Dieses Gedicht ist meinem Bruder Winfried Petrick, geboren am 30. November 1942 im damaligen deutschbesetzten polnischen Warthegau/Posen, heute Pozsnan, verstorben am 30. August 2013 in Hamburg, Kriegsflüchtlingskind, wie ich, gewidmet, der unvermittelt in Tränen ausbricht, solange er lebte, wie ich.
Flüchtlingsweh
Kennst Du Land und Leut auf Erden, z. B. in Hamburg
wo vom Rand her durch die Mitten
eines Willkommenskulturfestes für Flüchtlinge
von nah und fern
aus Lampedusa, Syrien, Irak
Libyen, Afghanistan, der Ukraine, Somalia, Mali
in einem froh erhelltem Gemeinderaum
jemand plötzlich, eben noch selber lachend
augenzwinkernd vor lauter Jubel, Trubel, Heiterkeit
in fremder Zunge flirtend
verstummt, schweigt, stehenden Fusses umkehrt
grusslos auf sein Zimmer geht?
Würdest Du diesem Jemand, in Gedanken, folgen
bei ihm sein?, wenn ja
du würdest ihn hören, sehen,
wie er sich wimmernd, schluchzend zwischen die Laken,
Kissen seines Bettes legt
wie Jemand, den ein Flüchtlingsweh ereilt
Was vorhin noch vor lauter Freude über das Willkommensein,
geliehene Geborgenheit, geborgte Zeit,
Lust, Gejohle, Gelächter, fröhliche Heiterkeit war
zerschellt, zerstiebt, als Echo schwindend
in Schall und Rauch
Dieser Jemand wimmert, weint ohne Unterlass
weinst Du im Stillen auch?
Joachim Petrick, Hamburg, 30. November 2014
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