Gerhard Zwerenz (GZ) "Nie wieder Neunzig"

GZ, Der Geräderte Gerhard Zwerenz, der aufs Rad deutsch- deutscher Geschichte geflochten, Jedermann, ohne Ansehen der Person noch des Mieders, das Wasser reicht, ist seit gestern neunzig

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Gerhard Zwerenz, am 3. Juni 1925 im Sächsischen geboren, seitdem, Jahr um Jahr, erst einmal, dann zweimal, dann immer öfter noch und nöcher zorniger?

Gerhard Zwerenz, sächsischer Ziegeleiarbeitersohn, nach der Schulzeit zwei Jahre Kriegsdienst in der Deutschen Wehrmacht,

1944 fahnenflüchtig, bei Warschau von der Roten Armee als sowjetischer Kriegsgefangener inhaftiert,

1948 aus der Kriegsgefangenschaft in die Sowjetzone nach Sachsen entlassen,1

948- 1950 DDR- Volkspolizist,

kurzzeitig Dozent,

1949- 1957 SED- Mitglied,

1952 bis 1956 studiert Zwerenz Philosophie bei Ernst Bloch an der Universität Leipzig,

seit 1956 arbeitet Gerhard Zwerenz als freiberuflicher Schriftsteller,

1957 wird Zwerenz im Verlauf und Follge der Schauproszess gegen den SED- Chef- Ideologen Wolfgang Harich (1923- 1995), den Dramaturgen und Verleger Walter Janka (1914- 1994) aus der SED ausgeschlossen,

ein halbes Jahr später flieht Gerhard Zwerenz über West-Berlin ins Rheinländische Dorf Kasbach, lebt in München, Köln und Offenbach/Main und heute, gemeinsam mit der Autorin Ingrid Zwerenz, in Oberreifenberg/Taunus.

Gerhard Zwerenz ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland und war nach der Wende 1989 in der Legislaturperiode 1994- 1998 auf der offenen Liste der PDS, heute Linkspartei, neben Stefan Heym (1913- 2001), parteiloses Mitglied im Deutschen Bundestag .

Gerhard Zwerenz, ein Dichter, Denker, ein seismografischer Ärgernisaufspürer- und - lenker, ein gestandenes Mannsbild, breit wie hoch, das mit offenem Hemd, weit geschwellter Brust über Jahrzehnte als schrill und grell verschrieener "Konkret" Zeitschift Wortakrobat "Pornograf" vom Dienst mit einem ausgewachsenen Triller unter seinem ungegeelten Poni deutscher Kultur- Nation Zunge nach Hüben und Drüben gegen das Axel Cäsar Springer spät- abendländisch christliche Credo Schwestern und Brüder Gelübde

"Seid nett zueinander"

ein bumsfideles

"Seid nett aufeinander" intonierte und rief

"Viel Feind! Viel Ehr! Alle Speere zu mir".

Gerhard Zwerenz, der aufs Rad deutsch- deutscher Geschichte geflochten, Jedermann, am liebsten aber jeder Frau, Genossin, ohne Ansehen der Person noch des Mieders, sonstigen Gefieders, als, selbstermächtigt, strenger Sittenwächter im Hütewald für Kulturbanausen, einmal eloquent behend gesessen, dann wiederum per Sauseschritt im aufrechten Gang das Wasser reicht, 1925 in Gablenz/Sachsen geboren, erreichte gestern am 3. Juni 2015 das nachbiblische Alter von neunzig Jahren.

Noch vor dem Berliner Mauerbau am 13. August 1961 hatte Gerhard Zwerenz, aus dem Sächsischen in Leipzig kommend, 1957 einfach nach Westdeutschland rübergemacht, sozusagen zu diesem historischen Fatum 1961 des Kalten Krieges "praecox" im linksrheinischen Dorf Kasbach in einer Gartenlaube als Behelfsbehausung mit Frau und Kind seine frühe "Gemüts- Biogafie" unter dem Titel, gleichnishaft seinem "Gemächt" geschuldet

"Aufs Rad geflochten"

als der Knabe aller Knaben Jahrgänge 1922 bis 1929 Flakhelfer Polemik- , Schmäh- und Lunte- Wunderhorn verfassst und nichts Gutes, außer man tut es, an den deutsch- deutschen Wirtschaftswundergenossen auf dem ost- westlichen Diwan postabendländischer Kultur Mischpoke gelassen:

In dieser "Gemüts- Biografie" hagelt es an Schmähungen an polemischen Anwürfen aus dem gesellschaftlichen Abtritt,

"Reich mir Deine Flosse Genosse, hinein in die Verbal- Injurien Gosse":

Dem Covertext des Kiepenheuer-Verlages zufolge 1961 soll Gerhard Zwerenz Buch

"....der Bestimmung eines neuen Standorts dienen, um den sich der Autor in scharfer Auseinandersetzung mit dem östlichen Funktionärsstaat und der westlichen Wohlstandsgesellschaft bemüht".

