Klick, Klick macht das MG, oder die Klicke

Der Überläufer Vorschau und Rezension:Siegfried Lenz: Der Überläufer. Roman. Hoffmann und Campe. 370 Seiten, 25 Euro..Für Walter Proska wird klar, Schuld liegt auf allen Seiten

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Klick, Klick, macht das Maschinengewehr (MG) fern, dann nahend vom Horizont her in der Weite Ost- Polens an gottverlassenem Ort, wo sieben Soldaten mutterseelenallein im Namen der Deutschen Wehrmacht an Bahn- Gleisen auf Wachposten stehen.

Einige von ihnen sind noch nicht einmal volljährig, durften nur in das ersehnte Ehrenkleid eines deutschen Soldaten schlüpfen, weil ihre Eltern ihrer Freiwilligkeit, ihr Leben, ihre Unversehrtheit, von der Schulbank weg, für Führer , Volk und Vaterland hinzugeben, mit Weh und Ach doch patriotischen Herzens zugestimmt hatten

Sieben gegen 700, was sagt das schon, wohl eher 7000 Partisanen, die im Walde, auf Höhen in der Deckung stehen, in unwegsamen Tälern lauern, den Feind, die sieben deutschen Soldatan auf der Wacht vom Leben in den Tod zu befördern, zu vernichten. Tagein, tagaus immer dasselbe, niemals Offensive, alle Tage nur auf Wacht, am Morgen, Mittag und einer jeden Nacht der Eintönigkeit der Einöde.ums Verrecken auf soldatische Tugend der Wachsamkeit bedacht.

Das zermürbt, das nagt am Soldatenstolz, wo doch anfangs nicht wenige von ihnen dachten, sie hätten den Heldenstab, Ritterkreuz am Bande mit Brillanten im Tornister, um durch große Heldentaten, nach kurzem Fronteinsatz an der Heimatfront Alten und Jüngeren Tapferkeit vorm Feind und todesverachtendes Heldentum zu lehren

Klick, Klick, die Klicke, das waren jene im Wehrmachtshauptquartier Zossen bei Berlin, im Führerhauptquartier in der Wolfsschanze nahe Rastenburg in Ostpreußen, die sie an diesen gottverdammten Ort im Osten Polens zur Wacht befohlen hatten.
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Am 27. Februar 2016 erschien im Verlag Hoffmann und Campe der Roman „Der Überläufer“. eines der ersten großen Werke von Siegfried Lenz aus den Jahren 1951- 52.

Der Roman wurde erst nach seinem Tod 2014 in seinem Nachlass entdeckt und nun veröffentlicht. Allein die Geschichte seines Nichterscheinens ist ein Romann deutsch- deutscher Verleger Geschichte im Kalten Krieg.

Dass der Roman unbekannt war, wie es uns nun allenthalben versichert wird, ist nur die halbe Wahrheit, denn genau dieser Roman "Der Überläufer" wurde 1951 von DER ZEIT in einer Sammelrenzension mit besprochen.

Man vermag sich heute kaum zu gegenwärtigen, wie die Herren Verleger, Lektoren im Verlag Hoffmann und Campe, Zigarre rauchend, Kaffee schlürfend, gerungen haben, ob dieser Roman Siegfried Lenz "Der Überläufer" veröffentlicht wird, oder nicht, waren sie doch selber als Kameraden gerade so eben ganz gewiss an der Seele, wenn nicht gar am Leib versehrt, aus dem Krieg, aus der Gefangenschaft, aus Larzarettaufenthalten untherapiert heimgekehrt, gleich. ob Hüben, gleich, ob Drüben in der Zone, was damals für die DDR provisorisch als Standby Name galt.

: Ein Wehrmachtssoldat, der 1943 im Krieg in auswegloser Lage, umzingelt, gefangen, mit dem Gesicht zum Bahndamm zu stehen, erschossen zu werden, oder zu leben,.nicht einfach die Seiten wechselt und sich den Partisanen unter dem Kommendo der Roten Armee anschließt, sondern überläuft vom Krieg in den Frieden und über alle Schlachtfelder, Schützengräben hinweg, Jedermann einlädt, es ihm gleichzutun.

Seine politische Überzeugung war, der Krieg auf wessen Seite auch immer, ist kein Partner des Menschen, der einzige Partner des Menschen ist Frieden

Auf jeder Seite der Front stehen auch immer nur Menschen, die hungern, nach Leben dürsten, wie Du und ich.

