Paul Breitner vs Franz Beckenbauer

Paul Breitner Gold Im FC- Braunschweig Trikot Trikot- Werbung für die Braunschweiger Schnapsfirma "Jägermeister" 1977, seit 1995 beim Bau von Seniorenresidenzen in Betongold investiert

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Für den Fussball Welt- und Europameister und einstigen Profikicker bei FC Bayern München Paul Breitner ist klar: Manuel Neuer war der Superstar der WM 2014 in Brasilien.

Darum ist er auch - gelinde gesagt - genervt, dass Lionel Messi zum "besten Spieler" des Turniers gekürt wurde. Da habe den Juroren der "Arsch in der Hose" gefehlt, sagte Breitner im Deutschlandfunk (DLF).

So zumindest lässt sich Paul Breitner gegenüber Christine Heuer im heutigen Deutschlandfunkinterview gar nicht peinlich vernehmen.

Natürlich habe er auch noch in der 112. Minute gestern an den deutschen Sieg geglaubt, betonte Breitner. Der Wunsch sei immer da, dass "einer ein Ding reinmacht". Letztlich seien es die Nerven, die entschieden - nicht das Können.

Zum Thema "bester Fußballer" erweist sich Paul Breitner dünnhäutig.

Es sei eine Farce, dass die FIFA nicht den deutschen Torhüter Manuel Neuer ausgewählt habe, sondern den Argentinier Lionel Messi, der nur ein paar Mal in Erscheinung getreten sei. Offenbar zähle ein Torhüter nicht als Spieler. Hier hätte die Jury den Mut beweisen können, einen Torwart zu nehmen und zu sagen: "Du bist der absolute Superstar." Neuer ist allerdings zum besten Torhüter der WM gewählt worden.

Breitner sieht auch weiterhin Joachim Löw als Bundestrainer und findet, er sei ein perfekter Partner und Teil der Mannschaft. Überhaupt habe die Nationalelf gezeigt, dass sie eine Turniermannschaft sei - und nicht ein Team, dass einem Kopf wie Ronaldo oder Messi die Möglichkeit gebe, sich zu profilieren.

Heuer: Haben Sie in der, sagen wir mal, 112. Minute noch an einen deutschen Sieg geglaubt?

Breitner: Ja, natürlich. Was heißt geglaubt? Schauen Sie, das ist jetzt eine Frage wie vor dem Spiel, wie glaubst denn du, dass es ausgeht.

"Endspiele sind selten gute Spiele"

Heuer: War das ein gutes Spiel?

Breitner: Nein!

Heuer: Warum nicht?

Breitner: Weil selten Endspiele bei einer WM, oder auch in der Champions League, bei Europameisterschaften richtig gute Spiele sind, weil auch gestern wieder bei allen zu sehen war, dass in erster Linie die Nerven entscheiden, nicht das Können.

Von Berührungsängsten für obskur prekär beworbene Objekte der Begierde von Unternehmen war Paul Breitner nie angekränkelt, so machte Paul Breitner 1977 im Trikot von Eintracht Braunschweig Trikotwerbung für den Schnapsproduzenten und Eintracht Braunschweig Sponsor "Jägermeister".

Ja! Ja! Die Nerven, und Paul Breitner. Im Münchner WM- Endpspiel 1974 schien er keine gehabt zu haben Da verwandelte Paul Breitner einen Foulelfmeter gegen den "Angstsgegner" Niederlande zum 1:1:

Diese Bilder gingen um die Welt, wie Paul Breitner sich den Ball seelenruihig nimmt und dann, scheinbar ungerührt, das Runde unhaltbar ins Eckige schießt. Die ganze Welt hat da zugeschaut. Wie hat der Paul Breitner damals bloß diesen Druck ausgehalten?

Breitner: Indem dieser Druck gar nicht aufkommt, indem ich gelernt habe, sehr früh - mit 12, 13, 14 Jahren habe ich mit autogenem Training begonnen und habe da gelernt, in bestimmten Situationen um mich herum alles auszuschalten, mich auf einen Punkt, auf einen Moment zu konzentrieren. Das hat oft mit Fußball gar nichts zu tun gehabt. Das war auch der entscheidende Moment oder der entscheidende Punkt, warum ich diesen Elfmeter geschossen habe, weil ich eben nicht überlegt habe, was passiert jetzt, denn in dem Moment, wo du anfängst, in einem WM-Finale darüber nachzudenken, was passieren könnte, dann denkst du ja übers Negative, über die negative Seite nach. Dann bist du schon erster Verlierer und das geht nicht.