Ober SED- Genosse Walter Ulbricht gilt Gerhard Zwerenz damals als ein "mißratener Sachse" der das negative "Proletariat" verkörpert.

Den spanischen Generalissimo Franco Fan und Munkel- , Dunkelgänger, den CSU-Politiker Richard Jaeger fordert er "Schwarz auf Weiss" in bleiernen Lettern geschmettert auf, sich aktiv mit einem letzten "Paternoster"

"......von seiner Kirche exkommunizieren (zu) lassen";

der Ostberliner Lyriker Stephan Hermlin sei ein "literarisch lizenziertes Masttier"; der Fall Globke signalisiere "das wirkliche Halbstarkenproblem" der Bundesrepublik.

- Dazu sei angemerkt: Damals 1961 war der westdeutsche Film

"Die Halbstarken"

als bundesdeutsche Adaption an den James Dean US- Film

"Denn sie wissen nicht, was sie tun"

mit Heinz Rühmann als boxend ringender Arbeiter- Pfarrer im Halbstarken Milieu ein Straßenfeger -

"Der westdeutsche Publizist Erich Kuby, 1958 Verfasser des gesellschaftskritischen Bestellers über das Leben der von "Unbekannt" ermordeten Edel- Hure Rosemarie Nitribitt in Frankkfurt/Main

"Rosemarie. Des deutschen Wunders liebstes Kind"

sei "absolut amoralisch".

Warum eigentlich?, meint Gerhard Zwerenz dies als Lob dessen Gesinnungsadels?

- Adel der Gesinnung, eine Worterfindung Kaiser Wilhelm II gegen die Allmacht des Adels bei den kaiserlichen Heeren, der Marine im Zweiten Deutschen Kaiserreich von Königs- und Fürstengnaden für die Aufnahme von Bürgerlichen in den Offiziersstand, was aber selbst Wilhelm II, anders als er wollte, für diese Bürgerlichen, voran die "Einjährigen", nur bis in den mittleren Offiziersrang gelang -

oder Tadel, beantwortet Gerhard Zwerenz im kühnen Schwange als mediumgeile Rampensau aufs Rad seines Ungestüms geflochten nicht wirklich.

So geht es in dem Buche gar nicht heiter weiter ".... der Bundesbürger bewegt "die Kiefer nur noch zum Fressen"; die deutsche Linke ist "zu mies", und die deutschen Dichter in Ost und West sind allesamt nur "Feierabendglocken".

Die westdeutschen Linksintellektuellen sind Gerhard Zwerenz 1961

"...eine Spezies austernschlürfender, glatthäutiger Leute, deren Moral im gemächlichen Ausverkauf alter Werte ohne Hinzutritt neuer besteht".

Der westdeutschen Industrie verheißt er für den Fall, daß sie ihm ihren Preis - den "Literaturpreis des Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie" - verleiht, ein Dankeschöntelegramm mit diesem Wort:

"Bin für volkseigene Betriebe und entschädigungslose Enteignung."

Gerhard Zwerenz meint von sich:

"...aus einer sehr schlechten Welt in eine schlechte gekommen",

und sucht damit damals tagebuchartig seine Situation in der Bundesrepublik Deutschland zu umschreiben.

"Nun sitz' ich und hämmre meinen Groll in die Tasten."

Auf stilistische Feinheiten kommt es Zwerenz zeitlebens als Karl May Fan und letzter Mohikaner mit Sinn für proleletarische Grobheiten, Verbal- Injurien, amorös heikle Finessen auf "

Hoher Gedanken See und Warte",

eingedenk seines sächsischen Kultur- Gesinnungsgenossen Hans Bötterich, alias Joachim Ringelnatz (1883- 1934) ringelnatzerich nicht an.

"Ich neige zum anarchischen Schreiben",

schimpft Zwerenz sich selber.