Der Roman ein Kontrapunkt zu den üblichen "Landsergeschichten" jener Nachkriegsjahre voller Heroisierung, soldatischer Tugenden, Romantik, Veteranenstolz, Annekdoten, soldatischem Heldentum auf Höhe soundso, kameradschaftlichen Sentimentalitäten des Soldatenlebens der Deutschen Wehrmacht, Haudegen der Waffen- SS, an allen Fronten zu Wasser, zu Lande, in der Luft mit modernster deutschen Hochglanz Waffentechnik bis zur V 1, V 2, JU ((, STUKA Kampfbomber, Messerschmidt Düsenantrieb Kampfflugzeug ME62

Eine Geschichte, die 1951/52, Hüben und Drüben, dem Wiederaufbau-Elan der Ulbricht SED- DDR, der Adenauer-Bundesrepublik mit ihrem Weg zur "Formierten Gesellschaft" des Wirtschaftsministers Professor Ludwig Ehrhard womöglich die Laune kurzweilig vermasselt hätte.

Nach Siegfried Lenz Erfolg mit seinem Roman "Es waren Habichte in der Luft" (1950), der ihm beim Hamburger Verlag Hoffmann und Campe soeben den Vertrag für einen zweiten Roman eingebracht hatte, war "Der Überläufer Siegfried Lenz‘ als zweites Buch in Planung.

Der Roma beginnt als eine Art Kriegs- und Frontbericht, erzählt entlang etlcher Einsätze des jungen Walter Proska an verschiedenen Fronten von Narvik bis Kreta. Die Romanfigur Walter Proska wird von Siegfried Lenz, aus Lyck in Masuren kommend, in seinem eigenem Heimatort angesiedelt.

Das ist die geläufig bekannte Machart einer typischen Lenz-Romanfigur. Proska ist verwandt mit der anderen Romanfigur Siggi Jepsen aus dem Roman "Die Deutschstunde" (1968) und mit der Romanfigur Zygmunt im Roman "Heimatmuseum" (1978) verbandelt.

Eigentlich versteht sich Walter Proska unpolitisch, gleichwohl ist er sensibel für Unstimmigkeiten politischen und soldatischen Handelns.

Proska ist nach dem Heimaturlaub auf dem Weg an seinen Einsatzort im deutschbesetzten Polen, als sein Zug durch Partisanen gesprengt aus den Gleisen springt,

Proska landet als einziger Überlebender des Truppentransporters an unbekanntem Ort in der Weite Ostpolens, oder befindet er sich bereits im deutschbesetzten Weißrussland, der Ukraine? Er weiss es nicht.

Am „Kontrollpunkt 25“, seinem Einsatzort, an dem der Unteroffizier Willi Stehauf mit einer Handvoll Soldaten Bahndamm und Stellung verteidigt, ist er jedenfalls nicht. Junge Kerle sind sie allesamt: Zwiczosbirski aus Schlesien, den alle Schenkel nennen, weil er ein Hinkebein sein Eigen nennt. Baffi, der Koch und Feuerschlucker. Zacharias, dessen Frau zu Hause das erste Kind erwartet. Wolfgang, der Jüngste, das „Milchbrötchen“, mit seinen vermaldeit todessehnsüchtigen Gedankenanflügen.

Allesamt Männer jenseits von Eden, da wo Mama lebt, jenseits allen Heldentums, die Lenz beim Rauchen, beim Scheißen, beim Warten, beim Angeln und beim Streifengang fachmännisch im Stil des Reporters beobachtet.

Sie lauschen auf das Klick, Klick der Maschinengewehre, suchen die Landschaft mit ihrer überhitzt schwirrenden Luft nach aufblitzenden Mündungen, nach blankem Stahl ab, gehen wie Roboter die Überlebenstaktik nach Dienstvorschrift (DVD) durch: spähen, Sprung auf, Marsch!, Marsch" runter in den Dreck, robben, wieder aufsrpingen, rennen, niederwerfen, in Deckung gehen. Sterben sieht der Autor wie der Leser sie trotzdem, einer folgt dem anderen.

Wie ausgesetzt wirken die jungen Soldaten in dem winzigen Kosmos einer Soldaten Clique auf Wachpsoten am Bahndamm in ihrer „Waldfestung“.

