Stauffenbergs gescheiterte Dolchstoßlegende

20. Juli 1944 1918 entzog sich der Generalstab mit einer Dolchstoßlegende der Verantwortung für die Niederlage. War die Operation "Walküre" der Versuch einer II. Dolchstoßlegende?

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1918 entzog sich der Generalstab kaiserlicher Heere mit einer Dolchstoßlgende der Verantwortung für die deutsche Niederlage im I. Weltkrieg (1914- 1918). War der 20. Juli 1944 mit der Operation "Walküre", der Auslösung des Alarmplanes der Heimatsersatzheere der Versuch einer II. Dolchstoßlegende zum gleichen Behufe, der Rettung der Ehre des deutschen Frontsoldaten?


Stauffenbergs Tod

Nach dem gescheiterten Attentat auf HItler wurden Stauffenberg und Mitverschwörer vor 71 Jahren im Innenhof des Bendlerblocks ohne Militärgerichtsverfahren hingerichtet


71. Jahrestag 20.Juli 1944.

Gedenken an Oberst Claus Schenk Graf Stauffenberg und seine Mitverschwörer des gescheiterten Attentats auf den Führer, Adolf Hitler

Rückblende von 1944 ins Jahr 1918

Gefälschte Marschbefehle und Drückebergerei: Ab Juni 1918 brachten verdeckte Militärstreiks die deutsche Westfront zur Auflösung.

Die Auflösung des deutschen Heeres 1918

Mit dem Scheitern der deutschen Frühjahrsoffensiven an der Westfront Mitte 1918 unter dem strategisch zögerlichen Kommando hier, Vabanquespiel des Generalquartiermeisters Erich Ludendorff da, Hunger- und Kampstreiks der Truppe ab 1917 begann die Auflösung der deutschen Armeen im Ersten Weltkrieg.

Die Zahl der Gefangennahme deutscher Soldaten durch die Westalliierten, die der Versprengten im Hinterland nahm dramatische Ausmaße an.

War nicht jetzt im Sommer 1944 deckungsgleich mit 1918 eine Situation für die Deutsche Wehrmacht an allen Fronten entstanden, nachdem die letzte Große Panzerschlachtoffensive der deutschen Heere gegen die Rote Armee bei Kursk an der Ostfront im Spätsommer 1943, unter hohen nicht wieder zu behebenden Verlusten an gut ausgebildet motivierten Soldaten, samt vorhandenem Material gescheitert war und nun die Invasion in der Normandie durch die Alliierten im Westen seit dem D- Day,dem 6. Juni, stetig an Boden Richtung Reichsgrenze gewann?

War da nicht die Strategie des Genralstabes der deutschen Heere im belgischen Hauptquartier der Oberen Heeresleitung in Spa 1918, unter der "Militär- Diktatur" des Generalfeldmarschalls und Helden von Tannenberg Paul Hindenburg und seinem Generalquartiermeister Erich Ludendorff genau die Blaupause, die es jetzt im Jahr 1944 brauchte, um über das Ende des Krieges hinaus, die Ehre des deutschen Offizierskorps, des einfachen Soldaten als ungeschlagene Kämpfer an allen Fronten, durch eine weitere Dolchstosslegende nährend, wie damals 1918, zu retten?

1918 war es dem Duo Hindenburg/Ludendorff mit List und Tücke gelungen, bis in den Deutschen Reichstag, die Medien glaubhaft eine Dolchstosslegende zu kommunizieren, die da besagte, unsere Heere kehren ungeschlagen von allen Fronten in geordneter Formation in die Heimat zurück und überlassen es der Politik, den Parteien in Berlin, um den Preis der Auflösung der, preussisch geprägt, dynastischen Monarchie, der inzenierten Flucht Kaiser Wilhelm II aus dem Adelsgeschlecht der von und zu auf und davon Hohenzollern ins Exil nach Doorn in den Niederlanden, Waffenstillstands- , Friedensverhandlungen mit den Feinden des Deutschen Reiches verantwortlich zu verhandeln und zu unterzeichnen.

Wenn es nach Erich Ludendorff gegangen wäre, hätte sich Kaiser Wilhelm II nicht ins Exil nach Doorn begeben, sondern im Oktober 1918 mannhaft, an vorderster Front kämpfend, seinen ehrenhaften Sodatentod durch eine tödliche Kugel gesucht und gefunden.

Allein der Einrede Hindenburgs, was machen wir, wenn seine Majestät der Kaiser und Oberbefehlshaber aller deutschen Heere unglücklicherweise nicht von französichen, englischen Soldaten getötet, sondern gefangen genommen wird?, ist es zu verdanken, das von dieser Idee im deutschen Generalstab im belgischen Spa 1918 Abstand genommen wurde ( s. Herfried Münkler "Der Große Krieg", Kapitel "Ludendorffs Nullsummen- , Vabanquespiel und Zusammenbruch der Mittelmächte S. 653).

Durch sein "Königsopfer", so dachten die Strategen in der Obersten Heeresleitung im belgischen Spa Anfang Oktober 1918, könne Seine Majestät ( S.M) Kaiser Wilhelm II dem Haus Hohenzollern wenigstens die preussische Königskrone und damit den Fortbestand seiner Dynastie retten.

S.M. Kaiser Wilhelm II entzog sich diesem Ansinnen seiner Generäle im Hauptquartier Spa mit dem Verweis auf seine Stellung als Oberstes Haupt der protestantischen Kirche im Deutschen Reich ( s. Herfried Münkler "Der Große Krieg", Kapitel "Ludendorffs Nullsummen- , Vabanquespiel und Zusammenbruch der Mittelmächte S. 750).

Ende der Rückblende.

Da der Führer Adolf Hitler, jetzt 1944, in aussichtsloser Lage für die Deutsche Wehrmacht an allen Fronten so wenig soldatische Ehre im Leib hatte, wie Kaiser Wilhelm II 1918 in aussichtsloser Lage für die deutschen Heere, sich selber zum Wohle, Heil und Gedeih des Vaterlandes, der Ehre der Offiziere, Soldaten, zu entleiben, damit die Dolchstosslegende 1918 wie 1944 auf fruchtbaren Boden in der Hefe des Volkes falle, was blieb da noch an Wahl, außer einem Attentat auf den Führer, Adolf Hitler, gleich, ob dieses gelinge oder scheitere?

Wobei, trotz und wg. der Operation "Walküre", im Dunklen bleiben müsse, wie die Heimatfront. mit Fremdarbeiteraufständen in Millionen Zahl, dazu peu a peu in allen reichsdeutsch- besetzten Gebieten Europas, in wirkliche Turbulenzen zu bringen sei, wer die Attentäter sind, und wenn schon, dann, desinformierend, die Satrapenbande des NS- Regimes selber als Attentäter zu denunzieren, mochten die Verschwörer um Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg konspirativ gedacht haben.

Was dem Generalstab der deutschen Heere im belgischen Spa 1918 selber an politischer Strategie für eine Dolchstosslegende im Fall der Niederlage eingefallen war, sollte doch wohl für die, hochgebildet, strategisch geschulten Generalstäbler der Deutschen Wehrmacht im Berliner Bendlerblock jetzt im kriegsheißen Juli 1944 mit der Auslösung des vorbereiteten Alarmplans "Walküre" für das Heimatersatzheeres, zu dem Oberst Graf Stauffenberg im März 1944 abkommandiert wurde, mehr als auf der Hand liegen.

Anders als im Fall Kaiser Wilhelms II im Herbst 1918, fiel für den Führer, ganz abgesehen, dass Hitller immer noch, befeuert durch die Massenproduktion von Vergeltungswaffen, den ferngesteuerten Raketen V- 1, V- 2. dem Düsenkampfjäger ME 62, an den Endsieg glaubte, die Option der Flucht unter freiwilligem Zwang ins Exil aus vielerlei Gründen, voran der Holocaust zu nennen, 1944 titanengleich bleischwer ins Wasser.

Was so ausgesprochen generalstabsmäßig congenial von der Strategie her im Rahmen der Auslösung des "Walküre Alarms" für das reichsdeutsche Heimatersatzheer, mit der Kriegslage im Sommer 1918 in Spa als Blaupause, angedacht und kühn am Morgen des 20. Juli 1944 durch Oberst Graf Stauffenberg und seine Mitverschwörer ins Werk gesetzt wurde, war gegen 21.00 Uhr am Abend desselben Tages nichts als todbringende Asche für die Attentäter selber, weil jene, die es, eingedenk der Lage 1918, im Generalstab der Deutschen Wehrmacht besser wissen konnten, von jahrelang federführend eigenen Verstrickungen in die Verbrechen des NS- Regimes traumatisiert, paralysiert, ihr einzig vorstelbares Heil im Überleben, koste es an millionenfachen Leben, an Vermögen, Gütern der Völker der Welt, was es wolle. nunmehr allein im Untergang des Heiligen Deutschen Reiches suchten.

"Nach uns die Sintflut!", "Genießet den Krieg, der Frieden wird furchtbar!"

Vielleicht mögen die Verschwörer um Oberst Graf Stauffenberg in soldatischer Disziplin und Moral im unverbrüchlichen Glauben an die Soldatenehre durchaus bedacht haben, wie unheilvoll die Dolchstosslegende nach 1918 Richtung Militarisierung der Lebensverhältnisse, der Außen- Wirtschafts- , Industrie- und Innenpolitik des Deutschen Reiches aus "Einem Guss" gewirkt hatte, aber jetzt ging es darum, die Ehre des Frontoffiziers und Frontsoldaten zu retten.

Die Ehre des Soldatentums ist nicht alles im Reich, mögen sie als Söhne des Krieges erwogen haben, aber ohne die Ehre des Soldatentums, wie sollte da wohl das Deutsche Reich nach einer bedingungslosen Kapitulation fortbestehen?

Dass das Hohe Lied der Soldatenehre durch die Verstrickungen der Deutschen Wehrmacht als Vollziehender Gewalt in den seit 1939 deutschbesetzten Gebieten Europas in Verbrechen, Organisation, Bereitstellung von Logistik und Einsatz für Massenmord unter dem diffusen Oberbegriff "Partisanenkrieg", dazu als williger Helfer beim Holocaust längst voller entsetzlich grässlicher Missklänge besudelt war, schienen die Verschwörer um Oberst Graf Stauffenberg gar nicht wahrzunehmen.

Personen unter den Verschörern wie Arthur Nebe, die im Osten Massenerschießungen an Juden veranstaltet hatten und Graf Helldorf, der als SA Führer Polizeipräsident von Berlin war und wahrscheinlich den Reichstag 1933 (mit) angezündet hat, mochten hier den reaktionär erzkonservativ- militaristischen Ton angegeben haben, der auch keine Erwähnung, geschweige denn Mitleid mit den am 22. Februar 1943 hingerichteten Geschwistern Sophie und Hans Scholl aus der studentischen Widerstandsgruppe "Weisse Rose" an der Universität München, der Stadt der Bewegung, erlaubte.

Oberst Graf Stauffenbergs letzte Worte in die Mündungsfeuer seines Hinrichtungskommandos am Abend des 20. Juli 1944 im Innenhof des Bendlerblocks nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler waren:

"Es lebe das Heilige Deutschland!"

Die Implementierung einer zweiten Dolchstosslegende im kollektiven Gedächtnis aller Deutschen und Europäer zur Rettung der Soldatenehre im Heiligen Abendland war am Abend des 20. Juli 1944 heillos gescheitert.

Wollte die Verschwörergruppe um Stauffenberg keine halben Sachen machen wie der Generalstab in Spa im I. Weltkrieg, der die deutschen Heere in geordneter Formation auf langen Märschen "ungeschlagen" heimwärts führte, sondern ein Chaos in Europa unter den Waffenträgern mithilfe der Auslösung des Alarmplans "Walküre" für das Heimasatzheer mit der Spekulation auslösen, dass sich Millionen Zwangsarbeiter. Widerstandsgruppen im Reich, Partisanen in ganz Europa erheben, bewaffnen würden, ein Kriegsszenario wie heute im Irak heraufbeschworen würde "Jeder gegen jeden" , in das zu interbenieren sich keine Armee der Alliierten getraut hätte?

JP

"Der Große Krieg", Herfried Münkler

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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