"Mein Name sei Wüterich" ohne Glimpf auf die unpolitisch Vagabunden Schöngeister:

"Die am schönsten reden, haben die schmutzigsten Finger."

Das hallt bis in unsere Tage nach, als wolle Gerhard Zwerenz, im Blätterwald holzend, eine Lichtung schlagen:

"Stecke sie alle, Kommunisten, Konservative, Christ- und Sozialdenmokraten, Die Grünen, die AfD, FDP, Linken, Rechten, bankster, Gangster, Aristokraten in einen Sack und haue drauf

"Du triffst immer den Richtigen"

Damals ermuntert Gerhard Zwerenz seine Schriftstellerkollegen zum "Engagement" und macht ihnen und sich selbst Mut:

"Also, keine Angst vor dem 'wilden' Schreiben, vor der einbrechenden Wirklichkeit, dem direkten Bezug, vor allgemein verständlichen Sinnbildern. Keine Angst vor den Bannbullen der ästhetischen Kommandeure... Was Experiment war, ist zum Zirkus degeneriert."

Einige seiner bundesdeutschen Dichterkollegen hat der Beute- Westler Neuzugang Gerhard Zwerenz auf den Kieker

"Bin hier wohl ganz der Prolet, dem etwas gefällt und zugleich mißfällt"

registriert Gerhard Zwerenz 1961 in seinem biografisch angelegten Tagebuch und apostrophiert einige bundesdeutsche Dichterkollegen namentlich.

Der Lyriker und Literaturprofessor Walter Höllerer (1922- 2003) sei: "Unheilbar avantgardistisch, sanft lächelnd, gewinnt noch dem letzten Widersinn eine Plausibilität ab".

Über die Klagenfurther Dichterpreisträgerin, Preisträgerin der Gruppe47 im Jahre 1953, die Lyrikerin, Hörspielautorin Ingeborg Bachmann (1925- 1973) heißt es bei Zwerenz damals so gleich:

"Ist's fauler Zauber oder 'Neue Wirklichkeit'";

Den Fussball- Fan, Schriftsteller, Philologieprofessor Walter Jens(1923- 2013), für den der erste und einzige Lehrstuhl für Rhetorik Deutschlands beim Üben im Hüben und Drüben an der Universität Hamburg eingerichtet wurde, erkennt Zwerenz als:

"Zu klug, um wahr zu sein."

Über Günter Grass (1927- 2015) und dessen 1957 veröffentlichten Bestseller- Roman:

"Die Blechtrommel"

fällt Zwerenz vorab ein klares Urteil:

"Erster Eindruck: Mütter, hütet eure Töchter";

Das mutet in gewagter Umkehr auf Gerhard Zwerenz als Wortspiel gemünzt an, wie.

"Väter hütet eure Buben in den Stuben"

Über den katholischen Romancier Heinrich Böll (1917- 1985) "Ein Schluck Erde" 1961, "Ansichten eines Clowns" 1963, klingt Zwerenz so:

"Vater, Moralist, Gehetzter, immer auf der Suche nach Gerechtigkeit. Stell mir ihn immer Türen öffnend, Fenster aufreißend vor: Bedürfnis von Licht, Luft, Stille."

Und überhaupt Gerhard Zwerenz liebt, wie einst Joachim Ringelnatz,

- der lebenslang niemals Dichterfürst, nur dichternder Matrose sein wollte -,

allerdings ohne dessen ausladendes Grimassenscneindetalent und -spiel, mit unbändigem Drang aus dem Stehgreif zu raufenden Verbindungen von offener Bühne hinab ins geneigte Publikum, schwankend im Gang, wie auf glatten Planken an Schiffsdeck, "Kuddel Daddeldu" das gefahrenreiche Leben auf Hoher See zu demonstireren

"Das an- und abschwellend Tosende, das Vorlaute"

in not- und sturzgeborenen Nachkriegsrunden:

"Lieber ein voreiliges Nein als ein voreiliges Ja... Wir Nachkriegsopfer (haben) noch mehr Grund, frech und frech und.........zu sein.."

Unvergessen für mich, Gerhard Zwerenz als Mitglied des Deutschen Bundestages (MdB) gemeinsamer Auftritt mit dem PDS- MdB Sarah Wagenknecht bei den Hamburg- Barmbeker Gesprächen 1995, als Zwerenz Sarah Wagenknecht beistand odhne ihrer Meinung beizupflichten.