Rätselhaft herausgelöst aus der eigentlichen Wirklichkeit des Zweiten Weltkrieges, eingehüllt durch die alles vernebelnde Hitzeglocke polnischer Sommer mitten in einer Sumpflandschaft voller Milliarden Mücken, kaum definierbarem Ungeziefer

Das wahre Leben, eine unerreichbar ferne Geschichte. das nur noch in Erinnerungsfetzten greifbar scheint. In der innigen Liebesgeschichte von Proska und Wanda, dem Partisanenmädchen, die schwanger ist, mit der im Roman die reine Männerwelt einerseits bricht, andererseits um so krasser ausgeleuchtet scheint.

Das ist in meiner Erinnerung auch das übliche Stilmittel von Landserheftromane. Lenz macht hier aber in seinem Roman darüber hinaus aus der innigen Liebesgschichte ein zartbesaitetes Kammerspiel

In der Wahrnehmung der „Zivilisten“, die entweder wie Zombies, Tote auf Urlaub erscheinen, oder als Partisanen, verdichtet sich das ganze Elend von Besatzungsoldaten, siehe die Bundeswehrsoldaten in Afghansitan, die niemals wirklich wissen, wer Freund, wer Feind ist, Ein Ausnahmezustand, in dem Grund und Sinn ihrers Dienstes an der Waffe längst im Treibsand ständiger Angst, Panikattacken, Drogen- und Medikamentenmissbrauch verdunstet sind.

Die Deutsche Wehrmacht hat nachweislich zu Beginn des Zweiten Weltkrieges 200 Millionen Tabletten Perfitin, heute unter dem Namen Crystal Meth aus der Tschechei eingeführt, als Stimmungsaufheller für die Truppe zu Lande, zu Wasser, in der Luft, gebunkert..

Siegfried Lenz schildert das Kriegsgeschehen investigativ entschieden. Da werden, Kapitel 11 seines Romans, auf der Suche der Soldaten nach Essbarem in einem Bauernhaus, dessen Reetdach wie ein zu langer Wintermantel struppig bis über die Fenster hing, das als Larzarett mit Operatiosntischen eingerichtet, fluchtartig verlassen wurde, unter unerträglichem Gestank, durch Notoperationen abgeschnittene Füsse, Beine, Arme, Hände in die Ecken geworfen, vorgefunden

Ein lakonisches Rückbesinnen, das es an Direktheit kafkaesker Züge nicht fehlen lässt

In der auf Befehl und Gehorsam zusammengedampften Moral, lauernd willkürlicher Anmaßung von Vorgesetzten, in einem irrlichternden Pflichtgefühl – „Diese Pflicht, die hat man uns unter die Haut gespritzt“ – oder dem diffusen Begriff der „Klicke“, mit dem Walter Proska Nazi-Machthaber in der Ferne eher beiläufig als Strolche kenntlich zu machen sucht.

. Die beiläufig pointierten Redewendungen im Roman „Familienmitglieder haben sich doch gewöhnlich nicht viel zu sagen.“ Die schönen schrägen Bilder, in denen sich die Natur zur Atmosphäre verdichtet: „Der Tau saß zwinkernd auf den Gräsern, der Himmel sah hoffnungslos heiter zu und die Sonne schlurfte lautlos … über die Baumkronen.“

Der warmherzige Menschen- und Tierbeobachter unter den Kameraden, dem die Jagd nach einem gewaltigen Hecht zum Stummfilm reifen Drama mit tödlichem Ausgang gerät: „Er sah auf das Auge seines Gegners, ein ruhiges, nicht von Furcht entstelltes, gleichgültig blickendes Fischauge … das in seiner Gelassenheit finster und freundlich zugleich auf dem Mann ruhte.“

Andererseits die kriminogen geschwängerte Atmosphäre der Melange aus ständiger Angst und gähnender Langeweile, Eintönigkeit des Dienstes, hyperventilierend hysterischer Leere der Kameraden miteinander mit der unerträglichen Situation umzugehen. führt beim Unteroffizier Willi Stehauf dazu, Menschen in der Ferne in der Sumpflandschaft mit seinem Karabinergewehr K98 als Zielscheibe zu nehmen, gezielt Jagd zu machen, einfach so. Keiner der Kameraden redet ihm rein

Eines Tages kommt es, wie es kommen muss, der Unteroffizier Willi Stehauf der Deutschen Wehrmacht schießt aus Langeweile einen Pfarrer des nahen Dorfes auf seinem Gang mitten im Sumpfgebiet in den Rücken. Der fällt um. Keiner der Kameraden schreit auf, springt auf, nach dem Pfarrer zu sehen, ihm zu helfen, angesichts dieses himmelschreienden Kriegsverbrechens.