Heuer: Und das hatte Mario Götze gestern Abend drauf und die anderen nicht?

Breitner: Er hatte gar keine Zeit zu überlegen. Schauen Sie, dieses Tor war ein Moment, eine Momentaufnahme. Da geht es um hundertstel, um zehntel Sekunden und da kommst Du als Spieler nicht in die Situation zu überlegen, was passiert jetzt, wenn ich mich jetzt drehe, wenn ich den Ball jetzt Volley nehme, oder wenn ich den von der Brust abtropfen lasse. Da kommt es nicht zu. Hätte er mehr Zeit gehabt, hätte er den Ball wahrscheinlich nicht so getroffen, weil dann hätte er überlegt, um Gottes Willen, und wenn ich jetzt doch vorbeihaue ...

Heuer: Trotzdem, wenn Sie Lionel Messi ansprechen, da geht es ja auch ein bisschen um die Spielphilosophie. Die Deutschen, sagt man, spielen als Mannschaft, die Argentinier mit einigen herausragenden Superstars wie eben Messi. Haben wir deshalb gewonnen?

Breitner: Ja. Wir haben deshalb gewonnen, weil wieder einmal die Turniermannschaft gewonnen hat, weil sich wieder mal gezeigt hat, dass wir eine Turniermannschaft sind. Und das, was ich darunter verstehe, ist, dass wir eben nicht in ein Turnier gehen, um einen Herrn Ronaldo bei den Portugiesen, oder auch Lionel Messi die Möglichkeit zu geben, sich zu profilieren, sich zu produzieren, zu sagen, ich, ich, ich, ich, es geht um mich, es geht um mich und nicht um die Mannschaft, nicht um meine Nationalmannschaft. Wir gehen rein, alle 23, die zur Verfügung waren. Wir gehen rein und sagen, wir wollen gewinnen, weil wir als Kinder, egal was wir machen, egal welchen Sport wir von unseren Eltern aufgedrückt bekommen, wir erlernen diesen Sport mit zwei, drei, vier Jahren ja nicht, um Spaß oder Freude zu haben, sondern um in diesem Alter bereits zu lernen, was es heißt zu gewinnen.

Deswegen gehen wir in ein Turnier rein und tun alles, um zu gewinnen. Bei uns geht es nicht darum, sich zu zeigen und zu demonstrieren, was der Einzelne am Ball kann, wie oft er den Ball jonglieren kann, wie viel er auf dem Quadratmeter umspielen kann. Nein, wir gehen rein, um zu gewinnen. Und wenn wir nach 70 Minuten irgendein Spiel im Griff haben, dann zeigen wir auch, dass wir ausgezeichnete Fußballer sind, und das unterscheidet uns. Bei den Argentiniern geht es nur darum, dass ein Lionel Messi die Bühne bekommt, dass er vielleicht der Superstar der WM wird, aber damit wirst Du eben nicht Weltmeister.

Heuer: 2022, Herr Breitner, soll die Fußball-WM in Katar stattfinden. Sie galten und gelten als politischer Kopf. Da gibt es Korruptionsvorwürfe, den Vorwurf der Sklavenarbeit, Fußball in der Wüste, es ist zu heiß, es gibt keine Fußball-Infrastruktur. Sollte die WM in Katar abgesagt werden?

Breitner: Wissen Sie, die ganze Geschichte mit Sklavenarbeit ist so was von verlogen. Seit auf der arabischen Halbinsel Öl gefördert wird und der Bauboom da ist, in Dubai, in Abu Dhabi, egal wie und wo, seitdem gibt es diese Situation, dass in Dubai, in Abu Dhabi 1,5 oder zwei Millionen Arbeiter dort sind, die in drei Schichten 24 Stunden arbeiten, ohne Absicherung irgendwo in der 40. oder 50. Etage. Ich kenne das, ich bin dort seit 20 Jahren unterwegs. Und jetzt plötzlich kommt irgendjemand auf die Idee und hebt den Zeigefinger und sagt, um Gottes Willen, da gibt es Sklavenarbeit. Die gibt es, seit es dort diesen Boom gibt.