Sarah Wagenknecht hatte sich zu einer Anwort auf meine Frage verstiegen:

- Es war gerade das Rotbuch über die Verbrechen in der Stalinzeit in Frankreich herausgegeben, ins Deutsche übersetzt worden -

"Warum die Linke in Europa diese massiven Widerstände gegen die Aufarbeitung stalinistischer Verbrechen von 1924 bis 1953, dem Jahr des Todes von Josef Stalins, an den Tag legt?"

Sarah Wagenknecht 1995:

"Anders als der Kapitalimus, ist der Kommunismus gezwungen über seine Verbrechen, wenn es denn wirklich welche gegeben haben mag, eine Decke des Schweigens auszubreiten"

Gerhard Zwerenz hatte sich damals um kollegiales Verständnis für Sarah Wagenknechts, Jahrgang 1969, bemüht, dass ihre Meinung wohl der Unbefangenheit ihrer Jugend geschuldet sei, auch wenn er ausdrücklich, expressis verbis, anderer Meinung war.

Inzwischen hat Sarah Wagenknecht ihre Meinung in dieser Frage öffentlich wiederholt revidiert.

Gleichwohl ist anzumerken, dass wir seit Nine Eleven 2001 ohne Unterbrechung bis heute mit Verbrechen konfrontiert sind, die im Namen des Krieges gegen den Internationalen Terrorismus der USA, der NATO in wechselnden Allianzen der Willigen weltweit gegen Zivilbevölkerung mit Hunderttausenden Toten, Millionen Versehrten, traumatisierten Flüchtlingen geschehen, über die hierzulande medial gesprochen, diskutiert wird, ohne das irgendjemand sich vor Internationalen Strafgerichtshöfen zu verantworten hat.

Gerhard Zwerenz ist selbstverständlich längst im Internet unterwegs. Sein Webblog-Roman"

Die Verteidigung Sachsens und warum Karl May die Indianer liebte"

schwoll bis Januar 2015 auf 3.500 Seiten an.

Auf die Interview Nachfrage des Hessischen Rundfunks (HR) zu seinem 90. Geburtstag, wie es ihm nach einem Sturz vor Wochen gehe, meinte Gerhard Zwerenz in gewohnter Manier mokant mit Arg und List in Peronalunion:

"Wenn es mir besser ginge, würde ich vielleicht noch religiös."

HR: " Hat Sie das Thema Pegida aufgeregt und auch die Diskussion um die AfD?"

Zwerenz: " Wahrscheinlich ist das Ende der Menschheit längst vorüber."

Diesem hochgesinnt sympathischi wortmächtigen

"Hau- Drauf- Wüterich" ,

dem "GottSeibeiUns"

aller Schwiegermütter, Gerhard Zwerenz zu seinem Neunzigsten Geburtstag seinen Segen zu spenden, verbietet sich von selber, ist vergebliche Müh, er hat mit seinem eigenem Mut zum Segen auf der Hut genug am Hut.
JP

2004: „Rechts Raus.“ Biographie von Torsten Lemmer Ex-Rechter. Vorwort von Zwerenz. (Das Neue Berlin, Berlin)

2004: Sklavensprache und Revolte (mit Ingrid Zwerenz) (Schwartzkopff Buchwerke, Hamburg)

Gerhard Zwerenz: "Ärgernisse - Von der Maas bis an die Memel". Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln; 344 Seiten;

Gerhard Zwerenz: "Aufs Rad geflochten". 312 Seiten; 15,80 Mark. "Die Liebe der toten Männer". 240 Seiten:. Beide im Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln.

https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/death-of-germany-s-guenther-grass
JOACHIM PETRICK 16.04.2015 | 03:35 10
DEATH OF GERMANY`S GÜNTHER GRASS

https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/stephan-hermlin-1915-2015#1428892656897629
JOACHIM PETRICK 11.04.2015 | 22:26 3
Stephan Hermlin (1915- 2015)

1948 publizierte Anti-Kriegs-Ballade vom Holzhaufen bei Minsk.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43161004.html
03.05.1961
ZWERENZ
Noch zorniger

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Joachim Petrick

Aktuelles: Meine sichere Route- Refugee-Airlift - Petition "Luftbrücke für Flüchtlinge in Not" an die MdBs des Bundestages erhofft Debatte

Joachim Petrick

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden