Stoppt Krisenkarussel in der Ukraine!

Teufelskreis oder das Dramadreieck, ein Modell aus der Transaktionsanalyse, das von Stephen Karpman, nun in der Konfliktforschung unter dem Begriff Krisenkarussel angewandt wird

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Ein Teufelskreis in und mit der Ukraine, ziviler ausgedrückt, ein Dramadreieck mit wechselnden Rollen als Täter, Opfer, Retter

Was erleben wir seit Monaten in der Krise in um die Ukraine, zwei unterschiedliche Mentalitäten, des Begriffs Kommunikation, der Geschwindigkeiten der Reaktion, in Moskau, Kiew, Brüssel, Berlin, London, Paris, Washington mit der Eigendynamik einer sich gegenseitig eskalierenden Gefahrenlage in um die Ukraine.

Früher, in Zeiten des Kalten Krieges waren es eher die Warschauer Vertragsstaaten, die gemäß ihrem kollektiven Führungsstil, mit der UdSSR als Entscheider, auf Veränderungen hinhaltend mit dem Prinzip reagierten:

"Die Zeit wird es heilen oder gar nicht"

Während die NATO in Brüssel, London, Paris, Rom, Athen, Amsterdam, Oslo, Kopenhagen, Wahington, Toronto, damals auf veränderte Einschätzungen von Gefahrenlagen, propagandistisch aufgeladenen Fiasko Faktoren eskalierend, Aufrüstungsprogramme (s. NATO- Doppelbeschluss 1979- 1983) als Reaktion vom Stapel ließen, um die UdSSR, die Warschauer Vertragsstaaten in der Perspektive totzurüsten, wie dies der republikanische US- Präsident Ronald Reagan mit Beginn seiner Amtszeit 1980 offensiv unverhohlen verkündete.

Was wollen die Amerikaner, fragten damals sowjetische Journalisten in der Frühschoppen Runde ( mit Moderator und 4 Journalisten aus 5 Ländern) bei Werner Höfer als geladene Gäste im WDR, wollen die Amerikaner Krieg gegen sowjetisches Rindvieh auf den Weiden führen?

Heute ist es umgekehrt.

Das System Putin setzt nicht nur auf zeitnah schnelle, sondern strategisch vorauseilende Wahrnehmung von Gerfahrenlagen, besser schnelle Entscheidungen als gar keine und erwartet dies spiegelbildlich auch von seinen strategischen Partnern in Washington, Brüssel, London, Paris, Berlin, Rom, Warschau, Kiew.

Doch die kommunikativen Systeme in Washington, Brüssel, London, Paris, Berlin, ticken anders, setzen nicht nur auf den Faktor Zeit, wie die UdSSR zu Zeiten des Kalten Krieges, sondern bergen in ihrer Mitte das Panikorchester, das in Kiew, mit Scheuklappen vor Augen und Ohren, regiert und auf alle hervorbrechenden Fragen, die das Leben in Krisenzeiten stellt, nur eine Antwort kennt "Militärische Eskalation".

Die Folge ist, Putin eröffnen sich unerwartete Optionen, die er nicht als Chance, z. B. Annexion der Ostukraine, um einen Landweg zur Krim zu implementieren, sondern wiederum auf Sicht als militärische und wirtschaftliche Gefahrenlage interpretiert und dem Krisenkarussel in der Ukraine, peu a peu, wie zuvor neuen Schwung verpasst.

Ein Teufelskreis, ziviler ausgedrückt ein Dramadreieck

Das Dramadreieck ist ein psychologisches, soziales, weltpolitisches Modell aus der Transaktionsanalyse, das zuerst von Stephen Karpman beschrieben, nun auch in der Friedens- und Konfliktforschung unter dem Begriff Krisenkarussel angewandt Bedeutung gewinnt.

Menschliche Verhaltensmuster, Richtlinen staatlicher Regierungspolitik, die nachvollziehbaren, aufgedeckten Regeln folgen, werden in der Transaktionsanalyse „Spiel“ genannt, obwohl sie für die Betroffenen sehr ernst, alles andere als ein Spiel, sein können.

Verfolger, Opfer und Retter

Das „Dramadreieck“ beschreibt ein Beziehungsmuster zwischen mindestens zwei Personen, Völkern, Staaten, Kulturen, Religionen die darin die drei Rollen einnehmen:

Opfer
Verfolger
Retter

Zwischen den Spielern gelten „Regeln“ der Rollenerwartung, die vom Rollenträger durch die Wahl einer Rolle unwillkürlich, d. h. systemisch befolgt werden.

