Tilman Jens tillt seinen Vater Walter Jens

Altenmissbrauch? Nachruf Tilmann Jens auf seinen Vater DER SPIEGEL 25- 122- 2013 "Mein Vater, Walter Jens", Entsorgt Tilmann Jens seinen Vater Walter als "Moralischen Sondermüll"?

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Nimmt Tilmann Jens seinem Vater Walter Jens postmortem den Rest- Odem?

"Mein Vater, Walter Jens"

Nachruf Tilmann Jens auf seinen Vater DER SPIEGEL 25- 122- 2013

Walter Jens mit zehn Jahren mit der medizinischen Diagnose Asthma permanent lauernder Erstickungsanfällen belegt, samt Prognose konfrontiert, ein wandelndes Wrack zu sein, dass mit spätestens 30 Jahren stirbt, von seiner eigenen Mutter, ein Hamburger Volksschullehrerin lebenslang, traumatisiert, gnadenlos mit dem Bann belegt

"Walter!, Du bist unbeholfen, Du bist ängstlich, gebückt durch Deine Asthmakrankheit. Machen wir uns nichts vor, eine schlechte Figur, also musst Du ein Geistesriese werden, um im Leben unter Deinesgleichen zu bestehen".

Was blieb Walter Jens da anderes, denn Tempo zu machen, Mit 21 Promotion, mit 24 die erste veröffentlichte Erzählung, mit 27 der erste gedruckte Roman bei Rowohlt, daneben im selber Lebensjahr die Habilitation.

So etwa schreibt der Sohn des am 09. Juni 2013, im März 90 Jahre alt gewordenen Walter Jens und betont, dass sein Vater, der oft, geprägt durch die ständig lauernden Nebenwirkungen seines Asthmaleidens, nur aus Ängsten zusammengesetzt schien, ausgerechnet dort, wo andere, wenn nicht Panikattacken, Beklemmungen, so doch Lampenfieber kriegen, vor Mikrophonen, Kameras, am Katheder ungeahnte Kräfte für Atemluft gewann.

Wenn es politisch wurde, wenn Zivilcourage nottat, zu den Notstandsgesetzen 1967, zum Radikalenerlass 1972, dem Nato- Doppelbeschluss zur Nachrüstung 1981/82 oder der ungleich empfundenen Wiedervereinigung die Stimme des universal gebildeten Rebellen zu erheben, dann war es vorbei mit der Angst, schreibt Tilmann Jens über seinen Vater.

Er geriet - ich sehe die Bilder aus meiner Kindheit vor mir - in Panik, wenn sich der Inhalator mit dem roten Ball zum Pumpen oder - später- die Cortison gefüllten Spraydosen nicht fanden-

Er, für den geistige Autonomie alles war, Hannah Arendt würde sagen, ein Denken ohne Geländer alltäglicher Ansporn war, konnte im Alltag lebenslang ohne Geländer gar nicht existieren-

„Und wenn die Traurigkeit wieder einmal größer wurde, die Depressionen, an denen seine Mutter elend gestorben war, sich häuften, hat er, als handelte es sich um Bonbons, gespenstische Mengen der tückischen "Benzos" geschluckt: Tavor, oder Lexatanol, die Tablettenmit den Benzodiazepinen, jene chemischen Trostspender, die als Marktführerunter den Abhängigkeitsmachern gelten".

So setzt Tilmann den Text über seinen Vater Walter, den er bereits in einem vorherigen Buch als Bulletin herausgebracht, ungerührt wiederholend fort und will diesen wohl als einfühlenden Nachruf erkannt wissen.

„Doch dann kam der November“, gemeint ist der des Jahres 2003. Walter Jens war gerade im März 80 Jahre alt geworden, hatte mit seiner Frau Inge den ersten Bestseller in seinem literarischen Schaffen, eine Biografie "Frau Thomas Mann" hingelegt, die monatelang in der SPIEGEL Bestsellerliste ganz weit oben stand.

