Richard von Weizsäcker, ein „Zeitzeuge“ im braunen Nebel?

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Richard von Weizsäcker, ein „Zeitzeuge“ im braunen Nebel?

Ist Richard von Weizsäcker, der

"Ewige Bundespräsident",

ein Zeitzeuge mit Ladehemmung, der in braunen Nebelwänden des Leben Anderer, samt eigener Äußerungen der letzten Jahrzehnte bis zur Unkenntlichkeit seiner Person entschwindet?

Richard von Weizsäcker, ein Zeitzeuge mit Ladehemmung?

Besteht die Lebenslüge Richard von Weizsäcker darin, trotz Ladehemmung, der Verweigerung von Auskünften, in jeder Hinsicht als ausgewiesener

"Zeitzeuge" gelten zu wollen?

Richard von Weizsäcker verweigert nicht nur die Beantwortung von Interview- Fragen, sondern verbittet sich diese, von Fall zu Fall, in hochfahrendem Zorn als unbotmäßige

"Majestätenbeleidigung".

Hat Richard von Weizsäcker womöglich deshalb so beharrlich wiederholt das Amt des Bundespräsidenten angestrebt, um seine Familie, den Namen Weizsäcker gegen alle denkbaren Anwürfe, Anfechtungen unanfechtbar zu stellen?

So ist es in der Dokumentation der ARD über Richard von Weizsäcker,

"Für immer Bundespräsident"

einem zweijährig begleitenden Gespräch mit Sandra Maischberger, zu hören und zu sehen.

Insbesondere verweigert sich Richard von Weizsäcker als Zeitzeuge selbst so sich harmlos vortastenden Einstiegs- Fragen wie:

"Glauben Sie an Gott?"

"Glauben Sie an ein Leben nach dem Tode?".

Für den Zuschauer/in wirkt das dann so Mitleid erregend, wenn Richard von Weizsäcker, unterstützt, flankiert von seiner Gattin Marianne, nebst Tochter Marianne- Beatrice, diese Fragen als unbotmäßig zurückweist, als ob Richard von Weizsäcker gerade noch, einem daher gelaufenen Tribunal, mit und ohne Legitimation, entkommen ist.

Dabei liegen die genannten Fragen im Zusammenhang mit seiner Person geradezu auf der Hand, wurde Richard von Weizsäcker doch bereits im Jahre 1966 für lange Zeit zum Synodal- Präsidenten des Evangelischen Kirchentages Deutschlands gewählt.

Auf die Frage nach seinem eigentlichen Beruf antwortet Richard von Weizsäcker im Gespräch mit Sandra Maischberger

"Zeitzeuge".

Gemessen daran, was Richard von Weizsäcker, Auskunft zu geben bereit ist, wirkt die Legenden bildende Berufsbezeichnung

"Zeitzeuge" eher irritierend, Ladehemmungen verbreitend

Vermeidet Richard von Weizsäcker die Beantwortung sich harmlos vortastender Einstiegs- Fragen deshalb so stringent konsequent, weil diese weitergehende Fragen nahe legen, wie:

"Wenn Sie an Gott glauben, wie konnte es dann geschehen dass Gott die Vernichtung der Juden auf europäischem Boden durch das NS- Regime von 1933- 45 zuließ?

Wie konnte es dann sein, dass Ihr Vater, Ernst von Weizsäcker als Staatssekretär im Reichs- Außenamt (AA) im März 1942 die Anfrage aus dem Führerhauptquartier, ob es Bedenken des AA gegen die Deportation von 6000 französischen oder staatenlosen Juden nach Auschwitz gebe, prekär patriotisch hochfahrend in Augenhöhe nicht nur mit

"keine Bedenken"

beantwortet sondern mit dem paraphierenden Rechtskonstrukt Zusatz "kein Einspruch"

den Führer Erlass gegenzeichnet, als ob es hier mit allen Rechten Dingen zuging.

Der Spiegel deutet in seiner Titelgeschichte

"Die Weizsäckers" (11- 64- 2010) auf der Seite 73 diesen Zusatz

"kein Einspruch"

statt

"keine Bedenken"

im Gegensatz zu meiner Einschätzung, als Indiz, dass sich Ernst von Weizsäcker als Staatssekretär im Reichs- Außenamt (AA) bemüht hat, soweit es im Bereich seiner Möglichkeiten bestand, den Kreis der deportierten Juden einzugrenzen.

Solche Fragen, geschweige denn Einschätzungen, verbieten sich scheinbar bis heute gegenüber dem Zeitzeugen Richard von Weizsäcker, der seinen Vater, Ernst von Weizsäcker, vor dem Kriegsverbrecher Tribunal in Nürnberg "Komplex AA/ Wilhelmstraße" 1948/49 mit verteidigt hat.