Alle Kameraden versinken von nun an gemeinam in eine blelern stumpfe Mattigkeit, mit einem "Schuss" um ein Jahrzehnt gealtert, dem Wahnsinn nah. Die Gefahr für sie ist von da ab ohne Not zusätzlich aufgeladen.

Siegfried Lenz hatte die erste Fassung seines Romans 1951 unter dem Titel "… da gibt’s ein Wiedersehen“ Hoffmann und Campe eingereicht

Sogar der Aufforderung seines Lektors Otto Görner war Lenz gefolgt und hatte den Roman umfassend neu und ergänzend bearbeitet.

Die betonte Herausarbeitung der "Fahnenflucht" (Desertion) der Romanfigur Walter Proska , der in der ersten Fassung nach Kriegsende im Roman Verlauf auch in den sozialistischen Mühen und Mühlen der SBZ durchaus angepasst scheint, dann aber auf ganz neue Weise die Verlogenheit des Systems zu erahnen meint, hat zur Folge, dass die zweite Fassung 1952 dauerhaft in der Schublade des Verlags Hoffmann und Campe verschwand und in gezielte Vergessenheit geriet.

Wieviele andere Werke aus jener Zeit unserer Väter-, Mütter- Generation mag es wohl ähnlich ergangen sein? Was für Schätze, Schlüsselromane schlummern da noch unverlegt?

„Ein solcher Roman hätte 1946 erscheinen können … heute will es bekanntlich keiner mehr gewesen sein“, so Görner in seinem Ablehnungsschreiben an Siegfried Lenz.

Was der Veröffentlichung des Romans 1952 entgegenstand, ist auf keinen Fall seine metaphorische Kraft, die heute um so mehr Wirkung entfaltet. Es ist der Freigeist in diesem Roman, der von einer anderen Kameradschaft erzählt, als Walter Proska von Partisanen gefangen genommen, in einem Raum im Dämmerlicht einem Kerl gegenüber sitzt, der ihn bewachen aber auch wohl verhören soll. (Kapitel 9, ab Seite 230)

So einen riesigen Kerl hat Proska sein Lebtag noch nicht gesehen, der Arme wie Baumstämme, Hände so groß wie Bratpfannen, einen Rumpf und Kopf mit gewaltigen Ausmaßen hat und einfach da so ruhig auf seinem Stuhl sitzt, die Kalaschnikow lässig neben sich gestellt, ihn freundlich anlächelt, ihm eine Bierflasche voller Fusel reicht und befiehlt "Trinken".

Walter Proska, der mit seinen 23 Jahren genug hat vom Besoffensein als Dienst am Kameraden, dem deutschen Vaterland, besoffen von Siegesfanfaren der Deutschen Wochenschau "Das Oberkommado der Wehrmacht gibt bekannt!" , wiil nicht weiter besoffen, sondern nüchtern sein und verweigert so dem Riesen Kerl die in Kriegen doch wohl übliche Kameradschaft bei einem Saufaus Stelldichein. Nur der Riese selber will gar nicht trinken.

Ahnt Walter Proska plötzlich dunkel, dass es um etwas ganz anderes beim Trinken, denn um Bruderschaft, dass es um seine flüssige "Henkersmahlzeit" geht, damit er Morgen in der Früh pflegeleicht torkelnd abgeführt, vom Alkihol betäubt, mit dem Gesicht zum Bahndamm steht, von hinten erschossen wird?

Da brüllt es aus Proske heraus "Nein!", es gibt Stärkere als Du, er springt auf, stürzt sich mit geballtem Fäusten heldenhaft auf den Riesen Kerl, trommelt todesverachtend gegen dessen Brust, der streift ihn gleichmütig ab wie einen lästig schrägen Vogel, der übers Kuckucksnest ins Zimmer flog, dass Proska wie ein Häuflein Elend krachend zu Boden geschmettert liegt und nur das Wort hört "Trinken".

