende Gewalt völkerrechtswidrig Krieg führte, Massenmorde an der Zivilbevölkerung in okkupierten Gebieten befahl, liegt bis heute immer noch, trotz des nun in Planung befindlichen Gedenkens an Deserteure am Dammtor in Hamburg, als individuelle Beweislast auf der Seele überlebender Deserteure, wie Ludwig Baumann aus Bremen (Jahrgang 1921), der in Hamburg geboren und aufgewachsen ist.

Warum ist das immer noch so?

Das ist so. weil es die Politik im geteilten, dann vereinten Deutschland nach 1945 bis heute nicht zustande bringt, die Beweislast umzukehren.

Das Ergebnis der Umkehrung der Beweislast kann nur bedeuten, wenn nicht den Generalstab der kaiserlichen Heere und Marine von 1914- 1918, so doch den Generalstab der Deutschen Wehrmacht von 1939- 1945 zur terroristischen Vereinigung zu erklären, wie es das Hamburger Institut für Sozialforschung spätestens seit 1997 mit seiner Wehrmachtsausstellung fordert.

Schom wären Deserteure nicht nur von Amtswegen administrativ rehabilitiert, sondern in den vorherigen Stand ihrer Rechte, inklusive Anspruch auf Wiedergutmachung, gestellt

Endlich werden nun Deserteure, neben Städten wie Braunschweig, Ulm, Wien, auch in Hamburg rehabilitiert und geehrt,

Der Beweis dieser Rehabilitation und Ehrung liegt in einer Senatsentscheidung, in Hamburg an einem zentralen Platz einen "Gedenkort für Deserteure und andere Opfer der "Militärjustiz" deutscher Wehr zu errichten.

Hamburg bekommt ein Deserteur- Denkmal.

Überlebende Deserteure, unter ihnen der Bremer Ludwig Baumann (92), der immer wieder fordernd für die Rehabilitierung und für das Deserteur- Denkmal in Hamburg gekämpft hat, lebten nach 1945 mit dem Kainsmal von Einträgen im Vorstrafenregister und Erniedrigungen in Beruf und Alltag.

Erst 2002 hat der Deutsche Bundestag mit rotgrüner Regierungsmehrheit alle Urteile gegen Wehrmachtsdeserteure aufgehoben.

Woher mag dieser Sinneswandel zu Zeiten der rotgrünen Koalition unter Führung von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer nach NINE ELEVEN 2001, der Ausrufung des Ernstfalles der NATO am 12. September 2001 in uneingeschränkter Solidarität mit den USA gekommen sein?

Ein Motor mag gewesen sein, zwischen guten und bösen Kriegsparteien zu unterscheiden und im Namen Deutschlands dies auch bei Gelegenheit der Rehabilitierung von Deserteuren der Deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg zu kommunizieren.

Deutschland war nun 2002 in Afghanistan eine anerkannt gute Kriegspartei gegen den Internationalen Terrorismus nach NINE ELEVEN01.

2009 folgte endlich die Aufhebung von Urteilen der NS- Miitär- und Volksgerichtshofsjustiz wegen "Kriegsverrats" mit dem Ergebnis, dass alle verhängten Vorstrafen derer, die an der Front desertiert waren, rückwirkend, für null und nichtig erklärt wurden.

Von Entschädigung für vorenthaltene Rentenanwartschaften, Vermögens- und Laufbahnentzug der Deserteure war bisher nicht die Rede

"Der Mut und die Gradlinigkeit der Menschen, die sich dem Unrecht der NS-Zeit entgegengestellt haben, ist viel zu lange nicht angemessen gewürdigt worden", sagt Kultursenatorin Barbara Kisseler.

Das Denkmal soll nun "diese lange Zeit nicht anerkannte Opfergruppe würdigen und stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken", heißt es aus der Hamburger Kulturbehörde.

Jetzt, wo endlich eine klare Entscheidung gefallen ist, wurde für das neue Denkmal ein Ort ausgewählt, der ohnehin schon im Zusammenhang mit der Kriegsvergangenheit des deutschen Militarismus seit 1914 aufgeheizte Diskussionen aushgelöst hat.

Im Schatten alter mächtiger Bäume in der Nähe des Dammtorbahnhofs steht seit 1936 der sogenannte "Kriegsklotz", den Richard Kuöhl im Auftrag der Nationalsozialisten dort als Zeichen der Kriegsverherrlichung und Ehrung gefallener Söhne des Krieges errichtet hatte.

1985/86 wurde dieser, dank des damaligen Ersten Bürgermeister Hamburgs Klaus von Dohnanyi, dem Sohn des vom NS- Regime 1945 ermordeten Widerstandskämpfers Hans von Dohnanyi, durch Alfred Hrdlickas Gegendenkmal in einen historisch adaptierten Kontext gestellt: Dieses hoch expressive, aufwühlende Mahnmal des österreichischen Bildhauers zeigt in messerscharfer Symbolik die Grauen des Krieges, Schmerz, Zerstörung, Todeskampf, Endzeitstimmung, die der Künstler in bizarre Formen eines zerschlagen zertrümmerten Hakenkreuzes übertrug.