Richard von Weizsäcker insistiert bis heute darauf, sein Vater sei damals als Zeuge des Nürnberger Gerichtshof geladen gewesen, ihm sei als Zeuge der Anklage wie Verteidigung

"Freies Geleit"

aus dem Vatikanstaat nach Nürnberg kommend, garantiert, zugesichert worden, um ihn dann, unter Bruch des allgemeinen Völkerrechts, wie es Winston Churchill empört im britischen Unterhaus betont habe, als Angeklagten in Untersuchungshaft zu nehmen.

Allein der unbefangene Hinweis auf den Begriff „Freies Geleit“ für seinen Vater, wirft bis heute ungestelte Fragen auf wie:

„Warum wurde überhaupt auf die Zusage

„Freies Geleit“ für Ernst von Weizsäcker gedrungen, wenn dieser doch nur seiner Staatsbürgerlichen wie Beamten- Pflicht nachkam, als Zeuge im Nürnberger Kriegsverbrecher Prozess auszusagen?

Wenn die historische Faktenlage bis heute in den Köpfen vieler Deutscher als Leere die Relevanz von Zeitzeugnis entfaltet, ist Richard von Weizsäcker im reinsten Sinne des Wortes ein Zeitzeuge, der andere Quellen, Zeitzeugen/innen mit seiner Leere wundersam verzaubern kann.

Woher nimmt Richard von Weizsäcker diese Kraft, diesen Elan zum Bundes Zauber des "Immer Präsidenten" ?

Vielleicht liegt der Schlüssel zu dem Rätsel der Kraft, des Elans Richard von Weizsäcker, in dem Hinweis seines Sohnes Fritz, der seinen ewig lächelnden Vater auf Kinder- und Jugendbildern, während alle anderen "Ganz wie Vater Ernst"

überaus ernst dreinschauen, als den wohlgeraten spitzbübisch aufgelegten Hofnarren der Familie Ernst von Weizsäcker betitelt.

Ist es der Zauber des wohlgeratenen Hofnarren der Familie Ernst von Weizsäcker, der lebenslang im Gewande des ewigen Repräsentanten, im Hochamt des Kaisers, Königs, Präsidenten Richard I, volksnah nicht nur von Wolfgang Neuss berlinernd „Richie“ gerufen, wie selbstredend und selbstverständlich ohne weitere Worte, Fragen und Antworten, in uneingeschränkter Solidarität der neuen Demokratie in Deutschland dienen will und kann, wie einst sein Vater Ernst von Weizsäcker selbstverständlich dem NS- Regime dienen konnte und wollte, weil es dies das heilige wie eilig eherne Gesetz der Weizsäcker Dynastie befahl und weiterhin zum Wohl des Deutschen Volkes, Europas, der Welt befiehlt?

Vater Ernst von Weizsäcker fand sich selbstverständlich 1919 bereit, einen der Mörder von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Kapitänleutnant Horst von Pflugk- Harttung und mit ihm die Liquidierung vorhandener Personal- Potentiale der gerade ausgerufenen neuen Deutschen Parlamentarischen Demokratie illoyal zu decken und zur Flucht zu raten.

Richard von Weizsäcker selber verfällt noch heute in diese aristokratisch herrschaftlich hochfahrende Tonlage, wenn es um den vermeintlich, wie wirklichen Knebelvertrag von Versailles im Juni 1919 geht:

"Dieser Vertrag da aus den Vororten von Paris!"

Diesen gutsherrlich schneidigen Zungenschlag habe ich lange nicht mehr vernommen.

Das alles mindert ohne jeden Zweifel keinesfalls die vorhandenen und weiter wirkenden Verdienste des Bundespräsidenten a. D. Richard von Weizsäcker seit seiner bis heute viel beachteten und ergreifenden Rede im Deutschen Bundestag am 08. Mai 1985 im Gedenken an die Bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches vom 08. Mai 1945.

Richard von Weizsäcker ist das lebende Beispiel, wie sich unter dem Eise des Kalten Krieges, auf eine Zimmertemperatur von 17 Grad Celsius herunter wie hoch geregelt, nicht zwingend, Prägungen der Altvordern verfestigen, sondern, siehe Perestroika, Glasnost, orbi et gorbi, überraschend nachhaltig belastbar, neue Prägungen bilden.

Für einen lebenslang

"Tanzenden Krieger“

für die Völkerverständigung, die Einheit Deutschlands, Europas, den Frieden in der Welt wie Richard von Weizsäcker, ist das Wort Liebe als ein Ganzes nicht existent, weil er allem und jedem ein Stückchen Liebe zuzuordnen bzw. abzuringen gedenkt.

Zeit für Selbstreflektion ist solch einem "Tanzenden Krieger" der Versöhnung, des Friedens, der Entwicklung wie Richard von Weizsäcker, den Blick fest auf Ziele am fernen Horizont zugewandt, nicht gegeben.

Äußerungen wie 1989 nach dem Berliner Mauerfall:

"..in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dienen..." klingen in der Tonlage Richard von Weizsäcker friedensstiftend, obgleich diese Äußerung inhaltlich nicht ganz frei von einer angedeuteten Klage wie Drohung ist:

"Frieden in der Welt kann es nur geben, wenn Europa vereint ist!".

Oder die Äußerung Richard von Weizsäckers zum selben Anlass 1989:

"Der Aufbruch der bewegten Bürger/innen in der DDR führte zur Befreiung von erzwungener Lüge"

klingt aus anderem Munde, wie ein nacheilendes Alibi für eine vierzigjährige Gesellschaftslüge, während

Richard von Weizsäcker seine Lebenslüge, ein

"Auskunft gebender Zeitzeuge" von hohen Graden zu sein, weiter nährt, auch wenn er sich insgeheim eine Befreiung von eben dieser „Lebenslüge“, der Geiselnahme seines persönlichen Lebens, von Dritter Seite zutiefst und innig ersehnt?

In Japan lässt Richard von Weizsäcker sich zu dem lockeren Spruch über den ehemaligen Weltbank- Präsidenten Robert Wolwowitz aus den USA von Sandra Maischberger hinreißen:

"Der habe nicht nur ein Loch in der Socke, sondern auch im Kopf!".

Es ist zu fürchten, dass dieser, gewitzt gemeinte, lockere Spruch Richard von Weizsäckers weniger über den ehemaligen Kurzzeit- Weltbank- Präsidenten Wolwowitz aus den USA aussagt, als über Richard von Weizsäcker selber, wenn es um seine persönliche Erinnerungskultur als Zeitzeuge von eigenen Gnaden geht.

Darin ist der Jubilar Richard von Weizsäcker, der am 15. April 2010 neunzig Jahre alt wurde, vermutlich, wenig fleißig, seine Erinnerungen konkretisiert aufzufrischen, wie er dies an anderer Stelle von sich, im Vergleich mit dem Fleiß des Altkanzler Helmut Schmidt, ganzheitlich meint.

Seine Fähigkeit zur Verdrängung, wird ihm in dieser Dokumentation von einem seiner Söhne sogar als Verdienst, ja als Talent zum gesunden. Leben im „Hier und Jetzt“ bescheinigt.

Solche direkten Fragen verbieten sich gegenüber Richard von Weizsäcker weiterhin, durch ihm nahe stehende Freunde/innen in den Medien, der Politik, der Kirchen, Familienangehörige, angefragt und unangefragt, abgeschirmt, wie vorab gebrieft, wie von selbst.

Eine kaum merklich, aber spürbar unterdrückte Erschütterung ist bei Richard von Weizsäcker zu registrieren, als er in der ARD- Dokumentation auf die Frage von Sandra Maischberger, wie und wann er als Kind Schwimmen gelernt habe, antwortet:

"Das sei 1928 auf einem Sommerurlaub in Südtirol passiert, da habe sein Vater ihn als achtjährigen Jungen ohne Schwimmweste auf einen See in tieferes Wasser mit genommen, um ihn dann, unabgesprochen, zu verkünden;

"Jetzt musst Du alleine bis zum Ufer zurück schwimmen".

Da habe der achtjährige Richard voller Bangen gesagt:

"Aber Papa!, ich kann doch gar nicht schwimmen!"

Worauf sein Vater geantwortet habe:

"Wenn Du nicht schwimmst, holen Dich die Ungeheuer des Sees und fressen Dich auf".

Das sei doch irgendwie brutal von seinem Vater gegenüber der bangen Seele seines achtjährigen Sohnes Richards gewesen.

Inzwischen wird im Wege der Veröffentlichung der Dokumentation

„Das Amt“,

von Außenminister Joschka Fischer im Jahre 2005 in Auftrag gegeben, bekannt, dass Ernst von Weizsäcker die Ausbürgerung Thomas Manns wg. angeblich feindseliger Äußerungen gegen das Deutsche Reich im Mai 1936 in die Wege geleitet hatte:

file:///C:/DOKUME~1/PC/LOKALE~1/Temp/msohtml1/01/clip_image001.jpgDer Brief Ernst von Weizäckers vom Mai 1936, der die Ausbürgerung Thomas Manns in die Wege leitet.

In einem Gespräch mit dem Herausgeber der FAZ, Frank Schirrmacher erklärt Richard von Weizsäcker auf die Frage:

„……Ihr Vater schrieb, Thomas Mann habe sich der „feindseligen Propaganda gegen das Reich im Ausland“ schuldig gemacht. Wussten Sie davon?“

Richard von Weizsäcker: "Worum es meinem Vater ging, das war Friedenspolitik hinter dem Rücken Ribbentrops und Hitlers und persönliche Hilfe für Verfolgte, wo möglich."

„Nein, davon (Ernst von Weizsäcker leitete 1936 Thomas Manns Ausbürgerung ein) habe ich erst jetzt durch dieses Buch erfahren. Ich war damals fünfzehn Jahre alt. Zur Literatur ist zu sagen: Wir haben wohl einige politische Stellungnahmen Thomas Manns, vor allem aus der Zeit der „Betrachtungen eines Unpolitischen“, nicht für seine stärkste Seite gehalten. Aber sein Riesenwerk „Joseph und seine Brüder“ haben wir immer als genial empfunden.“

Frank Schirrmacher:

„Welche Erfahrungen haben Sie persönlich mit jüdischen Mitbürgern gemacht?“

Richard von Weizsäcker:

„Ich habe 1937 mein Abitur an einem humanistischen Gymnasium in Berlin gemacht, die Hälfte meiner Mitschüler waren Juden. Wir waren normal und eng miteinander verbunden. Unsere Lehrer gaben sich große Mühe, den Charakteren und Leistungen der jüdischen Schüler voll und ganz gerecht zu werden.“

Spätestens hier zeigt sich in der Fragetechnik Frank Schirrmachers die Kontinuität einer bestimmten selektiven Wahrnehmung der Geschichte seit Joachim Fest, nicht nur Herausgeber der FAZ, sondern Autor der Adolf Hitler Biografie war, deren Quelle in einigen Teilen ausgerechnet der Vater von Richard von Weizsäcker Ernst von Weizsäcker war.

Das ganze Gespräch siehe:

www.faz.net/s/RubB8A1F85C9BA549618318CE82246337B9/Doc~EFAA0DA10419D47BD80C8021665

Im Gespräch:

„Richard von Weizsäcker Es geht hier nicht um meinen Vater“

Richard von Weizsäcker ist bis heute nicht als Zeitzeuge in Erscheinung getreten, der die Öffnung der Archive des Auswärtigen Amtes zur wissenschaftlichen Forschung gefördert, gefordert, geschweige denn das persönliche Archiv seines Vaters Ernst von Weizsäcker der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hätte.

Richard von Weizsäcker hat als Zeitzeuge in der Weise von sich wunderlich die Rede gemacht, dass er einerseits davon berichtet, dass Seinesgleichen damals im Dritten Reich, voran sein Vater Ernst von Weizsäcker (bekennender Angehöriger der SS), Juden aus reiner Sympathie und Menschenliebe nahe gelegt hätten, frühzeitig, außerhalb des Geltungsbereichs des Dritten Reichs, das Weite im Ausland zu suchen, um Leib, Seele, gar Teile des Vermögens, vorher käuflich veräußernd, zu retten.

Andererseits aber imBrustton unerschütterlicher Überzeugung verkündet, seine Familie habe von den Konzentrations- , gar Vernichtungslagern des NS- Terror- Regimes erst nach 1945 wie viele andere aus der Zeitung erfahren.

Selbst noch in dem aktuell vorliegenden Gespräch der FAZ mit Richard von Weizsäcker und Frank Schirrmacher klingt ein ungeheuerlicher Unterton an, wenn Richard von Weizsäcker bekundet, dass sein Vater, Ernst von Weizsäcker 1936 Thomas Manns Ausbürgerung eingeleitet hat, habe er erst jetzt durch das vorliegende Buch „Das Amt“ erfahren, gleichzeitig aber merkwürdig „unscharf“ beiläufig einen Ton anschlägt,als gebe es auch Gründe für Thomas Manns Ausbürgerung, samt Enteignung dessen Vermögens durch das Dritte Reich:

„Wir haben wohl einige politische Stellungnahmen Thomas Manns, vor allem aus der Zeit der „Betrachtungen eines Unpolitischen“, nicht für seine stärkste Seite gehalten. Aber sein Riesenwerk „Joseph und seine Brüder“ haben wir immer als genial empfunden.“

JP

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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