Nun setzt Proska die Flasche an und trinkt aus, den Fusel, der ihn anwidert, in ein, in zwei, drei tief schluckend blubbernden Zügen und plötzlich wird ihm so warm ums Herz, er weiss nicht wie, warum, er taumelt seelig auf seinen Stuhl zurück, will plötzlich mit aller Welt Freund sein, lacht den Riesen Kerl an und prostet ihm auffordernd zu "Lass mich Dein Bruder sein! Kamerad!"

Doch der Riese Kerl von Russe kann sogar fließend deutsch sprechen und sagt "Njet" So seid ihr, ihr Herrenmenschen, ihr Deutschen allemal, wenn ihr am Boden liegt, umzingelt seid, wollt ihr Unsereins Bruder sein. Wehe aber, ihr steigt aus der Asche anderer wie Phoenix wieder auf, dann wehe uns, das Schlangeei ist noch warm, aus dem das kroch".

Sinngemäß deutet der Riesen Kerl an, dass Morgen ein deutscher Soldat zu ihm hierher kommt,, der jetzt in der Roten Armee dient, der ihn befragen wird.

Proska ist wie vom Schlag gerührt, auf einen weiteren Schlag stocknüchtern, fassungslos, so klar hatte noch Niemand mit ihm gesprochen.

Am nächsten Tag kommt der angekündigt deutsche Kamerad, sie erkennen einander, liegen sich unter Seufzern und Tränen in den Armen. Es ist Wolfgang, genannt Milchbrötchen, der seit Wochen in der Waldfestung als vermisst gilt.

Ich habe es nicht mehr bei euch ausgehalten, dieser brutale Irrsinn, diese nervtötende Langeweile, dieser Stumpfsinn unter euch Kameraden, diese ständige Angst von Partisanen aus dem Hinterhalt beim Schwimmen im See, beim Angeln am Fluss, beim Kacken im Wald erschossen zu werden. da musste ich weg, weg.

Denn das war ja schlimmer als in einer Todeszelle hocken, in der man auf den sicheren Tod durch Hinrichtung wartet, Während hier. Leben wie Tod, alles in der Schwebe bleibt. Glaub mir Walter, ich wollte und will keinen Kameradenverrat durch Fahnenflucht begehen. ich wollte und will auch nicht zur Roten Armee überlaufen, ich will und bin vom Krieg in den Frieden übergelaufen Bist nicht Du, wie ich, sind wir nicht auch ein Teil Deutschlands, den es zu retten gilt?

Wolfgang hielt inne nahm seinen Karabiner K98 hoch und gab ihn Proska in die Hand "Hier Walter, nimm das Gewehr. wenn Du meinst, ich bin ein Kameradenschwein, dann erschieß mich auf der Stelle! Wenn nicht, überlege es Dir bis Morgen in aller Ruhe, ob Du auch vom Krieg zum Frieden überläufst!"

Wie es weitergeht ist in Kapitel 9 des Romans "Der Überläufer" von Siegfried Lenz zu lesen

Wie das hautnahe Erleben an Sinnlosigkeit des Krieges in alle Poren Proskas Gemüt einsickert, das passt haargenau auf die Situation von Kämpfern, Zivilisten aktueller Kriegsschauplätze der Welt.

Und was die mit Bedacht getroffene Entscheidung für den Seitenwechsel vom Krieg zum Frieden ausmacht, das ist von umwerfender Eindeutigkeit spätesten aus heutiger Sicht von 70 Jahren danach.

Für Walter Proska wird klar, Schuld liegt auf allen Seiten, sobald es zum Krieg kommt, gleich an welcher Front, auf wessen Befehl.

Dessen wird Proska erneut knallhart Gewahr, als er als Rotarmist in Sybba auf dem Hof seines Schwagers Rogalski steht, muss er sich wirklich entscheiden, töten oder selber sterben?. oder gibt es doch einen Ausweg?
JP

Siegfried Lenz: Der Überläufer. Roman. Hoffmann und Campe. 370 Seiten, 25 Euro

http://www.haz.de/Nachrichten/Kultur/Uebersicht/So-gut-ist-Siegried-Lenz-Der-Ueberlaeufer-Rezension
Roman-Rezension
So gut ist Siegried Lenz' "Der Überläufer"

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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