"Sterben draussen vor der Tür" abgewendet?

HOSPIZ Gericht weist Klage gegen Hamburger Hospiz mit Urteil vom 12.12.3013 ab. Jetzt droht das Rechtsmittel der Berufung gegen das vorliegende Urteil

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"Sterben draussen vor der Tür" gerade noch so eben vorläufig von Gerichtswegen verhindert.

Das Hamburger Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom gestrigen Tage die Klage des Ehepaars K. gegen die Einrichtung eines Hospizes in seiner unmittelbaren Nachbarschaft abgewiesen.

Seit Monaten hatte es ungewöhnlich scharfe Proteste gegen das Projekt eines Hospiz des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im Hamburg- Harburger Stadtteil Langenbeck gegeben.

Hamburg - Die Klage eines Ehepaars aus dem Hamburger Süden gegen die Einrichtung eines Hospizes in der Nachbarschaft ist vom Verwaltungsgericht der Stadt abgelehnt worden. Das bestätigte ein Gerichtssprecher auf Anfrage von Pressevertretern. Zur Begründung machte er keine Angaben, kündigte aber eine entsprechende Mitteilung von Amtswegen an.

Bereits im Februar 2012 trugen Anwohner Bedenken gegen das Projekt vor - es ging um eine mögliche Wertminderung ihrer Immobilien, um zusätzlichen Verkehr, ausdrücklich aber auch um die Konfrontation mit dem Tod.

"Wenn ich morgens beim Frühstücken aus dem Fenster schaue, möchte ich nicht, dass mir die Wurst im Hals stecken bleibt", erklärte damals eine Nachbarin in den Medien,

Einige Anwohner leisteten auffällig heftigen Widerstand. In der "taz" sagte Martina Kuhn von der Koordinierungsstelle Hospiz & Palliativarbeit, in Hamburg habe zwar bislang jedes neue Hospiz für Proteste gesorgt. "Aber bei keinem haben die Anwohner so lange gekämpft und sind sogar vor Gericht gegangen."

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts können die Kläger Berufung einlegen. Ob das tatsächlich geschieht, blieb heute im Unklaren

Einen Tag nach seiner Öffnung muss ein Hospiz in Hamburg vorläufig, angesichts des vorliegenden Verwaltungsgerichts- Urteils, nicht wieder seine Tore schließen.

Aufmarschierte Kläger wollen das Sterben nicht im Vorgarten des Hauses von nebenan schauen müssen und gehen womöglich dem Buchstaben des Gesetzes nach in Berufung gegen das vorliegende Urteil.

Zwölf Bewohner sollen in dem Hospiz nebenan einmal auf ihren Tod hin leben.

Chronik der Ereignisse

HAMBURG, 11.Dezember 2013
Ehepaar K. schweigt auf telefonische Anfrage.
Vorsorglich sind alle Rollläden heruntergelassen, schriftliche Anfragen der taz , sich zu melden, bleiben vergeblich.

Ein Besuch des Harburger Ehepaars K. in ihrer Doppelhaushälfte am Hamburg- Harbburger Stadtrand im Ortsteil Langenbek endet an der Vorgarten- Hecke.

Was das Ehepaar K. erst sprachlos dann klagewütig macht, ist fünf Meter entfernt von ihrem Haus auf der anderen Straßenseite zu besichtigen:

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat das Gemeindezentrum des Stadtteils Langenbek zum Hospiz umbauen lassen und dabei in der Wohngegend unüblich aufgestockt.

Ein kompakter Doppelstockbau mit massiv hochgezogener Backsteinwand, keine fünf Meter entfernt von der Fensterfront des Ehepaars K..

Ehepaar K. klagt nicht gegen Hospize im allgemeinen in Wohngebieten, aber gegen die Wahl dieses Standortes vor ihrer Haustür in dieser Bauweise.

Gestern, am 12, Dezember, verhandelte das Verwaltungsgericht Hamburg- Harburg diesen Fall. Sollte ein Berufungsgericht der Klage des Ehepaar Ks. folgen, scheint absehbar, dass das Hospiz an einen anderen Standort ausgelagert werden muss.

Am Mittwoch, den 11. Dezember 2013 wurde das Hospiz in banger Unkenntnis des Ausgangs der Klage bei Gericht feierlich mit rund 200 Gästen im Hamburg- Harburger Stadtteil Langenbek offiziell eingeweiht.

Das Projekt wird mit rund drei Millionen Euro Baukosten veranschlagt.

Ein Großteil der Baukosten wurde laut Presseberichten durch Spenden finanziert.

Das Klägerpaar begründet in der Klageschrift seine Einwände, die den Medien vorliegt, in juristischer Fachsprache, als gebe es keinen Ärger an sich zu kommunizieren, der über ein Mediationsverfahren nachbarschaftlich zu schlichten und zu beheben wäre.