„Das von Christoph König edierte Internationale Germanistenlexikon erscheint. Es verzeichnet Ungeheureres“, schreibt Tilmann Jens. Mein Vater war, wie eine aufgefundene Karteikarte im Berliner Document Center belegt, von 1942 an, Mitglied der NSDAP.

Tilmann Jens beschreibt in epischer Breite, wie die nun anschwellende Debatte um Walter Jens den Atem nahm.

Walter Jens, der sonst keine Debatte scheute, der sich gerade 2003 einhellig rhetorisch vernehmlich gegen das Irak Kriegsabenteuer der USA, samt einer wahllosen Koalition der Willigen gestellt, sollte nun der feindselig gewordenen Öffentlichkeit, im Kreise der eigenen Familie, erklären, was ihm unerklärlich war und blieb, nämlich, dass ein 19 jähriger im Jahre 1942, zu einer Zeit in der Mündigkeit erst ab dem 21. Lebensjahr galt, von Amtswegen anerkannt mündig, rechtswirksam ein Aufnahmeformular als Mitglied der NSDAP eigenhändig unterschrieben haben?

Lag denn überhaupt eine eigenhändige Unterschrift von ihm vor, oder nur eine Karteikarte? Warum verweigerten ihm nun Frau und einer der beiden Söhne, Tilmann den Glanz im Auge des Gegenübers wie niemals zuvor?

Selbst jetzt nach dem Tod seines Vaters schreibt Tilmann Jens, noch bevor sein Vater heute in Tübingen unter der Erde begraben liegt, stoisch ungerührt

"Doch die Hinweise verdichteten sich",

ohne konkrete Hinweise zu benennen.

"Und mein Vater redet sich um Kopf und Kragen"

Über alles habe sein Vater freimütig Auskunft gegeben, über seine Asthmakrankheit, die segenreiche Wirkung von Pharmaka, seinen täglichen Medikamentenverbrauch, seine Depression, Nur jetzt, wo es um ihn als Identifikationsfigur einer ganzen politisierten Generation gehe, verweigerte er sich, weil er nicht mehr Herr der Debatte ist, meint Tilmann Jens.

Dass sein Vater vor Erscheinen des Lexikons mit dem Herausgeber lange korrespondiert habe, verschweigt sein Vater.

„Er rudert herum, konstruiert Ausflüchte. Er sei vermutlich ohne sein Wissen in die NSDAP aufgenommen worden.“

Die Haltlosigkeit dieser These habe Malte Herwig in seinem Buch über die Flakhelfer endgültig widerlegt, behauptet Tilmann Jens erneut zu Lasten seines Vaters, obgleich es namhafte Autoren gibt, die anderes belegen, nämlich, dass in den Kriegsjahren ganze Abiturjahrgänge zum Geburtstag des Führers Adolf Hitler. am 20. April jeden Jahres, unter medial progandistischem Geleit, von NS- Gauleitern, Provinzfürsten einfach ohne Kenntnis der Betroffenen, geschweige denn deren Vormünder, als der NS- Volksgemeinschaft als Morgengabe, sprich Kanonenfutter präsentiert wurden.

Um dem ganzen sowohl als auch, kann sein, kann nicht sein, zu Lasten seines Vaters die Krone aufzusetzen, ergeht sich Tilmann Jens lapidar in der Feststellung

"Ohne Zweifel: Der Vorgang an sich ist ohne Belang. Die Jugendsünde eines 19- jährigen, der schon zwei Jahre später , 1944, vor Freiburger Studenten ein mutiges Plädoyer für den verfemten Dichter Thomas Mann hielt. Aber dass auch er, das moralische Gewissen der Republik später nie offen geredet und reinen Tisch gemacht hat, das schmerzt. Auch mich. Doch am meisten, da bin ich sicher, schmerzte es ihn.“

Aus der Ferne klingt es für mich so, als ob es eigentlich nur um Belangloses in einer bestimmten Zeit, der NS- Zeit, geht, das aber unabkömmlich unabdinglich dazu taugt, die moralische Wirkung eines universell gebildeten Menschen, wie Walter Jens, wenn nicht wirklich öffentlich zu diskreditieren, so doch, in voller Kenntnis dessen psychischer Konstellation und lebenslang anfällig labiler Gemütsverfassung, zu schwächen.