Dabei übernehmen die Beteiligten diese Rollen aus der inneren Notwendigkeit des Musters heraus, sie „spielen“ diese Rollen, eskalierend oder deeskalierend (sie „sind“ nicht die Rollen).

Die Muster des Dramadreieckes (Pattern variables) paaren sich oder konkurrieren gleichzeitig mit persönlichen bzw. kulturellen Mustern der Beteiligten. Die Muster können teilweise (zumindest in gewissem Maße) auch gezielt manipulativ „eingesetzt“ werden (zum Beispiel in der Politik, in sich anbahnenden Krisen, Kriegen, der Werbung und in Familienfehden).

Rollenwechsel im Dreieck
Im Dramadreieck gibt es keinen festen Anfang oder Einstieg und auch kein feststehendes Ende. Ebenso schnell können sich die eingenommenen Positionen wieder verändern. Im Laufe dieses Musters kann es zu plötzlich fliegenden Rollenwechseln kommen:

Wenn beispielsweise zwei Menschen sich prügeln, zwei Regionen wie in der Ukraine Krieg gegeneinander führen und einer von beiden zu unterliegen droht, also „Opfer“ ist, dann kann der andere als „Täter“ betrachtet werden.

Ein Nachbar, in der Ukraine also Russland oder die NATO, die EU kann als „Retter“ dem vermeintlichen Opfer zur Hilfe eilen und sich gegen den Täter wenden.

Wenn sich beispielsweise das „Opfer“ mit dem ursprünglichen „Täter“ (wieder) solidarisiert und behauptet, das sei alles nur „Spaß“, ein immer wieder einmal aufbrechender Bruderkrieg zwischen Ukrainern unterschiedlicher Herkunft und Kultur gewesen, der so schnell vergeht, wie ergekommen, und der Nachbar, also der Retter, sei es Russland, sei es die NATO, hätte sich unerwünscht eingemischt und sei sogar schuldig an der Eskalation bis hin zur heillos verfahrenen Lage kann der „Retter“ nun als „Täter“ identifiziert gebrandmarkt werden und der ursprüngliche „Täter“ wird gefühlt zum „Opfer“.

Die Positionen werden dadurch getauscht: Das ehemalige Opfer wird jetzt zusammen mit dem ehemaligen Täter zum „Täter“ gegen den Nachbarn, also den Retter, der sich nun in der Opferrolle wiederfindet.

Meist wird dr vormalige Retter nun angebliche Täter das nicht auf sich sitzen lassen wollen und seinerseits wirklich zum „Täter“ werden – und sei es, dass er zu Hause den Hund anbrüllt, oder Pazifisten daheim zum Teufel jagen will, weil vorgeben, das alles schon vorausgesehen zu haben.

Die Beteiligten
Meistens sind die drei Rollen auf drei Personen, bzw. drei Länder, drei Kulturen, Religionen verteilt. Aber auch zwei Personen, zwei Länder, im Fall der Ukraine sogar zwei Teile desselben Landes, die westlich- und die östlich orientierte Ukraine können die drei Rollen abwechselnd untereinander zuordnen.

Das Dramadreieck lässt sich auch alleine spielen. Dann übernehmen einzelne Persönlichkeitsaspekte, religiöse, kulturelle Aspekte eines Landes, wie jetzt in der Ukraine in einem inneren Dialog die drei Rollen.

Bedeutung des Dramadreiecks
Das Dramadreieck beschreibt ein Grundmuster menschlicher, staatspolitischer Aktion/Reaktion und die damit verknüpften Verhaltensweisen. Es dient als Administrator von Nähe und Distanz.

Das gilt im Großen (Krieg und Frieden) wie im Kleinen (Kinderspiel und Alltagsbeziehung). Als Retter und Opfer ist man sich oft nah, vom Täter hält man sich fern, und ist ihm in anderer Weise gleichzeitig innerlich verbunden.

Für dieses Muster gibt es auch analytische, suchttheoretische, verhaltenstheoretische, systemische und entwicklungspsychologische Erklärungsansätze.

Das Dramadreieck kann notwendiges Lernfeld sein, genauso wie ein unreifes dysfunktionales Beziehungsmuster , ein kollektives Sicherheits- oder Bündnissystem, die UNO mit weitreichenden Folgen.

Verwicklungen aufgrund dieser unbewussten im persönlichen beziehungsfall, im Fall von Ländern geheimgehaltener Strategien können sich über Generationen, auf staatlicher Ebene über eine Abfolge falscher, zu langsamer und zu schneller Entscheidungen erstrecken. Es gibt historische und aktuelle Beispiele für die bis heute dauernde Wirkung solcher Dramen.