Bemängelt werden die „Abstandsflächen“, die „Mehrverschattung durch ortsunüblich zweistöckige Bauweise“..., und die „kurze Verweildauer“ der kranken Patienten. Ein Hospiz entspreche nicht dem „Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebietes“, heißt es. „Der Bau nimmt, mit anderen Worten, keine Rücksicht auf das Wohnumfeld.“

Wie in den Medien verlautbart, geht es auch um das lebensnahe Bangen der Anwohner des Hospiz, dass im Stadtteil Langenbeck die Grundstückspreise, samt Mietspiegel, dramatisch sinken und dazu führt, dass es zu Anfragen durch Banken, Sparkassen kommt, weil die Kreditwürdigkeit, gewährte Kreditrahmen für die Finanzierung von Immobilien bei einigen ihrer Kunden in diesem Stadtteil ins Schwanken gerät.

Das klingt insofern lebensfremd, weil so mancher Bewohner eines Hospiz in seiner "Lebensangstblüte" letzter Tage auf Erden nicht selten, angesichts so menschlich einfühlsam zugewandter Betreuung, angstfrei, allseitig überraschend, eine längere Lebenszeit genießt, als ärztlich bei Einweisung prognostiziert wird

Am Montag, zwei Tage vor der Eröffnung verweist Harald Krüger, Leiter des Harburger DRK- Bezirksbüro am Fenster eines Patientenzimmers im Hospiz auf die Hecke, die auf der Grundstücksgrenze zwischen dem Hospiz und dem Garten des Ehepaars K. verläuft:

„Das war unser Kompromiss,“ sagt er. „Per Vertrag haben wir geregelt, dass die Hecke einen Sichtschutz bildet.“

Das Hospiz ist sein Projekt. Das Patientenzimmer, aus dem er auf die Nachbarn weist, ist noch unbewohnt. Die Wände sind gelb und weiß gestrichen, es riecht nach frischer Farbe und Laminat.

Am Montag kommender Woche soll die erste Bewohnerin einziehen. Ein fahrbares Bett und ein fahrbarer Sessel sind schon da, Fernseher und Stehlampe fehlen noch. Zwölf Bewohner sollen in dem Hospiz einmal leben und umsorgt sterben können. Wenn das Hospiz überhaupt bleiben darf.

Harald Krüger, ein kräftiger Mann mit grauem Bart, hat in fester Tonlage den Hamburger Schnack in seiner Stimme, der jedermann verklikkert, dass er sich nicht so schnell geschlagen gibt.

Seit dreißig Jahren arbeitet Harald Krüger beim DRK und hat schon viele soziale Einrichtungen eröffnet. Bei jeder, egal ob Kindergarten oder Altenwohnanlage, habe es Beschwerden der Anwohner gegeben. „Aber so viel Widerstand wie hier habe ich noch nie erlebt“, sagt er.

Das DRK hatte das Gemeindezentrum in diesem Stadtteil des Bezirks Hamburg- Harburg im letzten Jahr von der Evangelischen Kirche gekauft und umgewidmet.

Noch bevor der Kaufvertrag unterschrieben war, hatte Harald Krüger als Vertreter des DRK die erste Beschwerde als Einschreibbrief vorliegen.

Damals empörten sich neben dem Ehepaar noch mehr Anwohner, und dann begann die Protestwelle. Krüger lud alle Anwohner zu einer Infoveranstaltung ein. 150 Nachbarn kamen und trugen ihre berechtigten und eher unberechtigten Sorgen als Bedenkenträger vor:

„Einer meinte, ihm bleibe das Brötchen im Halse stecken, wenn an seinem Frühstückstisch der Leichenwagen vorbeifährt. Viele Eltern hatten Angst um ihre Kinder, wenn die sehen, wie hier Leichen abtransportiert werden. Und wieder andere hatten Angst, dass sie im Sommer nicht mehr draußen grillen dürfen“, erinnert sich Krüger.

Einer der Anwohner steht vor seinem Gartentor. Wie er es findet, dass hier ein Hospiz eröffnet? „Wir sind von Anfang an belogen worden“, sagt er. „Die Baupläne, die uns das DRK im letzten Jahr vorgesetzt hat, sahen ganz anders aus. „Das Gebäude versperrt dem Ehepaar die Aussicht. Ich kann gut verstehen, dass die sich beschweren. Ich habe doch überhaupt nichts gegen das Hospiz“, sagt er. „Aber im Umkreis von nicht einmal zwei Kilometern gibt es einen Waldrand am freien Feld. Wieso konnte man das Hospiz nicht dahin bauen? Dort hätte es keinen gestört.“, so steht es in der taz.

Solche Sätze hat Martina Kuhn schon oft gehört. Sie koordiniert die Hamburger Hospize. „Jedes Hospiz, das in Hamburg neu aufgemacht hat, hat Proteste erlebt“, sagt sie. „Aber bei keinem haben die Anwohner so lange gekämpft und sind sogar vor Gericht gegangen.“ In einem anderen Stadtteil sei ein Ehepaar umgezogen, als es einsah, dass es das Hospiz nicht verhindern konnte. Bei einem anderen Hamburger Hospiz, das seit 15 Jahren geöffnet ist, beschweren sich die Nachbarn bis heute regelmäßig mit Zetteln im Briefkasten, wenn das Licht im Haus zu lange brennt oder man nachts in die Zimmer schauen kann.

„Das sind alles vorgeschobene Gründe",

meint Martina Kuhn, sie koordiniert die Hamburger Hospize. „Jedes Hospiz, das in Hamburg neu aufgemacht hat, hat Proteste erlebt, sie habe solche Einwände schon oft gehört.

"In Wirklichkeit ertragen es die Menschen nicht, den Tod so nah vor der Haustür zu haben“, sagt Kuhn. „Sie haben Angst vor ihrem eigenen Tod und wollen den Gedanken so weit es geht wegschieben. Viele wissen gar nicht, was in einem Hospiz überhaupt passiert.“

„Genau da (in Langenbek) gehört das Hospiz hin“, sagt Pastorin Hella Lemke. Sie ist Hospizseelsorgerin und hat bis vor sieben Jahren in den Räumen gewohnt, in denen jetzt das Hospiz entsteht. „In einem Hospiz geht es nicht nur ums Sterben, sondern auch um Leben. Ein Hospiz, das mitten im Wohngebiet steht, macht auch architektonisch klar: Leben und Sterben gehören zusammen.“

Wenn Lemke aus ihrer Wohnung tritt, steht sie auf dem Kirchfriedhof. Sie kann verstehen, dass es Zeit braucht, sich daran zu gewöhnen, neben einem Haus zu wohnen, in dem Menschen sterben. „Aber ich finde es sehr traurig, dass die vergangenen eineinhalb Jahre nicht ausgereicht haben, damit sich die Nachbarn an das Hospiz gewöhnen.“

Jetzt rächt sich dass die christliche Gemeinde in Langenbek am Abbröckeln ist und im Rahmen von kirchlichen Fusionen das Gemeindezentrum verkauft und umgewidmet wurde.

Eine Spielstraße führt direkt auf das Hospiz zu. Als es noch ein Gemeindezentrum war, kamen viele Menschen: Bibelstunde, Jugendgottesdienst oder die Seniorensportgruppe. Jetzt, wo das Gemeindezentrum weg ist, ist dies ein leblos stiller Ort geworden.

Wenn das Hospiz erst einmal seinen Betrieb beginnt , wird sich das schnell wieder ändern, argumentiert das Ehepaar K.

150 Leichenwagen würden jährlich durch die Straße fahren, haben sie ausgerechnet. „Bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 28 Tagen und 12 Gästen findet alle zwei bis drei Tage ein Wechsel statt“, steht in der Klageschrift. „Diese hohe Fluktuation übersteigt den Rahmen dessen, was in dem allgemeinen Wohngebiet verträglich ist.“

„Wenn sich Anwohner vom Leichenwagen gestört fühlen, finden wir da eine Lösung" erläutert harald krüger. Die Leichen müssen ja nicht zur Frühstückszeit abtransportiert werden oder wenn die Kinder von der Schule kommen“, sagt er. Außerdem: „Leichenwagen erkennen Sie heute gar nicht mehr. Es gibt kaum noch Bestatter, die mit den klassischen Autos fahren. Die meisten fahren einen VW-Bus oder einen Kombi.“

Die andere Seite erfogreicher Überzeugungsarbeit in Einzelgesprächen, einem Sommerfest, sieht Harald Krügers Meinung nach so aus:

Mittlerweile haben sich viele Nachbarn als Ehrenamtliche gemeldet, die vorlesen oder Sträucher einpflanzen wollen. In dem Raum, der einmal der Speisesaal für die Patienten werden soll, steht ein Regal voller Bücher und Spiele – Spenden von den Nachbarn. Eine Frau, die mit ihrem Hund am Hospiz vorbeispaziert, sagt: „Mein Vater ist im vergangenen Jahr gestorben. Ich wäre froh gewesen, wenn ein Hospiz in der Nähe gewesen wäre. Gut, dass hier nun eins eröffnet.“

Nicht unerwähnt sollten Mutmaßungen bleiben, dass sich hier die Stadt Hamburg einen schlanken Fuß macht und mit dem Hospiz Projekt des DRK in Langenbek als Speerspitze einen Versuch der Verdichtung von Wohngebieten startet, die in der bisherigen Bauvorhabenordnung in Hamburg für diese Wohnlagen nicht vorgesehen ist, nämlich zweistöckig zu bauen.

Das wäre zu Lasten von Nachbarschaftsverhältnissen und aller Betroffenen, darunter das Hospiz ein schändliches
"Hase und Igel- Spiel"

nach der hanseatischen Amtsschimmel Devise an die Bürger der Freien und Hansestadt Hamburg:

"Wir haben Zeit! Dann klagt mal schön!"

JP

http://www.spiegel.de/panorama/umstrittenes-hospiz-in-hamburg-verwaltungsgericht-entscheidet-a-938691.html

Proteste von Anwohnern: Gericht weist Klage gegen Hamburger Hospiz ab
12.12,2013

http://www.taz.de/Hospiz-unerwuenscht/!129190/
Hospiz unerwünscht
Bitte sterben Sie woanders
ANNE FROMM

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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