Warum das?, weil 2003 im Irak, ohne UNO- Mandat durch eine Koalition wahlloser Williger, unter Führung der US- Administration George W. Bush, angeblich Krieg gegen den internationalen Terrorismus geführt wurde und weiter wird und sich der Sohn Tilmann Jens diesen zeitgeschichtlichen Zusammenhängen bis heute seinem Vater gegenüber verweigert?

"Allein die Ursachenforschung ist müßig, die Krankenakte geschlossen“,

fährt Tilmann Jens generös seinem Vater gegenüber in die Dritte Person verfallend fort, um dann umso heftiger in der Attitüde eines tückisch wohl wollenden Oberlehrers darauf zu bestehen:

"Aber die Lektion des passionierten Lehrers Walter Jens hatte es noch einmal in sich. Sein Schicksal scheint ein Schlag ins Kontor der Kreuzworträtselindustrie. Wir lernen, Hirnjogging wird überschätzt. Er hat nun wahrlich dicke Bretter gebohrt, 70 Bücher, geschrieben Hunderte von Reden gehalten. Eine erfolgreiche Impfung gegen Demenz war all das nicht".

So als ob Tilmann Jens die Tonlage seinem Vater gegenüber selber nicht ganz geheuer scheint, flicht er gerne Hinweise auf Sekundärliteratur ein:

„Niemand hat je behauptet. Mein Vater habe bewusst einen Schalter umgelegt. Aber nach zu lesen etwa bei dem amerikanischen Psychiater Leon Eisenberg oder bei dem Neurobiologen Joachim Bauer, einen Zusammenhang zwischen dementer Erkrankungen und lebensgeschichtlichen Traumata gibt es eben doch“.

Bei dem einen löse dieses oder jenes an Verlusten von Partner, Lebensverhältnissen, Wohnung, solche Anstöße zu Erkrankungen im Formenkreis der Demenz aus, bei seinem Vater sei es möglicherweise ein kleiner brauner Fleck auf der weißen Weste gewesen-

Welche braune Fleck auf der weißen Weste der Moral seines Vaters, wenn doch selbst Tilmann Jens alles so belanglos war?

Um welches Ach unter dem Dach des Hauses Jens geht es hier eigentlich. Trauer um de Verlust eines doch angeblich so geliebten und zutiefst verehrten Vaters klingt anders.

Für was steht eigentlich diese Auseinandersetzung des Sohnes Tilmann seinem Vater Walter Jens wirklich gegenüber, wo es doch erklärtermaßen wiederholt betont, nur um Belangloses geht?

Da die Wege von Trauer verschlungene Pfade in unerschlossene Zonen einschlagen, bin ich bemüht, Tilmann Jens hier nicht zu nahe zu treten, gar Unrecht zu tun,

Was bleibt ist die Frage:

"Wenn alles so belanglos, so abgeschlossen war und ist, was ist trotzdem für Tilmann Jens und seine Mutter so wichtig daran, dass es die Öffentlichkeit erfährt?

So schließt sich Anfang und Ende dieses Artikels Tilmann Jens über seinen verstorbenen Vater Walter Jens zum Kreis, wenn es da weiter zum Ende hin in der unpersönlichen dritten Person heißt:

"Was aber wird bleiben, jetzt da er tot ist? Eines zumindest, die tröstliche Gewissheit, dass nun nicht mehr der Greis, der am Ende kaum mehr war als Haut und Knochen, der Moribundus, der einfach nicht sterben konnte, die Sicht auf meinen Vater bestimmt."

Am Anfang hatte Tilmann auf die Frage, was wird von Deinem Vater bleiben, geschrieben, er habe zuerst gedacht, nichts!, nur eine große Lücke.

Das ist mehr als Tilmann Jens seinem Vater am Ende seines Textes einräumen mag, auch wenn er am Anfang davon schreibt, der Abschied ist schon lange genommen, wir haben seinen Tod nicht in tiefer Trauer, sondern in großer Dankbarkeit inseriert.

Selbst hier geht es Tilmann Jens scheinbar nicht um Empfinden, sondern um das Inserieren im Namen einer „öffentlichen Familie Jens“ an die Öffentlichkeit, als solle hier etwas, dass einmal eine Person war, als „Moralischer Sondermüll“ auf dem schnellsten Wege, ohne Zwischenlager, für alle Zeiten auf der Anhöhe im Tübinger Waldfriedhof entsorgt werden?, damit der Kopf von Tillmann Jens nicht von Vater- Realität belastet, wieder frei für ein ungetrübtes Vaterbild ist?

Dabei dachte ich lange, Tilmann Jens ist ein „Vaterbild Zertrümmerer“, aber wenn er das nicht ist, was ist er dann?

Haben wir nicht gerade die Debatte über den "gewaltfreien" Kindesmissbrauch von sektiererischen Teilen DER GRÜNEN, voran aus der Feder vom damals jüngeren Daniel Cohn- Bendit, die gerne vom Medien Mainstream unter der Rubrik

"Exotischer Latzhosen Bürgerschreck"

auflagensteigernd, quotengeiernd in den späten 70ziger Jahren des 20, Jahrhunderts hierzulande kolportiert wurde?, erlebt, wenn ja, was ist dann Tilmann Jens Treiben zu Lasten seines lebenden und nun verstorbenen Vaters Walter Jens anderes als emotionaler Altenmissbrauch?

Der Begriff "Altenmissbrauch", fern der Achtung und des Respekts gegenüber Vater und Mutter, Onkeln, Tanten, klingt hierzulande irgendwie noch ungewöhnlich und ist doch Alltag.

Da Trauer über Verluste und sei es der familäre Sturz einer väterlichen Portalfigur, neben vielen anderen Gefühlen der Bestürzung, Verzweiflung, Schuld, auch Wut auslöst, um den scheinbar nur befristet unterbrochenen Kontakt zum für abwesend, geistig tot erklärten Vater Walter Jens auf argumentatives Biegen und Brechen und sei es gewalttätig wieder herzustellen, traue ich mich inzwischen mich dem bisherigen Scheitern der Trauerarbeit Tilmann Jens über den "vorübergehenden" Verlust seines Vaterbildes anzunähern.

Um welche Art von emotionalem Missbrauch es hier, willentlich unwillentlich, in der Vergangenheit von des Vaters, wie des Sohnes Seite in der Gegenwart als Retourkutsche gehen mag, bleibt, wenn es überhaupt darum geht, im Dunkeln.

Was Tilmann Jens anstatt einer öffentlich nachvollziehbar einfühlenden Trauer über den Verlust seines Vaterbildes vollzieht, ist das Ansammeln von Denk- Stoff in seinem "Ruckzuck" Rucksack- Gepäck, das ihn bis ans Ende seines Tage nachhaltig beschäftrigen wird, nämlich, das Bild seines Vaters, so oder so, einmal in deftig schrillen Popo Puder Pop- Farben als "Verdeckungsarbeit" , einmal in zarten Tränenwasser- Farben, insgeheim und öffentlich, als "Aufdeckungsarbeit" auszumalen

JP

http://www.zeit.de/2009/09/L-Jens

Walter JensDer Mann seines Lebens

Von Iris Radisch

Datum 19.02.2009 - 10:03 Uhr

Tilman Jens verklärt und denunziert seinen an Demenz erkrankten wehrlosen Vater Walter Jens

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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