Empörung über Katar "verlogen"

Heuer: Das macht es nicht besser.

Breitner: "Es macht es nicht besser, aber auch nicht schlechter. Entschuldigung! Da bin ich jetzt absoluter Realist. Natürlich nicht! Aber warum kommt jetzt irgendeine Ethik-Kommission, irgendeine Menschenrechtsorganisation an und hebt den Finger und sagt, oh, wir haben gesehen, dass es da im Stadionbau hier und da und dort, dass es dort Sklavenarbeit gibt. Ja, verdammt noch mal, da gibt es Hunderte, Tausende von Hotels, von Wohnkomplexen und da gibt es seit jeher diese Sklavenarbeit, und jetzt plötzlich kommt jemand daher. Es ist ja in Ordnung, aber es ist verlogen, weil diese Aktivisten hätten vor 15, vor 20 Jahren den Finger heben müssen und dann hätten wir die Situation heute wiederum nicht."

Mit diesen Einlassungen bringt sich Paul Breitner, einmal mehr meditativ, unberührbar, knallhart auf den Punkt konzentriert, in eklatanten Gegensatz zu öffentlichen Einlassungen des deutschen Fussball- Kaisers Franz Beckenbauer im November 2013:

"Herr Beckenbauer, haben Sie in Katar bei ihren vielen Reisen dorthin Arbeitssklaven gesehen?"

Franz Beckenbauer:

..."Ich habe noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Ich weiß nicht, woher diese Berichte kommen. Ich war schon oft in Katar und habe deshalb ein anderes Bild, das glaube ich realistischer ist.

Sklaven-Arbeiter in Ketten, im Büßerhemd mit Büßerkappe auf dem Haupt habe ich in Katar noch nicht gesehen, die laufen da alle frei und unbehelligt herum".

So ganz konzentriert in der Angelegenheit schien Paul Breitner dann doch nicht im Interview mit Christine Heuer im Deutschlandfunk gewesen zu sein, sonst hätte er die FIFA ja geradezu loben können, dass diese die jahrzehntelange Sklavenarbeit in Katar, Dubai Abu Dhabi und andernorts, gewollt, ungewollt, investigativ aufgedeckt, zum Thema gemacht hat,

Aber weil Paul Breitner die WM 2022 in Katar nicht wirklich als "Joseph Blatter- Blatt" in Frage stellen wollte, hatte das Thema damit für ihn wohl sein Bewenden?

Ist Paul Breitner doch, wer hätte das gedacht, seit spätesten 1995 selber großartig im Betongold- Geschäft, spezialisiert für den Bau von Senioren- Residenzen, gemeinsam mit seinem Kompanion, einem Architekten aus Velten im Kreis Mettmann bei München, mit seiner Firma aufgestellt.

Im Mai 2014 ließ Paul Breitner sich sich beim Spatenstich für ein 20 Millionen € Seniorenresidenz- Projekt in Solingen , ablichten (siehe DER SPIEGEL 29- 65- 2014).

Ein Schelm, wer Böse dabei denkt!

Wer mag Paul Breitner da noch einen "politischen Kopf" andichten, der für die Linke ab der WM 1974 in München den Brückenschlag vom intellektuell hochgelobt proletarischen Boxsport in der Weimarer Republik mit Max Schmeling und Bertholt Brecht als "So als ob" Sparringspartner und boxende Lichtgestalten , zum intellektuell geadelten Proletensport Fussball der Gegenwart wagte?
JP

http://www.deutschlandfunk.de/wm-nachlese-manuel-neuer-war-der-superstar.694.de.html? dram:article_id=291701
Beitrag vom 14.07.2014

WM-NACHLESE
"Manuel Neuer war der Superstar"

Paul Breitner im Gespräch mit Christine Heuer

https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/franz-beckenbauer-seppelt-in-die-blatter
JOACHIM PETRICK 11.06.2014 | 14:52 9
Franz Beckenbauer "Blatters Sepp fürs Grobe"
Franz Beckenbauer seppelt sich in die "Blatter"
FIFA- Ethikrat 2012 Beckenbauer verweigert sich. Ein angemahntes Gespräch mit der FIFA-Ethikkommission über seine Rolle bei der WM-Vergabe nach Katar 2022 "blattert" Beckenbauer stur ab

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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