Im Gerangel um die Finanzierbarkelt der Vollendung des Projekts zwischen Alfred Hrdlickas und der Stadt Hamburg, angesichts erheblichen Proteste "Weg mit dem Schandfleck" blieb das Kunstwerk bis zur Gegenwart ein Fragment.

Was bis heute nicht wenigen Hamburgern in der interpretierenden Ergänzung durch Alfred Hrdlickas nachwievor als Schandfleck gilt, bildet dagegen in Wien in vertrauter Gestalt, vollendet, direkt vor der Albertina in der Nähe der Hofburg das Zentrum des gesamten Platzes.

In der Donaumetropole wird Künstlern gegenüber und deren Werken eine Wertschätzung zuteil, die seit Heinrich Heines Tagen vielen Hamburgern so teuer erscheint, dass diese nur rar zur Geltung kommt.

Mitten in diesen aufgeladenen Spannungsbogen wird jetzt der Hamburger Bildhauer Volker Lang, 50, ein drittes Kunstwerk installieren.

Eine elfköpfige Jury unter Vorsitz des Architekten Konstantin Kleffel hat am Donnerstag entschieden, sein Konzept zur Gestaltung des Gedenkortes mit dem ersten Preis auszuzeichnen.

Lang wird einen transparenten Baukörper in der Form eines gleichseitigen Dreiecks errichten. Bronzene Schriftgitter bilden zwei der drei Wände, und eine gefaltete, geschlossene Wand schließt den Raum zum Dammtordamm ab. Die Texte stammen aus Helmut Heißenbüttels Untergangs-Szenario "Deutschland 1944".

Bildhauer Lang war anfangs nicht glücklich mit dem Ort: "Der Klotz von Richard Kuöhl ist sehr monolithisch, und auf der anderen Seite trifft man auf einen sehr massiven plastischen Ausdruck mit hoher Emotionalität." Das sei schon eine große Herausforderung gewesen.

"Wegen des Denkmalauftrags hat mich die Auseinandersetzung mit dem Kriegsklotz allerdings stärker beschäftigt. Ich musste aber auch eine andere Sprache finden als Alfred Hrdlicka. Eine weitere figürliche Arbeit wäre nicht möglich gewesen, weil seine schon so stark ist. So kam ich auf den Text und die fragile Form des Gitters, auf die Idee von Transparenz im Gegensatz zu Kuöhls Monolith, und die der Schutzlosigkeit. Denn ein Deserteur hat sich in dem Moment der Flucht schutzlos ausgesetzt. Das wollte ich zeigen", sagt der Künstler. Den Text Heißenbüttels empfindet er als "sehr stark", weshalb er das Innere des dreieckigen Schriftkörpers öffnen will, um dort nicht nur die Namen der toten Deserteure zu verlesen, sondern auch, in Hörspielform, den Text von Helmut Heißenbüttel.

Kultursenatorin Kisseler umriss, dass es mit diesem Statement um mehr geht, als um die Vergangenheit: "Wir wollen mit dem Deserteur- Denkmal ein wichtiges politisches Zeichen für Zivilcourage und Gerechtigkeit setzen und junge Leute dazu ermutigen, für ihre Überzeugung einzutreten, für Frieden, Toleranz und Mitmenschlichkeit."

Professor Jan Philipp Reemtsma Förderer des Deserteur- Denkmals in Hamburg sagt in einem Gespäch mit dem Hamburger Abendblatt:

"Desertieren war legitim".

Warum sagt er nicht, in Anlehnung an Forderungen, Whistleblower gesetzlich zu schützen;

"Desertieren ist legitim"?,

die Beweislast vor Internationalen Strafgerichtshöfen umgekehrt, nicht warum jemand desertiert, ist als Anfangsverdacht die Frage, sondern, warum, auf welcher rechtlichen Grundlage, Staaten, einzeln, oder, in Koalitionen der Willigen, Kriege führen?

Die Option auf Desertion ist umsomehr legitim, als Staaten heute Kriege nicht gegen Staaten, sondern gegen "Unbekannt" als sogenannt militärisch- humane Intervention gegen Terroristen auf allen fünf Kontinenten mit wechselnd ausgeweiteten Kampfzonen führen und ihren traumatisierten Kriegsheimkehrern aus Afghansitan, Kosovo, vor der Küste des Libanons nicht einmal, anders als nach dem Ersten Weltkrieg 1918 in Deutschland, den rechtlichen Status, inklusive Invaliden- Rente, Übernahme von Behandlungskosten, als Kriegsversehrte zubilligen.

Zu schweigen davon, dass die Angehörigen dieser Kriegsheimkehrer/innen in Deutschland, den USA u. a. Ländern als Frauen, Männer, Kinder mit den Folgelasten der Nachbehandlungen, Nachbetreuung, abgebrochenen Berufslaufbahnen, seelisch und materiell alleingelassen sind, als seien ihre Kriegsheimkehrer auf Kriegsschauplätzen in aller Welt nur, wie bei einer zivilen Verkehrskarambolage, verunfallt.

JP

http://de.wikipedia.org/wiki/Deserteurdenkmal_(Hamburg)

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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