Matthias Brandt spielt Oberst Klein

Mörderischer Befehl Verteidigungsminister Jung ist wg. Fehleinschätzung der Gefahren- und Befehlsnotstandslage im Bundeswehrlager Kundus in Norden Afghanistans 2009 zurückgetreten

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Ein Minister musste wegen der tragischen Ereignisse in Kundus am 4. September 2009 zurücktreten,

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung ist wg. Fehleinschätzungen der Gefahren- und prekären Befehlsnotstandslage im Bundeswehrlager Kundus in Norden Afghanistans 2009 zurückgetreten.

Jungs Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg geriet in gefährliche Wasser, weil er den Befehl Oberst Georg Kleins, entgegen Beschlusslage des Deutschen Bundestages "Kein Bundeswehr Kampfeinsatz", für

"angemessen"

erklärte, und gleichzeitig verlautbarte, dass das Ergebnis falsch sei.

Nicht wenige haben damals, hände- und um Worte ringend, gehofft, dass die Tragödie in Kundus für die Politik in Deutschland nach Nine Eleven 2001 zu einer Zäsur, zu einem parteiübergreifenden Umdenken in der Innen-, Sicherheits- und Außenpolitik der vergangenen Jahre führen würde.

Im Wahlkampf spielt diese Tragödie am 4. September im Bundestagswahljahr 2009 so wenig eine Rolle, wie jetzt im Bundestagswahljahr 2013.

Der Regisseur Raymond Ley und sein Team haben den Fall "Oberst Georg Klein" für das Dokudrama

"Eine mörderische Entscheidung"

rekonstruiert, Akten studiert, so weit erreichbar, Zeitzeugen befragt.

.Viele der Zeitzeugen haben sich als Amtsträger hinter Vorschriften verschanzt, so wie Oberst Georg Klein, im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) des Deutschen Bundestages.

Der Oberst wollte nicht reden, die damals beteiligten Soldaten durften nicht. In diesem Dokudrama versucht eine mögliche Interpretation die Lücke zwischen Aktenlage und Realität zu überbrücken, von schließen der Akte kann ohnehin politisch nicht die Rede sein. Denn in diesem Fall ist die Lücke besonders krass-

Der Umgang mit der Lücke übrigens von Amtswegen auch.

Die afghanischen Opfer der Tragödie in Kundus am 4. September 2009, bei der an die 140 Personen, darunter Kinder, zu Tode kamen, sind bis heute nicht angemessen bedacht und entschädigt worden-

Inzwischen hat Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière es sich, zum Entsetzen afghanischer Opfer und Überlebenden der Kundus Tragödie 2009, nicht nehmen lassen, Oberst Georg Klein, unbekümmert, zum Brigadegeneral zu befördern und damit ein unseliges Zeichen in Richtung Tradition, fragwürdigen Vorstellungen von Korpsgeist, Ehrenkodex der Truppe zu geben..

Der Fall Kundus beschäftigt Matthias Brandt als betroffener Bürger Deutschlands, wie er dies in Gesprächen mit DER ZEIT, dem Stern Journal, Dem Tagesspiegel, in jüngster Zeit vor Ausstrahlung des Doku- Films "Eine mörderische Entscheidung" engagiert bekundet.

Nicht das Psychologische, die Verwandlung des Matthias Brandt in Oberst Klein, die Lücke also zwischen ihm und Klein interessiert Matthias Brandt:

"Ich bin nicht der Badezimmerspiegel von Oberst Klein", sagt Brandt. Was ihn umtreibt: Wie kann es sein, dass ein Mensch, der sich in einem System bewegt, das wie kaum ein anderes auf festen Abläufen und Regeln beruht, im folgenreichsten Moment seines Lebens die Regeln nicht befolgt? Wie eine Katastrophe dadurch bewältigt wird, dass man sie zum Vorgang macht. Wie Tote verschwinden hinter roboterhaften Formulierungen in Kommissionen und Ausschüssen. "Damit komme ich schwer zurecht" (Quelle DIE ZEIT, Ausgabe 35 unter dem Titel "Auch in meinem Namen" )

Dass DIE ZEIT in diesem Zusammenhang von einer deutschen Tragödie in Kundus statt von einer Tragödie afghanischer Bürger als Opfer von Fehleinschätzungen des Oberst Klein spricht, weckt unselige Erinnerungen an die deutsche Art von Umdeutungen der Täter in Opfer in dunkler Zeit.

Einmal wird Matthias Brandt im Film in der Rolle des Oberst Klein gefragt, ob er sich in Berlin rückversichert habe. Er verneint.

Selbst die inzwischen veröffentlichte Aktenlage spricht eine andere Sprache.

Im Sommer 2009 war, wie jetzt im Sommer 2013, Bundestagswahlkampf..

Die Stimmung in Sachen Bundeswehrauslandseinsatz in Afghanistan kippte vom Begriff militärisch- humanitären Friedensdienstes in Vorstellungen von Kampfeinsatz, gar Krieg, die absolut im Gegensatz zur Beschlusslage des Deutschen Bundestages standen.

Die Rufe nach einem robust militärischen Mandat der Bundeswehr in Afghanistan, ohne dass sich die Lasten des Krieges von den Sozial-, Gesundheits- , Rentenkassen auf betuchte Steuerzahler verlagern, wurden in den Medien immer lauter.

Um die Kurve zu Begriffen von Krieg in Afghanistan für die Bundeswehr zu kriegen, wie diesen die US- Army dort, entgegen allen anderslautenden Beteuerungen, längst führte, brauchte es im Sommer 2009 nur eines außerordentlich kriegerischen Ereignisses, das die Bundeswehr selber nicht direkt verschuldet hat-

Wurde das Ereignis am 4. September 2009 in Kundus von der verantwortlichen Politik der Großen Koalition in Berlin als ein solches Ereignis, nach innen und außen, im Bündnis, spekulativ durchgespielt, kommuniziert?

„Die Bundeswehr ist unabdinglich kampfeinsatzbereit!“

Das mit der Vernichtung der beiden Tanklastzüge 15 km vor dem Bundeswehrlager in Kundus am 4. September 2009 möglicherweise im Wege einer Verdeckungstat auch Beweismittel ganz anderer Delikte vor Ort vernichtet wurden, ist bis heute nicht Gegenstand von Erörterungen, geschweige denn staatsanwaltlicher Ermittlungen

Der damalige Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, beschreibt als einer der Zeitzeugen die Grauzone, in der solche Entscheidungen bewusst belassen werden.

Im konkreten Fall entscheide der Befehlshaber vor Ort immer

"ins Unsichere"

hinein. Sprich: Das Militär ist im Auftrag der Politik unterwegs, aber was das konkret bedeutet, bleibt offen.

So entsteht eine Grauzone, eine Grauzone, die bewusst geschaffen wird. So entstehen, nur scheinbar unanfechtbar, konstruierte Sprachregelungen wie die, der Einsatz sei

"militärisch angemessen".

Aus ihnen spricht nicht nur das schlechte Gewissen der Politik, sondern der robuste Wille, sich, wider besseres Wissen, über Tatsache hinweg, in einem Kartell "autoritären Schweigens" gegenseitig der Nibelungentreue zu versichern.

Der Fall Kundus hat einmal mehr und das ganz erschreckend deutlich gemacht, wie sehr eine gesetzliche Schutzregelung für Whistleblower hierzulande Not tut

. Würde Matthias Brandt gerne mit Brigadegeneral Klein heute reden wollen?

"Da bin ich mir gar nicht so sicher", antwortet Matthias Brandt DER ZEIT. Im Grunde wisse er nicht, was er ihn fragen sollte. Außer der einen Frage, die Klein vermutlich selbst nicht beantworten kann:

"Wie kann man mit so etwas leben?"

Damit aber wäre man aus Brandts Sicht auf dem falschen Pfad: "Die Fragen auf Klein zu richten, das wäre eine Problemverschiebung, eine Reduzierung." Das Problem liegt für ihn in der Bürokratisierung einer Tragödie. Das Problem ist, dass der deutsche Staat anders als Klein mit dem Vorgang bisher scheinbar recht gut und unbekümmert leben kann.

Auch wenn der Vorgang in Kundus 2009 vergleichsweise gut dokumentiert ist. Für Matthias Brandt sind trotzdem heute mehr Fragen offen als zuvor: Können die das überhaupt? Können die Soldaten ihrem dramatisch veränderten Arbeitsumfeld überhaupt gerecht werden? Es ist eine Frage, die mitten in eine Diskussion führt, die selten stattfindet: Was ist das Ziel von Einsätzen, gibt es so etwas wie deutsche Interessen, und worin könnten sie bestehen? "Da bin ich mit den Antworten nicht zufrieden", sagt Matthias Brandt. Er verspüre keinen pädagogischen Auftrag, eher den Ärger eines Bürgers.

Der Ärger ärgert Matthias Brandt unentwegt weiter. Denn was in Kundus passiert ist, sagt er, das sei eben "zu einem ganz kleinen Teil auch in meinem Namen passiert".

Der Film "Eine mörderische Entscheidung" läuft am 30. August um 20.15 Uhr auf Arte und am 4. September um 20.15 Uhr im Ersten.

https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/verteidigungsminister-zu-guttenberg-schwort-oberst-k-nibelungentreue

Joachim Petrick

09.12.2009 | 23:36 4

Verteidigungsminister zu Guttenberg schwört Oberst K. Nibelungentreue

maybritillner.zdf.de/ZDFforum/foren/sendungen/frontal21/F4579/msg2350514.php

Gegen Spekulationen helfen Fakten.

20.00 Uhr Ein afghanischer Informant meldet dem Bundeswehr-Camp in Kunduz die Entführung zweier Tanklaster
21.14 Uhr Auf Anforderung des deutschen Camps trifft ein B1-Bomber über der Region Kunduz ein
0.00 Uhr Er lokalisiert die beiden Trucks auf einer Sandbank und sendet die ersten Schwarz-Weiß-Videobilder an die Kommandozentrale im deutschen Camp. Dort sitzen der Chef des Lagers, Oberst Georg Klein, und Oberfeldwebel W. ("Roter Baron").
0.50 Uhr Aus dem deutschen Camp fragt "Roter Baron" erneut bei der Nato-Luftzentrale nach Luftunterstützung an. Von dort wird zurückgefunkt, dass eine direkte Feindberührung Voraussetzung für den Einsatz eines Kampfflugzeugs über Kunduz sei. Der deutsche Oberfeldwebel erklärt daraufhin per Funk, es bestehe Feindkontakt, im Nato-Jargon "troops in contact" oder TIC genannt, obwohl sich gar keine Nato-Soldaten oder afghanische Kräfte in der Nähe der beiden Tanker befinden.
1.08 Uhr Zwei F-15-Jagdbomber treffen über der Region ein. Sie liefern wieder Live-Bilder. Einer der Piloten meldet: keine "friendly forces", also deutsche oder afghanische Truppen in der Nähe der Trucks. Nahe den Tankern sieht der Pilot rund 50 Aufständische, so seine Meldung. Der deutsche Oberfeldwebel bittet die US-Piloten, sechs Bomben fertig zu machen und in möglichst hoher Höhe über dem Tatort zu kreisen.
1.30 Uhr "Roter Baron" gibt Einsatzdetails zum Bombenabwurf weiter, erwähnt ausdrücklich, dass die Zeit dränge und keine alliierten Kräfte in der Nähe seien.
1.33 Uhr Einer der F-15-Piloten bittet das deutsche Feldlager um weitere Aufklärung des Tatorts. "Red Baron" hingegen gibt an die Piloten den eindeutigen Befehl des deutschen Oberst Georg Klein zum Abwurf von Bomben weiter. Sie sollen direkt auf die Sandbank gezielt werden.
1.36 Uhr Der Pilot fragt per Funk an, ob er eine Schleife in niedriger Höhe über die Tanker fliegen soll, um "die Personen auseinander zu scheuchen". "Roter Baron" lehnt dies ab.
1.46 Uhr Der Pilot fragt per Funk, ob die Personen um die Tanker eine "unmittelbare Bedrohung" darstellen. Der Zustand des "imminent threat" ist die Voraussetzung für einen Bombenabwurf durch die Nato. Obwohl zu diesem Zeitpunkt weder Nato-Soldaten in der Nähe der Tanker sind und diese fast 15 Kilometer vom deutschen Camp entfernt feststecken, bestätigt "Roter Baron" die Anfrage und legitimiert damit den Angriff.
1.50 Uhr Zwei Bomben vom Typ GBU-38 werden abgeworfen.

http://www.zeit.de/2013/35/film-kundus-matthias-brandt/komplettansicht
TV-Dokudrama "Auch in meinem Namen"

Die deutsche Tragödie in Kundus als Fernsehfilm:

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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