Auswirkungen.
Besonders dramatische Auswirkungen finden sich, wenn die Rollen des Dramadreiecks in gerichtlichen oder politischen Situationen mit Verurteilung oder Todesfolge „gespielt“ werden.

Auch in der großen Politik gibt es dramatische Beispiele, z.B. die Stellvertreterkriege im „Kalten Krieg“ zwischen Ost und West, Garantenkriege im Rahmen von Ressoucenpolitik der Großmächte im Namen erdölexportierender Länder, die Auseinandersetzungen im Nahen Osten, wo die UdSSR und die USA mit den arabischen Völkern jahrzehntelang die Rollen von Täter, Opfer und Retter wechselten, was sich jetzt in der Ukraine mit Russland, den USA, der NATO, der EU, der UNO ungefragt im Hintergrund, zu bestätigen scheint.

Positives Verhalten
Das Bewusstsein für diese Verhaltensmuster ist ein wichtiger Beitrag zur positiven Verhaltensveränderung im Sinne des Ausstiegs aus diesem automatisch ablaufenden Kreislauf.

Experten nennen es in Friedens- und Konfliktforschung auf der Basis zwischen Ländern, Staaten, Kulturen, Regionen Krisenkarussel.

Nach der Theorie kann ein beginnendes Drama-Dreieck nur durch das entgegengesetzte Verhalten gestoppt werden:

"Das Opfer soll lernen mit Täterenergie gegen den Täter vorzugehen und z.B. entsprechend laut und vernehmlich „Stopp“ zu sagen".

Im Fall der Krise in der Ukraine wäre hier das erlösende Zauberwort von seiten des gefühlten Opfers aus dem Munde Präsident Petro Poroschenkos:

"Waffenstillstand", "Friedensverhandlung"

auf Augenhöhe.
Ich mutmaße, genau das Szenario, das dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko quasi das Zauberwort auf dem Silbertablett in den Mund legt, ist Thema der Kontaktgruppe in Minsk (Weissrussland)?

Käme das Zauberwort von seiten des gefühlten Täters, eines Retters, sagen wir einmal von Russland,der EU, den USA, der NATO, könnte es seine erlösende Wirkung kaum entfalten und wäre nur Schall und Rauch.

Der Täter wird somit quasi zum „Opfer“.

Bei einer kritischen Betrachtung kann auch das Verhalten eines Helfers „zu viel“ sein, wenn dem Opfer mehr Unterstützung angedeiht wird als es wirklich braucht, oder sich Helfer manchmal geradezu aufdrängen, z. B. jetzt Deutschland mit der Lieferung von Waffen, darunter das Sturmgewehr G- 36, Milan Luftabwehrraketen, samt Ausbildung am gerät in Deutschland, für Kurden im Norden des iraks .

Im Fall des Krisenkarussels in der Ukraine , das auf dem Maydan in Kiew angeschoben Schwung aufnahm, wären das sowohl Russland, China, als auch die EU, die NATO, die USA, Deutschland, Polen, die baltischen Staaten.

Gemäß der Dramadreieck-Theorie - sollte das vermeintliche Opfer dem Helfer dessen eigene Helfer-„Energie“ spiegeln; z.B. durch die Gegenfrage: „Und wie geht es denn überhaupt Dir (Helfer) persönlich? oder als Land kulturell, wirtschaftlich?“

Ein auf Wirksamkeit bedachter Helfer, im Sinne eines reifen und partnerschaftlichen Verhaltens, wird dem Opfer „nur“ zur Selbsthilfe verhelfen. Falls notwendig wird er das Opfer auch aus der „Schusslinie“ nehmen, aber ihm immer nur soweit Hilfe angedeihen lassen, bis die Person, das Land sich wieder selbst helfen kann.
JP

http://www.hsfk.de/Staff.10.0.html?&no_cache=1&L=1.&detail=37&cHash=a5bb07024a
Dr. Hans-Joachim Spanger, Friedens- und Konfliktforschungssinstitut

http://www.phoenix.de/content/phoenix/die_sendungen/diskussionen/868020
Tausende russische Soldaten kämpfen an der Seite der Separatisten. Die Abspaltung großer Landesteile wird immer wahrscheinlicher. Strebt Wladimir Putin die Annexion ukrainischer Landesteile an? Holt sich Putin nach der Krim den Rest der Ukraine?

http://www.hss.de/politik-bildung/themen/themen-2013/russland-und-der-westen.html
Russland und der Westen

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Joachim Petrick

Aktuelles: Meine sichere Route- Refugee-Airlift - Petition "Luftbrücke für Flüchtlinge in Not" an die MdBs des Bundestages erhofft Debatte

Joachim Petrick

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden