'Living Well Dying Well'

Death Cafés Warum auf das Thema "Tod" warten?, warum nicht das Thema "Gutes Leben. Guter Tod" selber initiativ in einem Death Café bei Kaffee, Tee und Kuchen aufsuchen?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Ein Stückchen Apfelkuchen gefällig, oder lieber einen Gewürze Kecks?

In sogenannten Death Cafés sprechen auf der Insel der "Seligen" England Menschen über den Tod. als wäre der ihr best geladener Nachbar von nebenan

Gerade jetzt, mit Beginn der "Fünften Jahreszeit ab dem 11. November bei Kaffee und Kuchen zur "Tea Time" über den Tod und das Sterben zu sprechen, wirkt in dunklen, kalten Wintertagen, ohne in den berüchtigt britisch schwarzen Humor mit Sinn fürs Makabere abzugleiten, geradezu erhellend hier, anheimelnd erwärmend da.

In Großbritannien geht das.

In sogenannten Death Cafés treffen sich namenlos wildfremde Menschen, um über ihre Ängste und Hoffnungen zum Thema

"'Living Well Dying Well' (Wohliges Leben. Wohler Tod"

zu berichten und sich, moderiert, auszutauschen.


Bunte Laternen, weich schmusige Kissen, Blumen, Bücher, Schalen mit Düften oder Herbstfrüchten, ausgesucht wohltemperierte Kaffeehausmusik irgendwo im Weit der Insel Engeland. Neheme wir einfach einmal da das "Buttercup Café" an irgendeinem Ort im britischen Country Wales mit 22 Counties. Das ist ein fröhlich putzmunterer Ort, aber an einem bestimmten Abend wird es erstmals, plakatiert, in ein "Death Café" verwandelt, in dem Gäste über ein kontinentales Tabu sprechen wollen, den Tod.

"Wir haben ein volles Haus, über 40 Leute, etliche mussten wir sogar auf eine Warteliste setzen",

sagt Polly: Sie hat den Abend mit organisiert. Ein Death Café sei, erklärt Polly, kein Ausbund an britisch schwarzem Humor, kein morbides Kaffeekränzchen für Kuchenschlachten und auch keine Therapiestunde. Es biete einfach einen informellen Rahmen, um über den Tod und das Leben nachzudenken und zu sprechen.

"Der Eintritt ist frei. Aber für Kaffee, Tee und Kuchen muss jeder selbst bezahlen."

Um halb sieben sind alle da: überwiegend Frauen zwischen 30 und 50. Der Raum hat fünf Tische mit je einem Gruppenmoderator, der dafür sorgt, dass jeder zu Wort kommt, und niemand kritisiert oder mit guten Ratschlägen überhäuft wird. Alan, ein Filmemacher, sagt, ihn habe vor allem die Neugier ins Café getrieben. Natürlich kämen ihm beim Wort Tod auch Beklemmungen hoch, aber es gebe durchaus andere Seiten, und die wolle er kennenlernen.

"Wir sollten dafür sorgen, dass jeder einen möglichst guten Tod hat",

meint Dinah. Sie arbeitet in der Altenforschung und will lieber jetzt über ihren Tod nachdenken, und praktische Vorbereitungen treffen, als ganz zum Schluss, wenn sie nichts mehr beeinflussen kann.

Jeder Tisch führt seine eigene Diskussion. Die Teilnehmer stellen sich vor und erklären, warum sie da sind. Anna spricht von ihrer Mutter, die an Demenz erkrankt ist, das sei wie ein schleichender Tod. Christina erzählt, ihr elfjähriger Sohn habe entsetzlich Angst, sie könne ihm wegsterben. Sie sei nicht gläubig, um ihn zu trösten, und könne ihn nur ganz fest in den Arm nehmen. Und Matthew schweigt erst einmal. Dann sagt er plötzlich:

"Ich will leben, bevor ich sterbe."

Die Äußerungen sind höchst individuell, und kreisen doch immer wieder um ähnliche Fragen:

"Was tun, wenn ein Sterbende gar nicht über den Tod reden will? Und dann die vielen Besitztümer. Matthews Mutter hat radikal ausgemistet und ihm nichts Persönliches zurückgelassen, das sei ganz schrecklich gewesen. Christina dagegen fand es schmerzlich, die vielen Überbleibsel ihrer Eltern auszusortieren und zu entsorgen. Manche Traveller lassen sich mitsamt ihrem Wohnwagen verbrennen, erzählt sie.

Themen- Park, Kneipen, Pubs, Cafès mit Runden Tischen, die mit Schildern zu bestimmten Themen- Diskussionen unverbindlich einladen, hat und gibt es auch in Hamburg, eines im Hamburger Schanzenviertel.

Soweit ich im Hamburger Schanzenviertel nahe der Roten Flora in Erfahrung bringen konnte, war das Thema

"'Living Well Dying Well'

noch nicht, neben Repair-, Death- Cafè Chance in der Schanze dabei

Im Deutschlandfunk unter der Rubrik "Gesprächskultur" hat sich Ruth Rach am 22. November 2013 eingehend mit diesem neuen Gesprächskultur Trend in Großbritannien befaßt
Tabuthema Tod bei Kaffee und Kuchen
22.11.2013
Glücklich diskutieren, alleine sterben?

Am 21.11.2013 hat sich wiederum die Sendung "Anne Will" im Rahmen der ARD- Themenwoche "Zum Glück" einmal mehr von oben herab mit dem Tabu Thema "Tod und Sterben" versucht.

Bei Anne Will ging es ums würdevolle Sterben

Eine klare Äußerungen in Anne Wills Talkrunde „Gibt es ein glückliches Sterben?“, kam von dem geladenen CDU-Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe, der zugleich Behindertenbeauftragter der Bundesregierung ist:

„Ich bin skeptisch, ob es ein glückliches Sterben geben kann. Ich persönlich habe Angst vor dem Tod, aber ich kann mir vorstellen, dass man zufrieden mit dem Leben abschließen kann. Aber ein Glücksgefühl beim Sterben kann ich mir nicht vorstellen.“

In dieser "Anne Will" Sendung, in der sich die Moderatorin mit guten Gründen zurückhielt, hatten sowohl der Journalist Tilman Jens, die von der Medienmanagerin zur ehrenamtlichen Sterbebegleiterin gewordene Christiane zu Salm als auch die Psychotherapeutin Angelika Kallwas in sehr persönlich gehaltenen Beiträgen einen einrahmenden Blick auf das Thema „Sterben“, seine Widersprüchlichkeiten und Abgründe eröffnet.

Die Gesellschaft hat keine Zeit mehr fürs Sterben

Bei so viel gesendetem Tod in den Medien aus aller Herrenländer im 1: 30 Minuten Format geht der Sinn für Zeit und Raum von Sterbeprozessen, daheim, in Kliniken, Pflegeheimen, erst flöten, dann ganz verstummend, verloren

Christiane zu Salms Erkenntnis, dass es in Deutschland „immer mehr Schläuche und immer weniger Seele“ gebe, traf den Nagel einerseits auf den Kopf, andererseits daneben.

Ihre Betonung, dass in Deutschland so viele Menschen alleine sterben wegen zerrissener und zerstrittener Familien, Ehen, Lebensgemeinschaften, führte an einen wichtigen Punkt des Unglücks, sagen die einen, des öffentlichen Skandals, sagen die anderen. weil unsere Gesellschaft nicht mehr darauf eingerichtet ist, ein zeitraubendes Erleben wie den "Sterbeprozess" menschlich rundum die Uhr einfühlend betreut und sozial vernetzt eingebettet, solidarisch finanziell unterfüttert, zuzulassen.

Tilman Jens, erinnerte die lange, schwierige Phase der Demenz seines Vaters Walter und wollte hier Möglichkeiten geschaffen wissen, dass Menschen nicht gezwungen werden sollten, im Leben auszuharren.

Vater Walter Jens hatte, bereits an Demenz erkrankt, in einer klaren lichten Phase, um das Jahr 2004 von seinem Sohn Tilmann an seine gemeinsamen Buch mit Hans Küng

"In Würde sterben"

aus dem Jahre 1995 eindringlich erinnert, milde geantwortet:

"Ja!, mein Sohn!

Alles was da in dem Buch steht ist wahr und doch, auch das einfache Leben ist zu schön, um es vorzeitig selber zu beenden"

Christiane zu Salm fragte Tilman Jens beui "Anne Will" direkt, ob er damit die aktive Sterbehilfe propagieren wolle?

Ehrenamtliche Sterbebegleiterin Christine zu Salm sieht zerrissene Familien als Hindernis für würdevolles Sterben

Dass die Diskutanten und ihre Moderatorin dennoch die rechtlichen Begriffe der Debatte so, ungefiltert, kunterbunt munter durcheinander wirbelten, als redete man das erste mal über das Thema, und dabei völlig unklar blieb, was die aktive Sterbehilfe vom Abbruch der Beatmung unterscheidet oder warum Hubert Hüppe die organisierte Suizidbeihilfe strafrechtlich verbieten will, das aber kein gesetzliches Verbot des ärztlich unterstützten Suizid beinhaltet, führte anschaulich vor, dass Talkshows keine zertifizierten Fortbildungsveranstaltungen sind.

Pathos scheinbar investigativen Tiefgangs

Was dagegen, neben den Türen klappt, ist das frappante Pathos, überraschend vorgetäuscht, investigativen Tiefgang. Das wirkt hier elesen, dort angestrengt künstlich, und führt das Publikum bestenfalls ins Interesse am Thema, schlimmstenfalls in die Irre.

So ereilte es Anne Will, als sie Hubert Hüppes, aufklärerisch gedacht, wenig unterhaltsames Plädoyer für Vorsorgevollmachten als Planungsinstrument für den Ernstfall mit der schnippisch scharfen, ernstgemeinten Frage unterbrach, ob eine Vorsorgevollmacht zu erteilen nicht feige sei, weil damit die Verantwortung für medizinische Entscheidungen auf andere abgewälzt würde?

"SAMUELL HILF!", denn sie wissen nicht, was sie fragen, noch reden?

Während Patientenverfügungen aber in vielen Fällen wenig Wirkung zeitigen, weil sie ausgesprochen schwer so auszugestalten sind, dass sie die tatsächlich eintretend situativen Problemlagen zu ordnen und zu lösen vermögen, ermöglichen Vorsorgevollmachten nahestehenden Bezugspersonen des vorübergegehend und andauernd entscheidungsunfähigen Betroffenen, weitaus angemessener sinnvolle und dem Lebensentwurf des Patienten entsprechende Entscheidungen.

JP

http://www.deutschlandfunk.de/gespraechskultur-tabuthema-tod-bei-kaffee-und-kuchen.886.de.html?dram:article_id=269733

GESPRÄCHSKULTUR

Tabuthema Tod bei Kaffee und Kuchen
22.11.2013
Von Ruth Rach

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Joachim Petrick

Aktuelles: Meine sichere Route- Refugee-Airlift - Petition "Luftbrücke für Flüchtlinge in Not" an die MdBs des Bundestages erhofft Debatte

Joachim Petrick

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden